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Aufruhr im Wald
ОглавлениеMarga war eben dabei ihre Kochbücher wieder einzuräumen, als der erste Polizeiwagen mit Tatü-Tata an ihrem Gartenzaun in Richtung des Waldes vorbei rumpelte. In geringem Abstand folgte, ebenfalls mit Warnlicht und Sirene der Notarzt.
„Um Gottes Willen, es wird doch nix mit mein Beder sei!“ war ihr erster Gedanke.
Sie überlegte fieberhaft, was zu tun sei. Hoffentlich hatte er wenigstens diesmal sein Handy dabei. Eilig rannte sie ins Wohnzimmer, nahm den Hörer ihres tragbaren Telefons ab und tippte Peters Nummer ein. Es tutete dreimal, dann spielte die Mikrowelle plötzlich den uralten Schlager, „Catch a falling star“, das Original aus den fünfziger Jahren mit der einschmeichelnden Stimme von Perry Como. Na toll! Peter hatte in einem Anflug von Unkonzentriertheit wieder einmal sein Handy auf dem Küchengerät liegen gelassen.
„Dieser Erzschlamper!“
Mehr fiel ihr nicht ein. Zu groß war die Sorge, die sich angesichts des Sirenengeheuls schlagartig eingestellt hatte. Was konnte dieses Aufgebot an Polizei und Notarzt wohl zu bedeuten haben. War ihr Peter vielleicht gestürzt oder hatte er sogar einen Herzinfarkt erlitten und war in Lebensgefahr. Davor hatte sie eine permanente Angst, wann immer ihr Mann alleine loszog. Wäre sie nicht so aufgeregt gewesen, so wäre ihr sicher aufgefallen, dass er ohne sein Handy gar nicht erst die Möglichkeit gehabt hätte, um Hilfe zu rufen. Es war also eher wahrscheinlich, dass die Polizeiaktion einer ganz anderen Person galt, aber so weit konnte sie jetzt nicht denken, nicht mitten in ihrer aufkommenden Panik.
Sie schnürte nervös, fast wie der einsame Wolf im Nürnberger Tiergarten, der auch nur immer eine Acht nach der anderen lief, im Flur auf und ab. Immer hin und her. Herr in Himmel! Das war ja nicht auszuhalten. Sie musste unbedingt etwas unternehmen. Wild entschlossen rannte sie in den Schuppen, holte ihr Fahrrad und fuhr den gleichen Weg, den ihr Peter nur eine knappe Stunde zuvor genommen hatte.
Die Stelle, an der ihr Mann sein Rad abgestellt hatte, war nicht zu verfehlen. Schon von weitem sah sie zudem die beiden Einsatzfahrzeuge am Waldrand stehen, inzwischen mit ausgeschaltetem Alarm. Sie wollte so schnell wie möglich zu ihrem Peter, um Gewissheit darüber zu bekommen, ob ihm etwas passiert sei. Ein Polizeibeamter lehnte an der geöffneten Wagentür und sprach per Funk mit der Einsatzzentrale. Als er Marga bemerkte, versuchte er ihr den Zutritt zum Wald verwehren. Zu diesem Zweck legte der junge Mann das Sprechgerät aus der Hand, um sie leichter am Oberarm festhalten zu können.
„Hier können sie nicht hinein. Das ist ein Tatort. Bitte, kehren sie wieder um und gehen sie nach Hause. Das ist nichts für sie.“
Da kam er bei der Marga aber an die Richtige. Das Stichwort Tatort tat das Übrige.
„Woss? Daadord? Dess iss nix für mich? Wenn mei Beder villeichd dou drin lichd und um sei Lebn kämbfd? Ich will etz sofford wissn, woss dou bassierd iss!“
Ihr Gesicht hatte bereits eine bedrohlich aussehende Röte angenommen, was ganz bestimmt nicht nur dem schnellen Radeln geschuldet war. Der Beamte sah ein, dass er, um die Frau wenigstens etwas zu beruhigen, ein bisschen mehr preisgeben musste.
„Ein Jäger hat aus Versehen einen Pilzsammler erschossen. Ich kann sie da wirklich nicht durchlassen.“
Damit hatte er natürlich gerade das Gegenteil dessen bewirkt, was er erreichen wollte. Wenn es noch einen weiteren Grund für Margas entschlossenes Handeln gebraucht hätte, dann hatte der junge Polizist diesen soeben geliefert. Ein Pilzsammler. Erschossen. Marga rannte wie von Sinnen los, in ihrem Schlepptau der junge Mann, allerdings mit gehörigem Abstand, da er noch schnell die Zentrale per Funk über die neue Lage informieren musste. Unebenheiten und dorniges Gestrüpp, das ihr die Beine übel zerkratzte, spielten keine Rolle. Marga weiß schließlich genau, wo Peters geheime Fundplätze liegen und daher nahm sie zielgerichtet den Weg dorthin. Immer wieder rief sie verzweifelt seinen Namen in die Stille des Waldes hinein.
„Lieber Godd im Himml, lass es bidde ann Irrduum sei!“
Sie hatte ihren Vorsprung schon fast aufgebraucht, als ihre verzweifelten Schreie am Unfallort gehört wurde. Eine Stimme rief:
„Daher, beim Felsn simmer!“
Peter, das war doch seine Stimme! Na immerhin, reden konnte er noch. Ihm war also nichts Schlimmes passiert. Unwillkürlich verlangsamte sie ihre Schritte. Lange hätte sie ohnehin nicht mehr durchgehalten, denn ihr Herz schlug bereits so heftig wie die große Trommel der Röthenbacher Feuerwehrkapelle und die Lunge war mit dem enormen Bedarf an Sauerstoff einfach überfordert. Sie hatte Seitenstechen und ihr war schlecht. Der junge Polizeibeamte hatte sie daher eingeholt und packte sie übertrieben heftig am Arm.
„Etz lassn mi hald los, zum Dunnerwedder. Mir sinn doch sowieso scho dou!“
Peter kam ihr bereits entgegen und nahm sie liebevoll in die Arme. Er war echt gerührt, welche Sorgen sich seine Marga um ihn gemacht hatte und sie zu sehr außer Atem, um ihm wegen des zu Hause vergessenen Handys Vorwürfe zu machen. Dazu war noch genügend Zeit, wenn sie sich wieder etwas erholt hätte.
Der Beamte, der mit Peter und dem Wolfn Loni am Unfallort stand, gab seinem Kollegen ein Zeichen, die beiden in Ruhe zu lassen. Man hatte jetzt andere Sorgen. Der Notarzt hatte seine Siebensachen bereits wieder eingepackt und war im Begriff, zurück zu seinem Auto zu gehen. Für ihn gab es nichts mehr zu tun. Das war jetzt ein Fall für die Kriminalpolizei und die Kollegen von der Rechtsmedizin.
Die beiden Polizisten nahmen Peters Personalien auf und baten ihn, sich in nächster Zeit als Zeuge zur Verfügung zu halten. Jetzt aber sollten beide erst einmal nach Hause gehen. Die Kriminalpolizei würde kurzfristig bei ihnen vorbei kommen und die Details, wie sie sich aus Peters Sicht darstellten, aufnehmen. Hier wären sie vorläufig nur im Weg. Man wollte offensichtlich nicht, dass noch mehr Spuren zerstrampelt wurden.
Der junge Polizist, der Marga so hartnäckig verfolgt hatte, machte mit seinem rechten Arm eine schwungvolle Bewegung, als wolle er die beiden Kleinleins als gern gesehene Gäste zu Hause in sein Wohnzimmer bitten. Allerdings zeigte seine Hand unmissverständlich in Richtung Waldrand, wo der Einsatzwagen und die Fahrräder der beiden störenden Zivilisten standen.
Mehr als ein „Aber Herr Kommissar, Herr Komm….“ brachte Peter nicht mehr heraus. Man legte keinen Wert auf seine sofortige Aussage.