Читать книгу Mords-Schuss - Günther Dümler - Страница 6
Prolog
ОглавлениеAuf den Lokalseiten der für den kleinen Ort Röthenbach zuständigen Ausgabe der Nordbayerischen Zeitung fand sich dieser Tage eine äußerst interessante Notiz:
„Wer sich nicht gut genug mit den wohlschmeckenden Produkten des Waldes auskennt oder wer einfach nur ganz sicher gehen will, dass ihm sein Fund nicht den Magen verdirbt, der hat seit diesem Jahr endlich die Möglichkeit, seine Ausbeute von einem erfahrenen Pilzsammlerehepaar begutachten zu lassen.“ So stand es da, schwarz auf weiß. „Marga und Peter Kleinlein haben sich bereit erklärt, das verantwortungsvolle Ehrenamt des örtlichen Pilzberaters zu übernehmen.“
Ihre Eltern hatten Marga schon als kleines Mädchen mit in den Wald genommen. Während Vater und Mutter den Waldboden nach eßbaren Pilzen absuchten durfte sie mit ihrem jüngeren Bruder am Bach spielen, kleine Rindenboote oder auch nur herabgefallene Blätter um die Wette schwimmen lassen. Wenn die Beiden genug herum getobt hatten, dann füllten sie die alte verbeulte Milchkanne voll mit frisch gepflückten Schwarzbeeren, aus denen ihnen die Mutter zuhause einen köstlichen Kuchen zaubern würde, welchen sie alle zusammen am nächsten Tag mit großem Genuss zum Frühstück verspeisten. Auch die Kinder wollten ihren Beitrag leisten. Süßigkeiten gab es damals nur an Ostern und Weihnachten oder zum Geburtstag, denn der Krieg war gerade mal ein paar Jahre vorbei und Schmalhans noch oft genug Küchenmeister. Die Eltern hatten, während die Kinder sich spielend betätigen durften, nicht nur Pilze gesucht, sondern auch Zietzen oder Zietzermoggerla gesammelt, die zuhause in der noch warmen Backröhre getrocknet wurden, damit sie schön aufgehen und zum Einheizen während der kalten Wintermonate dienen konnten. Sobald die ehemaligen Kohlensäcke mit diesen nützlichen Föhrenzapfen vollgestopft waren, wurden sie mittels eigens dafür mitgebrachter Schnüre oben zugebunden, auf die Gepäckträger der Fahrräder geladen und zusammen mit der essbaren Ausbeute des Nachmittags nach Hause gebracht.
Die gesammelten Pilze wurden auf einem Küchenhandtuch zum Trocknen und Säubern ausgebreitet und genau begutachtet. Der Vater erklärte den Kindern den Unterschied zwischen den verschiedenen Pilzsorten, brachte ihnen bei, woran sie die guten von den ungenießbaren oder sogar giftigen unterscheiden konnten. Allerdings nur theroretisch, denn es wurden nur genießbare Pilze mit nach Hause genommen. Die gefährlichen Sorten blieben unangetastet im Wald stehen. Die Kinder durften diese auch im Wald nicht einfach ausreißen oder wie Margas kleiner Bruder es liebend gerne getan hätte, sie als Fußballersatz zwischen zwei Bäumen hindurch in ein imaginäres gegnerisches Tor schießen. Deutschland war gerade erst zur Überraschung aller Experten Fußballweltmeister geworden und alle kleinen Jungen wollten ihren großen Idolen nacheifern, die fränkischen vor Allem dem Nürnberger Max Morlock und das entscheidende Siegtor für die Nationalmannschaft erzielen. Aber schließlich sind auch ungenießbare Sorten für das Gedeihen des Waldes wichtig und dienen den Lebewesen die gegen deren Gifte resistent sind als Nahrung. Aufgrund dieses häuslichen Hintergrundes war Marga bereits als Zehnjährige eine ausgemachte Pilzkennerin.
Bei ihrem Ehemann verhielt sich die Sache ähnlich. Auch Peter wurde schon während der Kindheit mit den Früchten des Waldes vertraut gemacht. Selbst damals hatte er schon große Freude daran, Augen und Nase wie ein guter Jagdhund auf Fährtensuche immer auf den Boden gerichtet durch den Wald zu streifen, stets auf der Suche nach dem schönsten Steinpilz. Der kleine Peter war eben schon von Kind an ein Naturtalent als Sucher. Man hätte es damals schon erkennen können. Wie sich später zeigen sollte, zeichnet ihn diese Hartnäckigkeit auch heute noch aus. So bei der Lösung einiger rätselhafter Todesfälle, die sich in Röthenbach, zuletzt aber auch während eines gemeinsam mit den alten Freunden verbrachten Ägyptenurlaubs im fernen Orient zugetragen hatten.
Im Moment war es sehr ruhig in Rödnbach. Die Idylle, die den kleinen Ort über viele Jahre, bis zu diesem ersten Mord vor drei Jahren, ausgezeichnet hatte, schien mittlerweile wieder zurückgekehrt zu sein. Jeder ging seinen täglichen Aufgaben nach. Man beklagte sich über das Wetter, mangels anderer aufregender Themen. Der zweite Teil des Sommers, ausgerechnet die Ferienzeit, war bisher weitgehend von Regen und viel zu kühlen Temperaturen geprägt. Sensible Wesen hatten wahrhaftig berechtigten Grund eine niederdrückende Depression zu befürchten, denn nur ganz selten ließen sich ein paar wärmende Sonnenstrahlen und dann auch nur für ein paar kostbare Stunden blicken, um Ort und Gemüt gleichermaßen ein wenig aufzuhellen.