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Amelia

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Achten Sie darauf, was Sie Ihrem Kind als Lektüre geben! Oder lesen Sie jetzt die Geschichte von Kathleen Walchewski aus Harrisburg.

Kathy war ein vor Fröhlichkeit sprühendes und ausnehmend hübsches Kind. Mit 8 oder so zog sie aus dem Bücherregal ihrer Eltern einen Bildband über Amelia Earhart, der berühmten Fliegerin. Amelia Earhart hatte in den 1930ern mehrmals die Welt umrundet, bis sie auf ihrer letzten Pazifik-Route um ein Haar die kleine Insel verfehlte, auf der sie nachtanken hätte müssen. War sie im Pazifik versunken? Optimistischere Geister in dem Buch sprachen davon, dass die Fliegerin aber auf der Nachbarinsel gelandet war, von wo sie die Japaner verschleppt hätten. Kathy war fasziniert. Nächtelang schmiegte sie sich in fliegende Träume, webte sich ein in wolkenschaukelnde Gefühle, malte sich blaue Bilder aus: verloren über den Wellen des Pazifiks, herumfliegend in einem weiten Himmel, um dann gerade noch die kleine Insel zu entdecken, allerdings die daneben.

Der berühmte Psychologe Carl Gustav Jung predigte immer wieder, dass, was ins Unterbewusstsein des Menschen gelangt, Ereignis werden will. Mag der gute Mann sagen was er will, aber lesen Sie jetzt einfach mal weiter.

Wenige Wochen nachdem Kathleen mit nichts anderem als Amelia Earharts Buch herumgezogen war, musste sich ihre Mutter daran gewöhnen, Kathy regelmäßig im Nachbarhaus abzuholen, wo sie nun ihren Nachhauseweg von der Schule beendete. Während des Unterrichts in der Grundschule haßte es ihre Lehrerin allmählich, Kathy an die Tafel zu holen, da es danach stets Theater gab, wenn sie nicht mehr zu ihrem Platz zurückkehren würde, sondern sich hartnäckig auf den Schoß einer Klassennachbarin setzte.

Kathy wuchs sich zu einem auffallend hübschen Teenager aus. Darum stieß dieses ihr Verhalten in der gemischten Highschool später auf durchaus wohlwollende Resonanz ihrer männlichen Klassenkameraden. Natürlich gab es viele ernste Briefe von der Schulleitung an ihre Eltern. Unweigerlich kam es auch dazu, dass die hübsche Kathy sich mit Jungs verabredete, wobei der Plural hier schon richtig ist, denn wenn sie mit einem ins Kino ging, küsste sie später seinen Bruder oder Freund.

Irgendwie machte sie nie den Führerschein, wohl weil sie zu den Fahrstunden zu oft in danebenstehende Autos stieg, die dann allerdings meist andere Ziele hatten, wie zum Beispiel den Supermarkt oder ein Picknick. So fuhr Kathy immerzu mit dem Bus nach Hause, wobei sie nach und nach das gesamte Routennetz der Stadt kennenlernte.

Schließlich bewarb sie sich als Lehrling bei mehreren Frisörgeschäften, und sie bekam eine freundliche Zusage von einem Frisörladen in Baltimore. Als Kathleen dann pünktlich zum Termin mit ihrem Koffer in der Hand bei einem Frisör in Washington vorsprach, wurde sie dort mit offenen Armen genommen.

Sie mietete sich ein kleines Apartment in der Stadt. Ziemlich schnell fertigten ihre zufällig männlichen Nachbarn Zweitschlüssel ihrer Wohnungen für Kathy an, und kein einziger von ihnen beklagte sich in der Zeit je über Langeweile.

Etwas irritierend in ihrem neuen Beruf war, dass ihre Kundinnen stundenlang sich in Frauenjournale vertiefen mussten, während etliche Herren den Frisörsalon mit Dauerwellen verließen, und Woody Allen einmal als atemberaubende Blondine.

Jedenfalls kündigte Kathy nach einiger Zeit. Und sie bekam dank ihres kundenfreundlichen Aussehens sofort einen gutbezahlten Job bei einer Alamo-Autovermietung. Sie war äußerst beliebt dort hinter dem Counter, obwohl es manchem unpassend erschien, wenn sie Einzelfahrern den Schlüssel zu einem 12-sitzigen Bus aushändigte, während eine achtköpfige Reisegruppe sich in einen viersitzigen japanischen Kleinwagen zwängen musste.

Dort lernte sie auch Ellen kennen. Ellen lieferte einen in Miami gemieteten Mustang an und sich aus, denn sie konnte den Miettarif nicht bezahlen. Kathy hatte die Rechnung aber sowieso einem anderen Kunden abgebucht. Und sie verschaffte der hübschen Ellen einen Job bei Alamo. Ellen kam aus Ostberlin, und Kathy und Ellen wurden schnell Freundinnen. Als Kathy und Elly waren sie gern gesehene Gäste im Washingtoner Quorum Club. Kathy übersetzte für Ellen, die schlecht Englisch konnte, alle Doris Day-Filme und viele Bananenreklamen. Eines Abends hielt Ellen ein Yellow Cab an, weil sie es versehentlich für einen Bananenlieferanten hielt. Beide hätten kein Geld für ein Taxi gehabt, aber das spielte auch keine Rolle, da Kathy sowieso in die hinter dem Taxi stoppende Limousine schlüpfte, und mit ihr Ellen. Sie waren in John F. Kennedys Staatskarosse geraten. Von der nun folgenden langen Nacht im Weissen Haus mit Kennedy hat Kathy wenig Erinnerung. Sie war einmal austreten gegangen und in Jackie Kennedys Schlafgemach gelangt. Jackie war etwas schlaftrunken, und unter ihrer Schlafmaske verwechselte sie Kathy mit ihrer Zofe. Aus einer Laune heraus gab sie nun fälschlich Kathy die Order, den Hubschrauber für den folgenden Vormittag zu bestellen, um nach Rhodes Island zu fliegen. Kathy traf auf ihrem Weg aus dem Weissen Haus tatsächlich auf den Piloten der Air Force One, und sie gab ihm die Order weiter, allerdings sagte sie Rhodos Island. Jackie flog also am nächsten Tag nach Rhodos, um dort genau vor Aristoteles Onassis zu landen, der in seinem Learjet gerade einen wütenden Disput mit seinem Finanzberater Kostas Lemonakis führte, weil dieser sich sträubte, Onassis Rhodos kaufen zu lassen. Onassis kaufte Rhodos nicht, aber die folgenden Jahre mit Jackie kosteten ihn gut das Doppelte.

Geld und Kathy – reden wir nicht davon. Einmal schrieb Kathy wegen irgendwelcher dummer Kontoüberziehungszinsen einen wütenden Brief an ihre Bank, der aber irgendwie an Koichi Tanaka geriet. Dieser trug das Schreiben versehentlich und ohne Kenntnis der englischen Sprache als seine Dankesrede vor, anlässlich der Verleihung des Nobelpreises an ihn, wofür er stehende Ovationen erhielt.

Kathy war nicht nur hübsch und sexy, sie war zudem kerngesund. Vielleicht auch, weil sie vom Zigarettenkauf eher mit Kaugummis im Mund zurückkam.

Jahre später gelang es ihr tatsächlich, telefonisch zu Johnny Depp durchzukommen. Sie sangen zusammen eine ganze Stunde lang, bis sie merkte, dass sie die ganze Zeit Johnny Cash an der Strippe gehabt hatte.

Was nicht zu vermeiden war – eines Tages wurde sie wegen irgendwelcher formularischer Unstimmigkeiten aufs Steueramt zitiert. Kathleen zog ihr kessestes Kostüm an und aufregend hohe Pumps. So zog sie vor den Ehrfurcht erregenden Verwaltungsbau, geriet aber irgendwie daneben ins Standesamt, wo sie mit einem 82-jährigen Japaner die Ehe schloß. Dieser nahm sie am gleichen Tag mit nach Tokyo. Dort lebten sie glücklich und zufrieden. Auch der schwache Sexualtrieb des Gemahls störte nicht sonderlich, da sein Haus Nachbarhäuser hatte. Tatsächlich wurde dieses Viertel zu einem der beliebtesten in ganz Tokyo, hauptsächlich für männliche Alleinwohnende und bisexuelle Geishas.

Eines Tages fuhr Kathleen wie gewohnt zum Fischmarkt am Hafen, um eine frische Meer-Äsche zu erstehen. Mit einer lebenden Krake in der Einkaufstasche stieg sie in die gerade dort ankernde USS Nautilus, ein Atom-Uboot der amerikanischen Marine, und war höchst erfreut über die freie Koje, die sie dort fand, denn sonst war der Bus zurück jedes Mal übervoll gewesen.

Militärhistoriker konnten sich später nicht genug wundern über die 126 Tage und Nächte, welche die USS Nautilus auf der nachfolgenden Fahrt unter Wasser blieb - und über die Koinzidenz, dass die Besatzung auch genau aus 126 Mann bestand.

Die USS Nautilus lief schließlich San Diego an, und Kathleen landete prompt in Los Angeles, Hollywood, in der Industrie des Films und der Schönen. Innerhalb weniger Monate legte man Kathleen Walchewski unter dem Jubel aller Celebrities die Schärpe der Miss World um, wobei die Jury allerdings die neben ihr stehende Romy Schneider gemeint hatte.

ESCAPER Stories / Band 1

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