Читать книгу Jenseits des Spessarts - Günter Huth - Страница 12
ОглавлениеDie Stimme
Der Anruf mit dem speziellen Klingelton kam wieder kurz nach Mitternacht. Der Angerufene nahm das Gespräch an, wohl wissend, wer sich am anderen Ende der Leitung befand.
„Ja“, meldete er sich knapp. „Ich habe deinen Anruf schon seit geraumer Zeit erwartet.“ Seine Stimme klang streng.
Wegen der Verfremdung waren ihr keine Emotionen anzumerken.
„Du weißt, dass ich mit diesen Informationen Kopf und Kragen riskiere. Außerdem sind die aktuellen Entwicklungen noch nicht hundertprozentig abgeschlossen.“
Er nahm den Einwand zur Kenntnis, ging aber nicht weiter darauf ein. „Sprich!“
„Ihr solltet Folgendes wissen: Es muss dem Landeskriminalamt schon vor längerer Zeit gelungen sein, einen Spitzel undercover in die Familie von Mustafa al-Asmani einzuschleusen. Jedenfalls haben sie Informationen über einen Teil bestimmter Geschäfte dieser Familie. Ich vermute, dass sie das auch bei euch versuchen werden – oder vielleicht schon getan haben. Diese Information ist streng geheim, davon weiß nur ein kleiner Kreis in der Führungsspitze, da diese Menschen ihr Leben riskieren. Ich bin sicher, dabei handelt es sich um Männer mit Migrationshintergrund, da sie ja weder durch Aussehen noch durch Sprache auffallen dürfen.“
„Bis jetzt haben wir bei uns keinerlei Aktivitäten eines Spitzels festgestellt. Alle unsere Geschäfte sind reibungslos über die Bühne gegangen. Nie wurde ein Deal gestört oder verhindert.“
„Sie haben jetzt diese Soko eingerichtet. Dahinter steckt ein massiver politischer Wille, sonst hätten sie nicht ihre Aktivitäten auf die Ebene eines Staatssekretärs gehoben. Vermutlich warten sie auf den großen Coup, um zuzuschlagen. Sie werden sicher ihre Undercover-Leute nicht wegen einer Kleinigkeit verbrennen.“
„Gut, wir sind gewarnt“, gab der Angerufene zurück, „und werden die Augen offenhalten.“
„Ihr solltet aber jetzt nicht anfangen alle Familienmitglieder misstrauisch zu beobachten. Wenn sie merken, dass ihr gewarnt wurdet, werden sie die eingeschleuste Person sofort zurückziehen. Ach, noch etwas. Meine Quellen sind für mich nicht mehr so leicht zugänglich, ohne mich verdächtig zu machen. Es kann sein, dass der Informationsfluss ein wenig ins Stocken gerät. Es wäre daher sinnvoll, sich auch von anderer Seite Informationen zu beschaffen.“
Die Antwort ließ ein paar Sekunden auf sich warten. Dann kam sie mit aller Bestimmtheit. „Du strengst dich ganz einfach weiterhin an. Sie werden versuchen, unsere Geschäfte zu stören, das müssen wir unterbinden. Ich wiederhole mich: Vergiss nicht, was du uns zu verdanken hast!“
Er wartete keine Antwort ab, sondern legte auf. Nachdenklich betrachtete er die Muster der beiden wertvollen Wandgobelins, die das Zimmer zierten. Schließlich trank er sein Glas Tee leer und stand auf, um sich ins Bett zu legen. Die Tatsache, jemand in vorderster Spitze der Verbrechensbekämpfung zu haben, war nicht mit Gold aufzuwiegen. Dieser Mensch würde loyal bleiben, solange er wusste, dass er wirksame Druckmittel in einem Bankschließfach liegen hatte. Wann diese Schuld beglichen war, entschied er. Er wusste natürlich, dass diese Person der Familie keine echte Loyalität entgegenbrachte. Andere hätten es wahrscheinlich das Ergebnis von Erpressung genannt. Auf solche Leute konnte man sich allerdings oftmals besser verlassen als auf Familienbande. Er zuckte mit den Schultern, löschte das Licht und verließ den Raum. Er lag noch lange wach. Mittlerweile verdienten sie ihr Geld auch mit legalen Geschäften. Nicht immer, aber immer häufiger. Eine Störung auf diesem Weg zur Seriosität konnten sie absolut nicht gebrauchen. Man musste vorsichtig sein. Trotzdem war ein warnender Fingerzeig in Richtung dieser neuen Polizeitruppe angezeigt. Es war sicher nicht schwierig, herauszufinden, wo dieser Staatssekretär und der Leiter dieser Sonderkommission wohnten.