Читать книгу ESCAPER Stories / Band 1 - Günther Frühmorgen - Страница 3
Kakao
ОглавлениеNach 7 Ehejahren erklärte Jill Katzbach ihrem Mann Jeromy Katzbach, dass sie es satt hätte, nie zu wissen wie sie mit ihm dran sei. Er wäre für sie nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln, und so könne sie mit ihm nicht weiterleben.
Sie drohte mit Scheidung, ihm die Kinder wegzunehmen, zu ihrer Mutter zu ziehen, die Küche auszubauen - und auch den Camaro mitzunehmen. Jetzt wusste Jeromy, dass es ernst war.
Er beriet sich mit Freunden und landete schließlich in einer Selbsterfahrungsgruppe. Dort nahmen sie ihn gehörig in die Mangel. Aber nach sechs Wochen zeigten sich Erfolge. Auch seine Frau bestätigte ihm, dass sein Gesicht mehr und mehr ein offenes Buch würde, und sie in der Tat schon einiges entdecken könne, wie etwa sexuelle Lust oder Hunger. Die Ehe erlebte einen neuen Honeymoon, beim Kakao-Frühstück hielten die beiden turtelnd sich die Hände, und Jeromy wagte es sogar schon wieder, den Camaro voll zu tanken.
Nach weiteren sechs Wochen standen ihm bereits ins Gesicht geschrieben Freud und Leid, Angst und Enttäuschung, Hoffnung und Harndrang, Müdigkeit und Neid und Kakaoschmierer.
Da man ihm nun alles von der Stirn ablesen konnte, wurde es für ihn allerdings ziemlich gefährlich, sich vor seine Schwiegermutter hinzustellen, oder auf der Straße bei Leuten stehen zu bleiben, die er nicht mochte, und die bewaffnet waren.
Und auch sehr schnell gewöhnte er es sich an, abends in seinem Wohnzimmer mit tief in die Stirn gezogenem Hut herumzusitzen, eine reine Überlebensstrategie, falls ihm seine Frau wieder riskante Fragen stellen sollte.
Allerdings hörte es nun damit nicht auf. Wenn er von einer Polizeistreife angehalten wurde, konnte er sagen was er wollte. Auf seiner Stirn blinkte genau die Geschwindigkeit, die er gerast war.
Bald konnte man auf seinem Gesicht Sportnachrichten, Busfahrpläne und Börsenkurse lesen. Sogar die Börsenkurse von morgen. Nur - die meisten konnten die Dow Jones-Ticker nicht entziffern.
Eine Woche lang versuchte er immer wieder, sich die Zahlen 35-24-34 von der Stirn zu wischen. Natürlich wurde seine Frau aufmerksam, denn das waren sexy Körpermaße (in Inch). Seine Beteuerung, sie hätten im Post Office, wo er arbeitete, enormen Streß mit dem amerikanischen Geheimdienst wegen einer verschwundenen Sendung mit dieser Postleitzahl, löste bei Jill schallendes Gelächter aus. Gelächter, das keines war, und das ihn veranlasste, den Camaro wieder nicht mehr voll zu tanken.
Im Lauf der Jahre wurde es immer schlimmer.
Bei feierlichen Anlässen lief er herum und zeigte die Stars & Stripes. Marlboro bot ihm eine Unsumme, wenn er auf seiner Stirn für sie Werbefilmchen ablaufen lassen würde.
Letztendlich brauchte er nur in einen Spiegel zu schauen, wenn er etwas vergessen hatte. Einen Namen, eine Adresse, eine Telefonnummer, sein Passwort beim Foxy Lady Club. Oder was er noch einkaufen sollte. Okay, irgendwann reklamierte dann seine Frau, dass sie nun 97 Packungen Kakao zuhause hätten.