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5.3 Orientierung am Prozessmanagement
ОглавлениеUm die Zielwirkung aller Einzelschritte sicherzustellen, erfolgt die konsequente Orientierung auch des integrierten Beschaffungsmanagements am Prozessmanagement.54 Den verschiedenen beteiligten Personen und Organisationseinheiten gilt dabei das besondere Augenmerk. Denn es ist möglich, dass diese unter Umständen verschiedene Blickrichtungen haben und deshalb verschiedene Zielsetzungen verfolgen. Diese müssen aufeinander abgestimmt und synchronisiert gebracht werden. Nur wenn der Prozess von der strategischen Ausrichtung beginnend bis hin zum Start of Production als eine kompakte Einheit betrachtet wird, können die erforderliche Abstimmung und das zielorientierte Management übergreifend erfolgen. Hierzu müssen insbesondere die Schnittstellen zwischen den Funktionsbereichen in eine prozessorientierte Ablauforganisation überführt und koordiniert werden.
Das übergreifende Prozessmanagement gewinnt an Bedeutung, wenn man davon ausgeht, dass ca. 70 Prozent der Ursachen für nicht erreichte Qualitätsstandards nicht der Produktion zuzuordnen sind. Lag in der Vergangenheit der Schwerpunkt der Bemühungen um Produktivitätssteigerungen und Rationalisierungserfolge in der Produktion, so bedeutet diese Erkenntnis, dass die Geschäftsprozesse55 ganzheitlich überwacht und gesteuert werden müssen. Bezieht man in diese Überlegungen weiter mit ein, dass immer mehr Wertschöpfung in die Zulieferpyramide56 ausgelagert wird, dann gewinnt auch das unternehmensübergreifende Prozessmanagement speziell für die Beschaffung an Bedeutung.
Getrieben durch den ständig steigenden Wettbewerb und die Verkürzung der Produktlebenszyklen erfolgt eine immer stärkere Verflechtung in der Zulieferkette. Damit folgt notwendigerweise auch eine stärkere Integration der Prozesse, denn dadurch wird der Erfolg der eigenen Produkte immer stärker abhängig von der Qualität der zugelieferten Produkte. Es lässt sich konstatieren, dass Prozessqualität dadurch beurteilbar wird und man kann dies mithilfe von strukturierten und disziplinierten Grundsätzen des Qualitätsmanagements verbessern.
Durch die Prozessorientierung wird die Transparenz erhöht und das Verständnis für die Gesamtzusammenhänge im Unternehmen geschaffen. Dadurch können die erfolgskritischen Prozesse identifiziert und das Unternehmen auf die wertschaffenden Aktivitäten ausgerichtet werden.57 Die systematische Strukturierung der Prozesse senkt nicht nur die Prozessdurchlaufzeiten, sondern erhöht auch die Prozessqualität.
Im Prozessmanagement sind alle planerischen, organisatorischen und kontrollierenden Maßnahmen zur zielgerichteten Steuerung der Wertschöpfungsketten eines Unternehmens zusammengefasst. Der Einsatz dient dazu, die Zielsetzungen im Hinblick auf die Qualität, Kosten, Zeit, Innovationsfähigkeit und Kundenzufriedenheit zu erreichen. Die Säulen des Prozessmanagements58 sind:
• Process Design (Definition der Leistungs- und Supportprozesse),
• Process Benchmarking (Führen von Prozessen),
• Process Improvement (Verbesserung bestehender Prozesse),
• Process Redesign (Erneuerung von Prozessen).
Unter einem Prozess versteht man generell die strukturierte Abfolge von logisch zusammenhängenden Aktivitäten, um ein bestimmtes Prozessziel zu erreichen.59 Ein Gesamtprozess besteht aus mehreren Prozessphasen, die aus Transparenzgründen wiederum in Unterprozesse unterteilt werden können. Eine einzelne Prozessphase ist gekennzeichnet durch jeweils einen definierten Input und einen Output. Dabei stellt der Output der vorhergehenden Phase die Inputvariable der nachgelagerten Phase dar, in der dieser dann weiterverarbeitet wird. In der folgenden Abbildung 10 wird dieser Zusammenhang deutlich.
Abb. 10: Prozesselement mit Input und Output
Geschäftsprozesse leisten einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg und beinhalten eine Kette von inhaltlich zusammenhängenden Teilprozessen, die zur Leistungserstellung erforderlich sind. In der Wertschöpfungskette sind alle erforderlichen Geschäftsprozesse enthalten. Unternehmen können dann Wettbewerbsvorteile für sich gewinnen, wenn es ihnen gelingt, ihre Geschäftsprozesse besser oder zu geringeren Kosten als die Konkurrenten durchzuführen. Das Beschaffungsmanagement als Primäraktivität60 in dieser Wertschöpfungskette stellt einen neuen Ansatz zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen dar. Eine kundenorientierte Unternehmensstrategie kombiniert mit einer konsequenten Integration durch Prozessorientierung bietet zusammen mit der Beschaffung ein erhebliches Potenzial zur Steigerung von Profitabilität und Unternehmenswert.
Unternehmen stellen in ihrer Gesamtheit sehr komplexe Prozessnetzwerke dar. Dabei besteht die Gefahr, dass mit steigender Komplexität die Transparenz abnimmt und die Steuerbarkeit der einzelnen Unterprozesse immer schwieriger wird. Abhilfe kann geschaffen werden, wenn Unterprozesse in Ablauf- und Wertschöpfungsprozesse zusammengefasst und entsprechenden Geschäftsprozessen zugeordnet werden. Diese können in der Verantwortung eindeutig den Process Ownern zugeordnet werden. Damit wird die Transparenz erhöht und die Voraussetzung für eine effiziente Steuerung geschaffen.
Der integrierte Beschaffungsmanagementprozess stellt einen wichtigen Geschäftsprozess dar. Dieser besteht aus zahlreichen Teilprozessen, die durch Input- und Output-Beziehungen miteinander verbunden sind. Die einzelnen Prozessphasen bauen aufeinander auf und bilden dadurch einen in sich geschlossenen Gesamtprozess. Innerhalb der Teilprozesse findet eine Reihe an definierten Aktivitäten statt, die ebenfalls logisch aufeinander aufbauen. Durch die Weiterverarbeitung der Inputs und deren systematische Kombination entsteht durch die Wertschöpfung für das Unternehmen ein Wertzuwachs. Zielsetzung ist dabei, die Prozesse so zu gestalten, dass kurze Durchlaufzeiten und niedrige Kosten realisierbar sind. Auf der anderen Seite muss das Prozessdesign stets eine Steigerung der Innovationsfähigkeit, der Qualität und der Kundenzufriedenheit ermöglichen.
Wichtig für die Steuerung dieser Teilprozesse sind die Prozesskennzahlen, welche die Transformation des Inputs in den Output erklären und damit Aufschluss über die Qualität dieses Prozesses geben. Diese Input-Output-Beziehungen gelten nicht nur im internen Kunden-Lieferanten-Verhältnis, sondern sind auch im externen Verhältnis anzuwenden. Mit Six Sigma61 ist es zum Beispiel möglich, diese Input-Output-Relationen über messbare Prozesskennzahlen zu steuern und zu Weltklassestandards zu führen.
Damit auf beiden Seiten im Kunden-Lieferanten-Verhältnis eine Kongruenz hergestellt werden kann, sind folgende Anforderungen zu stellen62:
• Die Anforderungen des (internen bzw. externen) Kunden müssen erkannt werden.
• Der Kunde muss seine Anforderungen formulieren und spezifizieren können.
• Die eigenen Prozesse sind so auszulegen, damit vorgelagerte Prozessleistungen zuverlässig aufgenommen und beurteilt werden können.
• Die Input-Faktoren für die eigenen Prozesse müssen den Prozessstandards entsprechen, um die gesamte Prozessqualität abzusichern.
• Die erzeugten Prozessergebnisse müssen auf Zielübereinstimmung geprüft werden.
• Die Prozesse sind kontinuierlich zu verbessern.
Die wichtigste Erkenntnis hieraus ist, dass das jeweilige Prozessergebnis das Ergebnis der gesamten Prozesskette bestimmt. Übertragen auf die Beschaffung bedeutet dies, dass das Ergebnis aus der Entwicklung oder Konstruktion mit der entsprechenden Spezifikation dann die Arbeitsergebnisse in der Produktion beeinflussen können. Unmittelbar einsichtig ist, dass der Markterfolg aus den Ergebnissen der gesamten Prozesskette bis zur Markteinführung abhängt. Daraus lässt sich folgern, dass ein Markterfolg sich nur erzielen lässt, wenn jeweils der Kunde seinem Lieferanten seine Anforderungen artikuliert, und dieser in der Lage ist, diese auch zu erfüllen. Aus diesem Grund ist der Integrationsgedanke, der in diesem Ansatz herausgestellt wird, von so enormer Bedeutung. Zudem finden einzelne Prozesse ja nicht isoliert im Unternehmen statt, sondern sind in das übergeordnete Prozessnetzwerk des Unternehmens und dessen externe Schnittstellen integriert.
Beispiele für den integrativen Charakter des Prozessmanagements finden sich in allen Aufgaben und Wertschöpfungsstufen.63 Als wesentliche Voraussetzung ist ein Wandel in der Firmenkultur festzustellen. So ist eine starke Kundenfokussierung in Qualitätsfragen festzustellen. Das Management richtet den Qualitätsstandard am Weltmarktniveau aus. Dazu werden die Prozessnetzwerke ausgerichtet und statistische Prozessparameter auf Six Sigma Niveau als Zielwerte für die Process Owner gesetzt.
Beim Entwicklungsprozess zeigt sich der integrative Charakter zwischen Entwicklung, Beschaffung und Produktion in Form von Simultaneous und Concurrent Engineering. Erstmusterprüfungen basieren auf Prozess-Sigma-Werten oder Null-Fehler-Forderungen.
Der Beschaffungsprozess ist gekennzeichnet durch ein gegenseitiges Prozessverständnis der crossfunktionalen Qualifizierungsteams, die dazu beitragen, das Risiko der gegenseitigen Abhängigkeit zu reduzieren und zu eliminieren.
Im Produktionsprozess64 kommt die Integration vor allem durch die dokumentierte Prozessübergabe von der Beschaffung an die Produktionsplanung und anschließend an die Fertigungsdurchführung für den Serienanlauf zum Tragen. Aber auch die Schnittstellen zwischen Entwicklung, Beschaffung, Technologie, Konstruktion, Logistik, Lagerhaltung und Kalkulation müssen integriert werden. Die Produktionsprozesse werden mit statistischen Werten qualifiziert und konsequent über die sensorgesteuerte Prozessregelung bestimmt, so dass die Produktprüfung durch die digitalisierte Prozessführung ersetzt werden kann. Die Qualifikation für die prozesskritischen Aufgaben erfolgt über spezifische Ausbildungsprogramme, die speziell tätigkeitsbezogen und firmenspezifisch erfolgen müssen. Prozessqualität wird unterstützt durch Mitarbeiterdisziplin und ein ordentliches Arbeitsumfeld.
Damit Prozesse optimal gesteuert werden können, ist eine wirkungsvolle Unterstützung durch eine Prozessorganisation erforderlich. Zu den vorrangigen Aufgaben einer Prozessorganisation gehören65:
• Darstellung und Controlling des Prozessnetzwerkes,
• Abstimmung der Prozessaktivitäten,
• Kommunikation der Zielvorgabe und der Zielentwicklung,
• Koordination der Prozess- und Schnittstellenentwicklung.
Im folgenden Teil B wird der strategisch ausgerichtete Beschaffungsmanagementprozess dargestellt, der die erforderlichen Aspekte integriert, die gestellten Anforderungen erfüllt und die Integration der Erfolgsfaktoren gewährleisten soll. In elf systematisch aufeinander abgestimmten Prozessphasen werden die Hauptaktivitäten des professionellen Beschaffungsmanagements vorgestellt. Dabei ist stets gewährleistet, dass in jeder Phase die strategischen Rahmenbedingungen eingehalten werden.
37 Becker, Kugeler und Rosemann 2012.
38 Schmelzer und Sesselmann 2020.
39 Vahs 2007, S. 214.
40 Vahs und Burmester 2002, S. 301.
41 Vahs 2019.
42 Vahs 2007, S. 202.
43 Hofbauer und Sangl 2018, S. 326 ff.
44 Hammer und Champy 2003.
45 Schmelzer und Sesselmann 2020, S. 251.
46 Hammer und Champy 1993, S. 2.
47 Hammer und Champy 2003.
48 Hofbauer und Hecht 2014
49 Hofbauer und Wilhelm 2015.
50 Körber 2019, S. 17 ff.
51 Hofbauer und Bergmann 2013.
52 Hofbauer und Hofbauer 2016.
53 vgl. Büsch 2012.
54 Becker, Kugeler und Rosemann 2012.
55 Schmelzer und Sesselmann 2020.
56 Engelhardt und Hofbauer 2017, S. 25 ff.
57 Hofbauer und Hellwig 2016, S. 73 ff.
58 Rehbein und Yurdakul 2005, S. 27.
59 Jankulik, Kuhlang und Piff 2005, 117 ff.
60 Hofbauer und Sangl 2018a.
61 Hofbauer und Sangl 2018, S. 177 ff.
62 Rehbein und Yurdakul 2005, S. 21.
63 Füermann 2014.
64 Hofbauer und Sangl 2018, S. 497 ff.
65 Rehbein und Yurdakul 2005, S. 29.