Читать книгу Jenseits des Spessarts - Günter Huth - Страница 9

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Brunner trank seinen Kaffee aus und brachte das Geschirr in die Bäckerei zurück. Das Angebot des Staatssekretärs war wirklich sehr verlockend. Auch bei ihm waren immer wieder schwere Straftaten dieser Gangs auf dem Schreibtisch gelandet. Diese Banden schreckten auch nicht vor Mord und Totschlag zurück. Obwohl in der letzten Zeit immer wieder ungeklärte Todesfälle in diesem Milieu auftraten, konnte die Mordkommission bisher keinen der Fälle der Staatsanwaltschaft vorlegen, um darauf eine fundierte Anklage zu erstellen. Die Verbrecher besaßen hervorragende Anwälte und immer wieder mussten Verfahren zähneknirschend eingestellt werden.

Eberhard Brunner betrat sein Büro und ließ sich hinter dem Schreibtisch in seinen Bürostuhl fallen. Er musste umgehend mit Kauswitz, seinem Vertreter, sprechen, bevor der Polizeipräsident ihn anrief. Die Tatsache, dass Kauswitz die Leitung der Mordkommission nach Brunners Abordnung nur kommissarisch übernehmen sollte, musste er ihm persönlich beibringen. Mit Sicherheit würde Kauswitz darüber enttäuscht sein, Brunners Nachfolge nicht sofort und endgültig übernehmen zu können. Immerhin wäre damit auch ein Karrieresprung verbunden. Eberhard Brunner erhob sich tief durchatmend. Ein schwerer Gang. Er verließ sein Dienstzimmer und klopfte an die Tür seines Vertreters auf der anderen Seite des Flurs. Nach der Aufforderung einzutreten, streckte Brunner seinen Kopf durch die Tür.

„Ludwig, hast du einen Moment Zeit für mich?“

Ludwig Kauswitz sah von den Akten hoch, die er gerade studierte. „Klar, was gibt es?“

Brunner setzte sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches, dann begann er zu sprechen.

Kauswitz hörte ihm aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen. Je mehr sich die Ausführungen Brunners jedoch dem kritischen Punkt seiner Vertretung näherten, desto ernster wurde die Miene seines Kollegen. Als Brunner verstummte, trat im Raum zunächst einmal Stille ein.

„Ich war von dem Angebot ebenfalls total überrascht“, ergänzte Brunner. „Keine Ahnung, warum der Polizeipräsident diese kommissarische Lösung für die Mordkommission haben möchte.“

Kauswitz drehte sich auf seinem Stuhl zur Seite und warf einen Blick zum Fenster hinaus. Schließlich wandte er sich Brunner zu. Seine Miene war schwer zu durchschauen.

„Da kann ich dir nur gratulieren. Das ist sicher ein heißer Job. Du hast ja schon immer mal geäußert, du würdest gegen etwas mehr Action nichts einzuwenden haben. Ich werde dich auf jeden Fall vertreten … so gut ich das kann.“ Brunner spürte die Enttäuschung, die in seinen Worten mitschwang.

„Du wirst das genauso gut machen wie ich“, stellte er fest, „da bin ich sicher. Warte mal ab. Ich habe keine Vorstellung, wie lange mein Einsatz bei dieser Soko dauert. Ich rechne mit Jahren. Irgendwann wird man dann diese Interimslösung bei der Mordkommission beenden müssen. Dann bist du an der Reihe.“

Ludwig Kauswitz nickte langsam. „Schauen wir mal … Jetzt steig du erst mal diesen Clans anständig auf die Zehen. Ich hoffe, dass durch diese Soko die ungeklärten Todesfälle etwas weniger werden.“

Brunner nickte. „Wir werden in Zukunft sicher eng zusammenarbeiten.“ Er erhob sich und klopfte Kauswitz aufmunternd auf die Schulter, dann verließ er das Büro seines Kollegen.

Kaum hatte Brunner die Tür von draußen geschlossen, ballte Kauswitz die Faust und stieß einen verhaltenen Fluch aus. Selbstverständlich hatte er sich Hoffnungen gemacht, einmal Brunners Nachfolger als Leiter der Mordkommission zu werden. Wie es jetzt aussah, hatte man ihn auf dem Verschiebebahnhof der Beförderungen auf einem Abstellgleis geparkt. Da konnte man ihm nichts vormachen: Man erwartete von ihm, dass er für Brunner den Stuhl warmhielt, bis dieser irgendwann seinen Job glorreich erledigt hatte und zurückkam. Er klappte die Akte, an der er gerade arbeitete, zu. Jetzt musste er erst einmal an die frische Luft. Er warf noch einen kurzen routinemäßigen Blick auf seinen Terminkalender. „Dienstwaffe zur Inspektion“, stand da in Rot. Da konnte er den Spaziergang gleich mit der Ablieferung seiner Pistole bei den Waffentechnikern im Haus verbinden. Er holte sie aus dem Schreibtischkasten heraus und steckte sie in sein Gürtelholster. In Abständen mussten die Dienstwaffen zur technischen Überprüfung. Sie wurden gereinigt und verschlissene Teile wurden ersetzt. Im Ernstfall musste er sich auf die Schusswaffe verlassen können.

Der Kollege in der Waffentechnik nahm die Pistole entgegen. „Entladen und gesichert“, erklärte Kauswitz knapp.

„Danke“, erwiderte der Beamte kurz, entnahm das Magazin und öffnete den Verschluss.

„Ich sagte doch, entladen und gesichert“, mokierte sich Kauswitz schlecht gelaunt.

„Ludwig, reg dich nicht auf. Ich behandle jede Waffe, die ich in die Hände bekomme, so, als wäre sie geladen. Du machst dir keine Vorstellungen, was ich hier schon alles erlebt habe.“ Er trug die Waffennummer in eine Kladde ein und bestätigte per Unterschrift den Empfang. Anschließend unterschrieb Kauswitz.

„Gut, dann bekommst du jetzt deine Ersatzwaffe. Identisches Modell. Munition hast du noch?“

Kauswitz nickte.

„Na, dann hier bitte noch eine Unterschrift für den Empfang.

„Was für ein Papierkrieg“, murmelte der Kriminalbeamte. Auf der Liste entdeckte er einige Linien weiter oben die Unterschrift von Brunner. „Ah, der Kollege hat auch schon abgeliefert. Vorbildlich wie immer“, stellte er leicht ironisch fest.

Der Techniker musste grinsen. „Na ja, so pauschal möchte ich das jetzt nicht bestätigen“, stellte er fest. „Sie war ziemlich verdreckt und der Lauf voller alter Pulverrückstände. Höchste Zeit, dass die mal gründlich gereinigt wird.“

Kauswitz zuckte mit den Schultern. „Tja, der Kollege ist ehrgeizig und verbringt einige Zeit auf dem Schießstand. Er will wohl beim nächsten Kollegenturnier den Pokal ergattern.“

Ludwig Kauswitz steckte die Pistole ungeladen in das Holster und verließ mit einem kurzen Gruß die Waffenkammer.

Am nächsten Morgen erledigte Eberhard Brunner drei Anrufe. Jeder der drei Protagonisten des letzten Tages nahm seine positive Entscheidung wohlwollend zur Kenntnis. Anschließend suchte er seinen Stellvertreter in seinem Büro auf, um ihm die Nachricht über seine Zusage persönlich mitzuteilen. Für Kauswitz kam diese Entscheidung nicht überraschend.

„Ludwig, wir werden mit Sicherheit gut zusammenarbeiten“, versicherte Brunner seinem Kollegen.

„Ab wann ist diese Änderung in Kraft?“, wollte Kauswitz wissen.

„Wir haben jetzt Donnerstag“, erwiderte Brunner, „ich denke ab Montag. Ich muss jetzt gleich rüber ins Präsidium, weil einige organisatorische Dinge zu erledigen sind. Wenn’s nach dem Landeskriminalamt ginge, hätten wir schon gestern anfangen sollen. So schnell geht’s natürlich nicht. Die Technik ist einzurichten und dann müssen wir zusehen, dass wir entsprechend qualifiziertes Personal zusammenbekommen. Da gibt es noch einiges zu tun.“

„Na dann“, erwiderte Kauswitz bemüht freundlich, „Hals und Beinbruch!“ Er drückte Brunner die Hand, dann ging er in sein Büro zurück. Brunner hatte ihm angeboten, während seiner Abwesenheit sein Dienstzimmer zu benutzen, da es etwas geräumiger war. Aber Kauswitz hatte dankend abgelehnt.

Brunner verabschiedete sich von seinen Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung, dann verließ er das Haus. Unter dem Arm trug er einen kleinen Karton, in dem einige persönliche Dinge untergebracht waren.

Jenseits des Spessarts

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