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Aufpasser

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Ich erzähle ihnen was. Von meinem Job in der Wiener Stadtsparkasse. Das Motto der Stadtsparkasse war immer: Gutes Geld ist nie schlecht.

Ich war dort als Aufpasser angestellt. Ich sollte Leute und Auffälligkeiten beobachten. Als Aufpasser war ich hoch angesehen. Viel höher als bei Lisi, meiner Ehefrau. Lisi sah mich oft so schief an, daß ihr regelmäßig die Brille in die Suppe rutschte. Ich mußte dann zusehen wie sie diese genüsslich zerbiß, ohne mir ein Stück davon abzugeben.

In der Wiener Stadtsparkasse war ich als Aufpasser in der Tat so hoch angesehen, daß mich Heribert Pilch, einer der Direktoren, öfter hereinbat, um oben auf dem Schrank nachzusehen, ob da sein Hut läge. Oder ob er ihn doch wieder im Bus liegen gelassen hatte. So hoch, daß Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer, kurvenreiche Sekretärinnen der Bank, mich öfter baten, auf dem Hochschrank nachzusehen, ob Heribert Pilch wieder da oben läge und auf sie herunterspähe.

Das Auffälligste, das ich als Aufpasser in der Wiener Stadtsparkasse beobachtete, war der Banküberfall. Die Räuber stellten mich sofort an die Wand, nahmen mir meine Smith&Wesson und mein Herrenmagazin ab. Dann holten sie Heribert Pilch von Silvi Sabathiels und Mitzi Meiringers Hochschrank herunter. Die maskierten Räuber zwangen mich, die Wiener Gendarmerie anzurufen, um Bedingungen für ihren freien Abzug zu besprechen. Ich suchte im Telefonbuch. Als man gerade dabei war, Tüten mit Geld zu füllen, überlegten die Räuber es sich plötzlich anders. Sie wollten statt Geld nun lieber Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer. Jetzt allerdings gab es erbittertsten Widerstand von Heribert Pilch. Nach einer Stunde zähen Ringens mußte Silvi Sabathiel auf die Toilette. Und Mitzi Meiringer bestand darauf, daß die Räuber sich rasierten.

Wir waren alle in der Gewalt der Bankräuber. Ich sollte also telefonisch mit der Gendarmerie den freien Abzug des Räuber mit den Geiseln aushandeln. Erst später merkte ich, daß ich die ganze Zeit versehentlich einen Blumenladen im 12. Bezirk an der Strippe gehabt hatte.

Die Bankräuber boten inzwischen Heribert Pilch für die beiden Sekretärinnen genau den Geldbetrag, den er in seinem Geldbeutel in der Hosentasche mit sich führte. Heribert Pilch linste verstohlen in seinen Geldbeutel – und lehnte ab. Es war ihm zu wenig. Die Räuber verlangten nun Einsicht in die Personalakten – vor allem in Silvi Sabathiels und Mitzi Meiringers Menstruationskalender. Die Lage spitzte sich zu.

Um 14:57 ließ man Silvi Sabathiel ein Telefonat nach draußen führen, um einen Frisörtermin zu vereinbaren. Um 15:04 wollte Heribert Pilch zurück auf den Hochschrank. Genau um 15:11 kam Mitzi Meiringer frisch gepudert von der Toilette zurück. Um 15:29 verließen die Räuber die Bank fluchtartig, als sie merkten, daß der Kondom-Automat der Bank Kondome mit abgelaufenem Datum herausgegeben hatte. Als Fluchtauto diente nach Zeugenaussagen ein roter Opel Astra.

Stellen Sie sich vor, ich hätte nicht versehentlich diesen Blumenladen im 12. Bezirk an der Strippe gehabt. Und stattdessen tatsächlich mit der Gendarmerie telefoniert. Dann hätte es eine mörderische Schießerei gegeben. Und Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer hätten womöglich mit den Räubern gehen müssen, die heute ein luxuriöses Leben auf den Bahamas führen. Kann sein, der Blumenhändler im 12. Bezirk hätte vielleicht nicht zwei Jahre lang seine Tageskasse in Tüten und seine Frau als Geisel im Kühlraum bereitgehalten.

ESCAPER Stories / Band 1

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