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Bedächtig spülte sie das Geschirr im kalten Wasser und stapelte die tropfnassen Holzteller aufeinander. Senta tat diese wie alle ihre Arbeiten ruhig und gemessen, nichts trieb sie zur Eile, nichts veranlasste sie zu Schlampigkeit, sie hatte alle Zeit der Welt und an einem so schönen Mittag wie heute, sommerlich warm, luftig und hell, nach einem Mittagmahl im Kreise ihrer Freunde könnte auch heute Zufriedenheit das bestimmende Lebensgefühl in ihr sein. Dennoch war eine unbestimmte Unruhe in ihr, eine Art dunkler Schatten hatte sich gezeigt. Der Gemüseeintopf mit Dinkelbrot hatte allen gemundet, auch die neuen Leute, die am späten Vormittag gekommen waren, hatten sich die Mägen vollgeschlagen.

„Ja, was ist denn das? Schau mal, Senta, Ernst kommt zurück.“

Senta Wegscheider wischte ihre Grübelei zur Seite, hob ihren Blick und schaute zum Weg am Waldrand, wo ein breitschultriger Mann mit dichtem Vollbart eine Scheibtruhe gemächlich vor sich her schob.

„Er wird wohl auch Hunger haben“, sagte Senta zu ihrer langjährigen Freundin Gerlinde, die mit einem Geschirrtuch die Teller trocknete.

„Kann nicht sein, er hat genug zu essen mitgenommen.“

„Dein Mann ist immer hungrig“, meinte Senta mit einem verschmitzten Lächeln.

Gerlinde Riemenschmied warf sich das feuchte Geschirrtuch über die Schulter und stemmte die Fäuste in die Hüften.

„Ja, schon, aber Josef und er wollten doch den Komposthaufen öffnen.“ Nun hielt auch Senta in ihrer Arbeit inne. Gemeinsam warteten sie, bis der Mann die Scheibtruhe abgestellt hatte und lächelnd auf sie zukam.

„Seid ihr schon fertig, oder was ist los?“, rief Gerlinde ihrem Ehemann zu. Ernst Riemenschmied zuckte mit den Schultern, steckte seine großen Hände in die Taschen seiner Arbeitshose und spähte in den Kochtopf.

„Der Josef war nicht da, er wird es sich wohl anders überlegt haben. Oho, da ist ja noch etwas Eintopf übriggeblieben.“

„Nimm dir einen Teller und iss. Die anderen sind schon satt“, forderte Senta Ernst auf.

Dieser Einladung folgte Ernst sofort, er schnappte sich einen Holzteller und griff zum Schöpflöffel.

„Komisch, Josef hat doch gesagt, der Haufen wäre reif“, wunderte sich Gerlinde und setzte ihre Arbeit fort.

„Er hat herumgestochert, das war zu sehen“, sagte Ernst mit vollem Mund.

„War wohl doch noch nicht so weit. Ich habe drüben ein bisschen Gras geschnitten. Heute wird es noch regnen.“

Die drei erhoben die Blicke und schauten in Richtung Westen. Tatsächlich schoben sich dichte Wolken langsam auf sie zu. Ernst setzte sich neben den beiden Frauen auf einen Hocker und löffelte den Eintopf. Hinter ihnen befanden sich die Jurten, in denen sie wohnten, und vor ihnen liefen ein paar Kinder der Kommune lärmend und lachend umher. Das Jurtendorf am Bachleithenwald wurde von rund fünfzig Menschen ständig bewohnt, sehr zum Ärger der Dorfbevölkerung von Dürnfeld und der lokalen Behörden, sehr zum Leidwesen auch der Betreiber des benachbarten Kohlekraftwerks. Die Kommune der Erdenkinder hatte es sich zum Ziel gesetzt, durch gewaltlosen Protest und zivilisationsfreie Lebensweise gegen den Betrieb des Kraftwerkes zu protestieren. Und auf dem Grundstück des Bachleithenhofes hatten sie ein Jurtendorf errichtet und waren von dort trotz einiger Gerichtsverfahren nicht vertrieben worden. Das Erfolgsrezept gegen alle Räumungsklagen war, dass Josef Lehner rechtzeitig seine Wiese am Waldrand offiziell als Campingplatz deklariert hatte. Der Gemeinderat hatte nach einigen Gesprächen der geschäftlichen Initiative des renommierten Großbauern, die Wiese als Campingplatz zu nutzen, zugestimmt, als dann aber statt der holländischen und deutschen Touristen mit ihren Campingbussen barfuß laufende Ökospinner aufgetaucht, und als dann auch noch Jurten aus Holz, Lehm und Stroh statt eines Einkaufszentrums und einer Tankstelle gebaut worden waren, war die Stimmung sehr schnell gegen Josef Lehner und die Bande von Verrückten umgeschlagen.

„Es sind heute wieder ein paar neue Gäste gekommen“, berichtete Senta, die von allen als Anführerin der Kommune akzeptiert wurde.

„Touristen?“, fragte Ernst und stellte den Teller ab.

„Es ist Sommer, da trauen sie sich aus ihren Bobowohnungen heraus und spielen ein bisschen Rettung der Welt“, sagte Gerlinde mit ironischem Unterton zu ihrem Mann. „Wir haben sie gefüttert und zum Kraftwerk geschickt. Dort sollen sie erstmal ihr ökologisches Mütchen kühlen.“

Der breite Korpus des massigen Mannes wogte beim Lachen. Die Frauen stimmten in das Lachen ein. Wenn Ernst Riemenschmied lachte, dann musste man wohl oder übel mitlachen, und er lachte gerne und oft. Er kratzte seinen Bauch und leckte ein paar Eintopfreste aus seinem Bart.

„Schauen wir mal, ob sie beim Zaun bleiben, wenn es regnet.“

Es war ein beliebtes und bewährtes Spiel der Erdenkinder, den oft jugendlichen und zumeist urbanen Sympathisanten, die in den Sommermonaten mit ihren Rucksäcken voller idealistischer Ökofantasien zu ihnen kamen, die Wache am Zaun vor dem Kraftwerk dann zu übertragen, wenn das Wetter umschlug und sie im Regen ausharren mussten. So trennte man schnell die Spreu vom Weizen, die großstadtneurotischen Widerstandstouristen von den echten Aktivisten.

„Meinrad hat sie hinüber geführt“, ergänzte Gerlinde.

Das Lächeln in Ernsts Gesicht verschwand mit einem Mal, seine Stirn verfinsterte sich, er verschränkte seine muskulösen Arme.

„Ich hoffe, du hast unserem werten Herrn Sohnemann ausgerichtet, dass er es nicht wieder so bunt treiben darf.“

„Keine Sorge“, warf Senta Wegscheider mit sanfter und doch bestimmter Stimme ein. „Der Meinrad ist und bleibt ein Pfiffikus, aber er weiß, wie weit er gehen kann.“

„Dein Wort in Gaias Ohr“, brummte Ernst, erhob sich und wandte sich zum Gehen.

„Zeit für ein Mittagsschläfchen?“, fragte Gerlinde süffisant.

Mit der Liebenswürdigkeit eines etwas zu groß und zu schwer geratenen Teddybären zwinkerte er zustimmend seiner Frau Gerlinde und seiner langjährigen Freundin Senta zu und verschwand in der Jurte.

Erdenkinder

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