Читать книгу Mords-Schuss - Günther Dümler - Страница 8

Dicke Luft

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Es regnet immer noch wie aus Kübeln. Mitten im August. Im Hof haben sich bereits eine ganze Reihe schmutziger Wasserpfützen unterschiedlicher Größe gebildet. Selbst die Tiere wollen nicht mehr so richtig fressen, die Sintflut der letzten Wochen ist anscheinend auch ihnen auf den Magen geschlagen. Der Schäferhund liegt völlig apathisch in seiner Hütte und knurrt schlecht gelaunt vor sich hin. Die Hühner, mit Ausnahme des prächtigen Hahns, haben sich allesamt in den überdachten Teil ihres Verschlages zurückgezogen. Der Gockel würde das sicher ebenfalls gerne tun, aber leider ist er hier der Mann und da Hähne grundsätzlich Chauvinisten sind, ist er zwangsläufig dazu verurteilt in jeder Lebenslage eine überlegene Stärke zu demonstrieren, also selbst einem derart nervigen Dauerregen stoisch zu trotzen. Sogar die Kühe stehen heute lieber im Trockenen, als sich auf der matschigen Wiese ihr Futter zu suchen.

Aber nicht nur die Tiere, auch die Besitzer des Bauerhofes sind angesichts des seit Wochen herrschenden Sauwetters offensichtlich äußerst angefressen. Doch das Wetter ist nicht allein verantwortlich für die dicke Luft, die im Hause Wolf herrscht. Hedwig Wolf, die Bäuerin ist in ihrem karierten Kopftuch, den ehemals dunkelgrünen, fast kniehohen, jetzt bis oben hin dreckverschmierten Gummistiefeln und der ausgebeulten Latzhose unschwer als solche zu erkennen. Sie ist gerade dabei, gewaltig Dampf abzulassen. Das Opfer, ihr Ehemann Leonhard, den alle von Kindesbeinen an nur Loni nennen, ist jedoch nicht aus jenem Holz geschnitzt, das sich von ein paar einzelnen, von Hedwig erzeugten Dampfschwaden beeindrucken lassen würde und kämen sie noch so heiß herübergewabert.

„Jedesmal machsd du so a Gschieß und schäibsd woss anders vor, wennsd amal mitgeh sollsd. Ich wass gar nedd woss du willsd! Die Sandra und der Walder sinn doch unsre äldesdn Freind. Warum soll mer nou nedd mit dene heid abnd in Adler gäih? Die Sandra hodd mi doch eigladn und du sollsd a mitgäih, dess is doch äs normalsde von der Weld, odder, dass mer midernander ford gäihd?“

Doch Hedwigs Tirade fiel leider auf völlig unfruchtbaren Boden.

„Ich hobb ders doch scho hunderd Mal gsachd, heid gäih ich aff mein Hirsch und dessmal derwisch in aa, des schwöra der und wenni bis in der Fräih auf mein Jächerstand droom hoggn mou. Heid isser fällich! Dou hobbi schließli ka Zeid nedd für a Werdshaus und eier albernes Weibergschmarri!“ gab ihr Ehemann schnaubend zurück. „Warum der Walder dess alles miedmachd iss mer sowieso a Rädsl!“

Er war offenbar fest entschlossen, wieder einmal sein Hobby, die Jägerei, vor alles andere zu stellen. Auch, wie seine Frau ihm immer wieder zu Recht vorwarf, vor den Erfolg des eigenen Betriebs, der mittlerweile bedenklich in Schieflage geraten war. Ein Bauernhof verträgt es einfach nicht, wenn der Besitzer selbst in der Erntezeit seinem persönlichen Vergnügen nachgeht, während sich die Arbeit zuhause bis unter das marode Scheunendach türmt.

„Geh hald ohne mich hie, du bisd doch dordn nedd allaans, die Sandra bringd beschdimmd ihrn Walder mid. Dess Weichei konn der dann glei widder vorjammern, wie schlimm dass dess is, wenn im Amt die Akdnberge so bedrohlich wäi die Eigernordwand auf ihn runder schauer odder wenn gar, wäi äs letzde Mal, der Nummernvergabeaudomaad ausgfalln is und er bersönlich sein Arsch ausn Stuhl hebn hodd müssn, damit er den nächsdn Biddschdeller reinlassn hodd könner. Du glaubsd gar nedd, wie mir des läbbische Gschmarri aufn Senkl gäihd.“

Trotz seiner mittlerweile beinahe körperlich spürbaren Wut fuhr er unbeirrt fort, seine wetterfesten Stiefel anzuziehen, die er im aufgeweichten Waldboden und dem hochgewachsenen, durchnässten Gras dringend brauchen würde.

„Ach, dann geh du doch in dein bläidn Wald, ich konn mi aa ohne dich mit der Sandra und in Walder dreffn. Dich brauchd ka Mensch! Von mir aus machsd doch wossd willsd!“, steigerte sich die Bäuerin immer mehr in einen unbändigen Zorn hinein.

Das dies, vor allem der letzte Satz nicht tatsächlich so gemeint, sondern eher ihrer berechtigten Wut geschuldet war, konnte man ihren weiteren Vorhanltungen unschwer entnehmen. Und da sie einmal in Fahrt war, wurden gleich alle anderen offenen Baustellen mit abgearbeitet.

„Schlimmer is dou scho, dassd letzde Wochn nedd amal auf die Versammlung vom Bauernverband ganger bisd, obwohl ich dich mindesdns dreimal erinnerd hobb. Derbei braucherd mer im Momend an jedn einzlner Cent und an jedn goudn Rat. Abber dir iss ja alles wurschd! Und drotzdem wär ja dess alles erschd gar nedd so weid kommer, wenn du damals nedd a nu den Haufn Geld so blödsinnich verschbilld häddsd odder wennsd wenigsdns etzerdla a bissler mehr Einsatz zeichersd. Dann wärn mir nie in dee Bredouille kommer in der mer etz sinn.“

Wenn Wolf glaubte, die Predigt seiner Frau wäre jetzt am Ende, dann irrte er gewaltig. Sie hatte nur eine kurze, dringend benötigte Verschnaufpause eingelegt, um jetzt umso heftiger fortzufahren.

„Abber dess war ja bei dir früher scho aso. Einsatz! Dess war doch scho immer a Fremdword für dich. Vor zwanzg Jahr, dou hosd nu an Einsatz zeichd, abber der hodd aa scho blouß dem blödsinnichen Fußball goldn und nu mehrer der Sauferei dernoch. Dou hodd dich so leichd kanner überdroffn. Und heid kennsd nix anders wäi dei idiodische Jächerei. A Hersch is der dreimal so vill wert wäi die eigene Frau und die aanzche Dochder. Ich glaub, du hasd nu nedd amal begriffn, dass die Martina in zwaa Wochn heirerd und zu ihrn Moh und seine Eldern aufn Ponyhof ziechd. Wie soll mer na dann mit der ganzn Ärberd ferdi wern, wennsd du blouß an dei eigns Vergnügn denksd? Wenigsdns um a neie Arbeidskrafd häddsd di amal kümmern könner, du …. , du ..“

Ihr fehlten letztendlich die Worte, um ihre Enttäuschung und ihre berechtigte Wut adäquat auszudrücken.

Inzwischen war der Loni endlich fertig angezogen. Ungerührt, als ob die gesamte Schimpfkanonade seiner Frau niemals stattgefunden hätte, griff er mürrisch nach dem Gewehr, packte die Munition und die anderen Ausrüstungsgegenstände ein, unter anderem einen handlichen Flachmann, pfiff nach seinem treuen Kuno, der ebenso wie sein Herr während Hedwigs Lamento unbeeindruckt vor sich hin stierte und stapfte schweren Schrittes aus dem Haus. Sie hätte ebenso irgendein x-beliebiges der ausgebleichten, in die Jahre gekommenen Möbelstücke sein können, an denen er achtlos vorüberging.

Seine Frau, obwohl hartgesotten und von der jahrelangen Praxis abgehärtet, wischte sich eine hervorquellende Träne aus dem Augenwinkel und machte sich auf nach oben, um sich für einen weiteren einsamen Abend umzuziehen.

Mords-Schuss

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