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4 Strategische Bedeutung und Beschaffungsstrategien

Der Begriff Beschaffungsstrategie steht für die Art und Weise wie Beschaffungsaufgaben durch bestimmte Handlungen – also während des Beschaffungsprozesses – zielorientiert erfüllt werden können. Diese Handlungen finden unter Berücksichtigung der externen und nicht änderbaren Umfeldzustände statt und sollen unter diesen Restriktionen zur optimalen Aktion führen. So umfassen Beschaffungsstrategien vor allem die strategischen Handlungsabsichten für den Bereich der Beschaffung und können daher als Ergebnis eines strategischen Informationsversorgungs- und Planungsprozesses für den Bereich der Beschaffung charakterisiert werden.

4.1 Aufgaben und Herausforderungen

Aufgrund knapper Ressourcen und permanentem Kostendruck muss auch im Beschaffungsmanagement die Wertschaffung als Zielsetzung vorangestellt werden.32 Aufgrund der steigenden Anteile des zugekauften Materials, lässt sich hier die Bedeutung und die Zielsetzung der Beschaffung ersehen. Aufgabe der Entscheidungsträger in der Beschaffung ist es, das optimale Vorprodukt einzukaufen, um einen möglichst hohen Qualitätsstandard der Eigenfertigung zu günstigen Konditionen erreichen zu können. Die Kosten für die Beschaffung der Vorprodukte müssen also kostendeckend in die eigenen Endprodukte einfließen. An dieser Stelle kommt wieder die Wirtschaftlichkeitsbedingung ins Spiel. Es können nur Produkte profitabel verkauft werden, wenn die Summe aller produktspezifischen Kosten geringer als der Verkaufspreis ist. Die Differenz zwischen dem höheren Preis und den Kosten stellt den Gewinn dar. Dieser Gewinn sollte die Forderungen der Kapitalgeber erfüllen und deren Vorstellungen der Kapitalkosten erfüllen. Dies gilt sowohl für Konzerne als auch für klein- und mittelständische Unternehmen und stellt ein äußerst wichtiges Beurteilungskriterium für das Rating33 dar.

Diese Aufgaben müssen im Umfeld der in Abbildung 6 dargestellten Einflüsse erledigt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und die Wertgenerierung erreichen zu können.


Abb. 6: Herausforderungen für das strategische Beschaffungsmanagement

Die Faktoren aus der strategischen Analyse sowie die bereits erzielten Ergebnisse müssen unter Einbeziehung von strategischen Vorüberlegungen so verknüpft werden, dass ein dem Unternehmenszweck dienliches, effizientes Gesamtergebnis erreicht werden kann. Ferner sind dabei die Wechselwirkungen mit dem eigenen Vertrieb zu berücksichtigen. Dies lässt sich durch die Prozessintegration gewährleisten.

Das strategische Beschaffungsmanagement34 ist die Schnittmenge der Handlungen des Beschaffungsmanagements und des übergeordneten strategischen Managements. Dies bedeutet, dass die strategischen Überlegungen des Beschaffungsmanagements in Einklang mit den strategischen Unternehmenszielen stehen müssen, wobei logischerweise das Vorhandensein von Handlungsmöglichkeiten Voraussetzung ist. In Abbildung 7 wird dieser Zusammenhang dargestellt.

Beschaffungsstrategien enthalten auch Aussagen über die strategischen Beschaffungsziele und das Leitbild für die Beschaffung, daher sind Beschaffungsstrategien als Funktionsbereichsstrategien der Beschaffung zu verstehen. Diese werden aus der übergeordneten Unternehmensstrategie abgeleitet und sind in den Gesamtprozess des integrierten Beschaffungsmanagements (IBM) integriert. Die Wirkungen des strategischen Beschaffungsmanagements werden also in den relevanten Teilphasen des IBM, insbesondere den Sourcing-Strategien in Phase 1 ( Kap. B 1.3) durch entsprechende Beschaffungsstrategien erkennbar ( Abb. 8).

In einigen Phasen ist dabei eine klare Trennung zwischen operativen und strategischen Aspekten nicht immer möglich, bzw. die Übergänge an diesen Stellen können fließend verlaufen. So ist beispielsweise die Make-or-Buy-Entscheidung per Definition eine strategische Entscheidung. Durch die Einbettung in den Gesamtprozess muss eine Entscheidungsgrundlage jedoch durch die damit verbundenen operativen Tätigkeiten geschaffen werden, ähnlich verhält es sich auch mit der Lieferantenbewertung; die Messergebnisse der Lieferantenleistung werden nicht unmittelbar nach der Erhebung für Weichenstellungen benutzt, sondern erst in einer späteren Prozessphase.


Abb. 7: Aufgabengebiete des strategischen Beschaffungsmanagements


Abb. 8: Das strategische Beschaffungsmanagement liefert die Entscheidungsgrundlage für strategische Eckpunkte im Beschaffungsprozess

4.2 Bestimmungsfaktoren der strategischen Entscheidung in der Beschaffung

Die Ziele der einzelnen betrieblichen Funktionen35 (Vertrieb, Produktion, Beschaffung usw.) werden aus den erfolgsorientierten übergeordneten Unternehmenszielen abgeleitet. In diesem Zusammenhang ist es aber weniger relevant, was hierbei im Einzelnen definiert wurde, denn im Endeffekt lassen sich stets allgemeingültige Aussagen (z. B. Erhöhung der Profitabilität) herausfiltern, und dies führt in der Regel dazu, dass der betriebliche Leistungserstellungsprozess nach wirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten optimiert werden muss.

Je nach betrieblicher Funktion stehen dabei auch andere Überlegungen im Vordergrund, um diese Oberziele erreichen zu können. Für den Bereich der Beschaffung sind diese strategischen Bestimmungsfaktoren beispielsweise:

• die Erreichung langfristiger Ziele,

• die Erschließung von externen Potenzialen,

• der Aufbau von Wettbewerbsvorteilen,

• und die Minimierung von Unsicherheiten.

Im Zielbildungsprozess können diese Faktoren auf entsprechende Zielobjekte der Beschaffung übertragen werden. Tabelle 1 zeigt Beispiele dazu.

Tab. 1: Beispiele von Zielen für verschiedene Zielobjekte


ZielobjekteBeispiele

Wie diese abgeleiteten Zielobjekte im strategischen Beschaffungsmanagement implementiert bzw. umgesetzt werden, hängt maßgeblich von der angestrebten Wirkung und der definierten Verhaltensweise ab36. Dabei unterscheidet man einerseits nach der Verhaltensweise:

• Aktives Verhalten: Hiermit sollen eine Veränderung und Ausschöpfung des Bedingungsrahmens für beschaffungspolitische Entscheidungen erreicht werden.

• Passives Verhalten: Es wird lediglich das Ziel der Ausschöpfung eines gegebenen Bedingungsrahmens für beschaffungspolitische Entscheidungen angestrebt.

Die Unterscheidung der Wirkung hingegen wird nach der Reichweite vorgenommen:

• Interne Wirkung: Strategische Ziele für interne Erlös- und Kostenpotenziale; der Fokus liegt also auf direkt vom Unternehmen beeinflussbaren Aspekten (z. B. eigene Prozessoptimierung)

• Externe Wirkung: Strategische Ziele für externe Erlös- und Kostenpotenziale, wobei versucht wird durch (in der Regel aktives) eigenes Marktverhalten Änderungen herbeizuführen.


Abb. 9: Strategische Orientierung nach Verhaltensmuster und Wirkrichtung

4.3 Strategische Funktionen im Integrierten Beschaffungsmanagement

Die in Abbildung 9 gezeigte Orientierung nach Verhaltensmuster und Wirkrichtung erlaubt eine Zuordnung einzelner strategischer Beschaffungsphasen bzw. darin enthaltener Aufgaben und Prozesse. In Ergänzung dazu können Überlegungen zu den einzelnen Beschaffungsobjekten und Marktverhältnissen zusätzlich Hinweise für die strategische Stoßrichtung liefern.

Tabelle 2 zeigt die in der strategischen Orientierung zugeordneten Aufgaben und Tätigkeiten, die im Beschaffungsprozess auch nebeneinander bzw. mit unmittelbarer Feedback-Wirkung ablaufen können oder unter Umständen eine Fortsetzung des Vorgangs erst erlauben, wenn entsprechende Ergebnisse vorliegen.

Tab. 2: Strategische Aufgaben im Beschaffungsmanagement


Um eine zweckdienliche Transparenz und Interdependenzen aufzeigen zu können, ist daher eine prozessorientierte Organisation des Beschaffungsvorgangs erforderlich. Im nächsten Kapitel werden die Zielsetzung und die Vorgehensweise einer Prozessorientierung aufgezeigt.

32 Bräkling et al. 2019.

33 Hofbauer und Bergmann 2008.

34 Large 2013.

35 Vgl. Hofbauer 2012.

36 Bräkling und Oidtmann 2019, S. 15 ff.

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