Читать книгу Eiszeit! Warum Eishockey der geilste Sport der Welt ist - Günther Klein - Страница 6
SCHÜSSE IM GARTEN – MEINE ANFÄNGE
ОглавлениеHeute lernt man Schlittschuhlaufen mit Hilfe eines Pinguins. Einer Tierfigur, an der sich die Kinder festhalten und die sie vor sich herschieben, wenn sie ihre ersten Schritte auf dem Eis machen. Bei mir musste als Gehhilfe ein Stuhl herhalten. So liefen damals, 1980, die Anfängerkurse in der Landshuter Eishalle ab. Man holte die Stühle aus der Stadiongaststätte und stellte sie aufs Eis. Ich – vier Jahre alt – bewegte dann den Stuhl, über dessen Sitzfläche ich kaum blicken konnte, zaghaft voran. Nach dem Training wurden die Stühle in eine Ecke neben der Eisfläche gestellt, am Wochenende kamen sie wieder in die Gaststätte. Denn dann spielte der EV Landshut, die Wirtschaft war dementsprechend voll, und die Leute brauchten Sitzgelegenheiten.
So fing es bei mir an mit dem Eissport. Zwar wohnten wir in Dingolfing, das von Landshut 25 Kilometer entfernt und auch der Heimatort von Marco Sturm ist, einem der größten Stars des deutschen Eishockeys. Doch Dingolfing war trotzdem nicht das beste Eishockey-Pflaster. Es gab die Eishalle, die seit 2018 nach Marco Sturm benannt ist, und den EV Dingolfing, in dem mein Vater, der hobbymäßig Eishockey spielte, Abteilungsleiter war. Doch existierte damals keine Nachwuchsarbeit für die ganz Kleinen, die Eishockey spielen wollten, aber erst einmal das Laufen auf Schlittschuhen erlernen mussten. Also fuhr meine Mutter mich nach Landshut. Als Kind hatte ich keine Ahnung, welch hohen Fahraufwand das für meine Eltern bedeutete. Nach meinen ersten Bemühungen mit Hilfe des Stuhls aus der Stadionkneipe teilte ich ihnen mit: „Ich will Eishockeyspieler werden.“
Zu den ersten Trainingseinheiten bekam man noch nicht mal einen Schläger, dafür aber Knieschützer, weil man so häufig hinfiel. Irgendwann kam der Puck dazu, und es wurde gespielt. Ich war vier, als ich erstmals mit den Kleinstschülern ein richtiges Spiel bestreiten durfte. Ich wollte Verteidiger sein, nichts anderes. Das war ungewöhnlich, weil Kinder normalerweise angreifen und Tore schießen oder Torwarthelden sein wollen. Meine Mutter erzählte mir später, dass das im Landshuter Eisstadion ein Thema war: Dieser Vierjährige, der so gerne Verteidiger sein wollte. In der Stadiongaststätte saßen häufig die Spieler der ersten Mannschaft, lokale Stars wie Butzi Auhuber und Bernie Englbrecht. Sie schauten bei den Nachwuchsspielen zu, und ihnen fiel dieser Spieler auf, der spürbare Lust daran hatte, das Tor seiner Mannschaft abzusichern.
Meine ganze Jugendzeit bin ich Verteidiger geblieben. Bis auf ein Jahr, da war ich Stürmer, das wollte der Trainer so. Doch ich schoss vorne nicht mehr Tore als in meiner Zeit als Abwehrspieler. Kurios war auch: Als Verteidiger hatte ich einen gesunden Vorwärtsdrang, als Stürmer zog es mich aus angelerntem defensiven Verantwortungsbewusstsein nach hinten.
Die erste große Faszination beim Eishockey waren der Schlittschuh und der Schläger. Der Schlittschuh ist für den Eishockeyspieler das, was für den Koch seine Messer sind. Der Schlittschuh ist sein Heiligtum. Ich habe immer die gleiche Marke gespielt. Meine komplette Karriere über. Als ich als Kind ein neues Paar bekam, zog ich sie natürlich zu Hause an. Ich habe sie sogar mit ins Bett genommen, weil ich sie so stolz auf sie war.
Die Ausrüstung drumherum machte mir als Kind naturgemäß zu schaffen. Es ist außerordentlich kompliziert, einen Schienbeinschoner so anzulegen, dass er hält. Wir mussten anfangs angezogen werden, und Eltern waren in Landshut in der Kabine nicht erlaubt. Wir hatten dafür zwei, drei Betreuer, die uns auch die Schlittschuhe banden.
Wie man das viele Zeug anzieht, bekommt man aber schnell raus. Es ist selbsterklärend. Als Erstes zieht man den Tiefschutz an, das ergibt Sinn, auch beim Kind. Dann kommt der Strapsgürtel, und es ist klar, dass er die Strümpfe halten muss. Zuvor kommen noch die Schienbein- und Knieschoner und darüber die Stutzen. Es besteht die Versuchung, dass der junge Spieler danach die Schlittschuhe anzieht; in dem Fall hätte er aber die Hose vergessen und müsste die Schlittschuhe wieder ausziehen. Das passiert vielen. Aber in der Regel nur einmal im Leben. Das merkst du dir nach dem einen Missgeschick. Für Profis gibt es übrigens auch Hosen, die man mit einem Reißverschluss öffnen kann, falls man in der Drittelpause auf die Toilette muss.
Wenn man als Kind in den Schlittschuhen drin war, setzte man sich hin und wartete, bis jemand kam und die Schuhe band. Anschließend legte man Schulter- und Ellbogenschutz an, zog das Trikot drüber, schlüpfte in die Handschuhe, und setzte den Helm auf. Den musste auch wieder jemand unten schließen, als Kind konnte man das selbst noch nicht.
Ihre Faszination verliert so eine Ausrüstung nie. Eigentlich gewinnt sie sogar an Bedeutung, wenn man älter wird und die Möglichkeiten erkennt, die Verbesserungen am Equipment mit sich bringen. Da gibt es in den Mannschaften einen regen Austausch über die Länge der Handschuhe: Der eine ist 14 Zoll lang, der andere 14,5 oder 15. Es wird diskutiert, ob man sich durch zusätzlichen Kitt am Oberkörperschutz gegen Stockschläge in die Rippen wappnen kann. Oder die Schulterkappen: Sollen sie mehr Beweglichkeit erlauben oder vor allem Schutz bieten? Stürmer bevorzugten das eine Modell, Verteidiger tendenziell das andere. Stoff zum Basteln hatte man zur Genüge.
Die Schläger, die wir Anfänger bekamen, waren gerade, sie hatten noch keine gebogene Schaufel, zumindest war das damals im Kindereishockey so. Inzwischen hat sich das geändert. Die Scheibe hochzubringen war ein Kampf. Man muss aber berücksichtigen, dass man ja auch als sechsjähriges Kind mit dem gleichen Puck wie die Profis spielt und das Gewicht für einen kleinen Jungen im Verhältnis ungleich höher ist. Du hast noch keine Technik, darum ist es ohnehin schwer, diesen Puck hochzuhebeln. Einen richtigen Schuss anzubringen, der nicht flach ins Tor rutscht, sondern hoch in den Maschen einschlägt, ist die nächste Herausforderung und Faszination. Ein sauberer Schlagschuss will gelernt und geübt sein. Wieder und wieder knallt man den Puck an die Bande. Zigfach, hundertfach. Und es genügt nicht, das nur im Stadion zu tun.
Zu Hause bekam ich, als ich zehn war, ein Eishockeytor geschenkt. Zuvor hatte ich schon immer Pucks geklaut, die die erste Mannschaft bei ihrem Training verschossen hatte, und mitgenommen – was aber jeder machte. Zu Hause schoss ich zunächst auf einen Zaun, ein Eisengatter, das so strukturiert war, dass der Puck nicht durchfliegen konnte. Nach ein paar Jahren hatte ich den Zaun komplett zerlegt. Je besser ich im Schießen wurde, umso mehr schimpften meine Eltern wegen des Materialschadens, den der junge Herr Eishockeyverteidiger verursachte. Und manchmal drosch ich die Pucks auch ins Maisfeld des Nachbaranwesens. Es war schwer, sie dort wiederzufinden, meistens musste man bis zum Spätherbst warten.
Später hatte ich also das Eishockeytor – bei dem ich allerdings das Netz zerschoss. Dahinter stand ein Holzzaun, den mein Vater schützen wollte. Und auch die Radfahrer draußen auf der Straße. Darum wurde noch ein Fangnetz angeschafft, um diese Gefahren auszuschalten.
Als Verteidiger sollte man gut schießen können. Man will ja auch Tore erzielen. Ein Tor ist im Eishockey das Erlebnis schlechthin, sogar bei Trainingsübungen, wenn du allein auf den Torwart zufährst, willst du die Scheibe an ihm vorbeibringen.
Ich wollte aber immer, dass wir auf spielerische Art zu unseren Toren kommen. Und dass möglichst alle, die auf dem Eis standen, daran mitwirkten. Bei Sololäufen „Coast to Coast“, bei denen ein Spieler am eigenen Tor mit der Scheibe losläuft, an allen vorbeizieht und sie im Kasten des Gegners versenkt, rasten alle aus vor Begeisterung. Sicher ist das toll und spektakulär, und man kann eine solche Aktion auch gelegentlich bringen. Wenn man zwölf ist und weiß, dass man zu den Besten gehört, versucht man bei 3:4-Rückstand durchzurennen und dem Spiel eine Wende zu geben. Oder man probiert solch ein Solo aus Verzweiflung, wenn es 0:7 gegen die eigene Mannschaft steht und man meint, man müsse jetzt ein Tor schießen. Doch ich kann diesem Spektakel eines einzelnen Spielers deutlich weniger abgewinnen, als wenn von hinten ein schneller Pass gespielt wird, es über eine Doppelstation in die Mitte geht und zwei dynamische Pässe ins Angriffsdrittel folgen und daraus ein Tor entsteht. Das ist für mich Eishockey. Und das war es damals schon im Nachwuchs des EV Landshut.
Ich habe mit fünf oder sechs nicht verstanden, warum jemand mir den Pass nicht zurückgab. Ich wollte, dass wir fünf, die wir auf dem Eis standen, die Scheibe besaßen und spielten. Wenn du das Spiel siehst und verstehst, wenn die Pässe ankommen, die Schüsse ins Tor gehen, wenn du läufst, nicht dauernd hinfällst, die anderen überholst – dann stellst du fest, dass du Fortschritte machst und dich entwickelst. Und dass du für das Training belohnt wirst.
Der EV Landshut hatte eine hervorragende Nachwuchsarbeit. Gefühlt sind wir immer Bayerischer Meister oder wenigstens Vizemeister geworden. Mit fünf nahm ich schon am Ligabetrieb teil. Rosenheim, Klostersee, das waren unsere Rivalen. Früh wurden wir auch schon zu internationalen Turnieren eingeladen, etwa nach Prag, da war ich sieben oder acht Jahre alt. Mit fuhr auch der Vizepräsident des EVL, der Ladungen von Schnupftabak dabeihatte. Als Bestechung für die Zöllner, damit die nicht anfingen, unsere Eishockeytaschen auszupacken. Wir als Kinder wussten nicht um die politische Brisanz einer Reise in den Osten, hinter den Eisernen Vorhang, und um die Schwierigkeiten eines Grenzübertritts. Für uns zählte nur, dass wir in der großen Halle von Sparta Prag spielten. Gegen Schweizer Klubs und gegen tschechische – ein Wahnsinnserlebnis.
Ab zehn war ich in der Bayern-Auswahl, in der es Altersstufen ab der U12 gab. Die Lehrgänge fanden oft in Landshut statt, da wurden wir in der Jugendherberge oben auf der Burg untergebracht. In der eigenen Stadt im „Hotel“ zu wohnen, das vermittelte ein Gefühl von Erhabenheit, von Auserwähltheit. Zweimal am Tag gingen wir zu Fuß runter zum Training in die Eishalle und hatten Spiele gegen die Auswahlen anderer Bundesländer, ohne die aus dem Osten damals noch. Die deutsche Einheit war noch ein paar Jahre entfernt. Wir Bayern dominierten im deutschen Nachwuchseishockey. Alexander Serikow, Florian Keller, Eric Dylla, Stefan Retzer, Markus Wieland – wir hatten eine ganze Reihe von Spielern, die später als ausgereifte Spieler eine schöne Profikarriere hinlegten. Und ich war der Kapitän dieser Bayern-Auswahl.
Mit 15 kam man vom Landesverband in die Zuständigkeit des Deutschen Eishockey-Bundes. Ab der U16 gab es Nachwuchsnationalmannschaften. Die Einladung erfolgte per Post. Die erste Maßnahme für die U16 war traditionell im französischen Perpignan. Wir fuhren im Sechs-Mann-Liegeabteil mit dem Nachtzug von München nach Perpignan. Dort war es wie im Schullandheim, unterlegt von pubertärem Geschrei. Jedes Klischee wurde voll erfüllt. Wir spielten dann dreimal gegen Frankreich, das waren meine ersten offiziellen Länderspiele. Von nun an durfte ich das deutsche Trikot tragen. Ich spielte für Deutschland. Und ließ als Erinnerung die Ankündigungsplakate dieser Spiele in Frankreich mitgehen. Auf ihnen stand: Eintritt 3 Franc.
Für mich war es wichtig, mich Nationalspieler nennen zu können. Ich bin in einer Zeit groß geworden, in der man sich für die NHL nicht sonderlich interessiert hat. Ich konnte die deutsche Bundesliga verfolgen, oft waren wir am Freitagabend beim EV Landshut. Meine Mutter rief mich und holte mich sogar aus dem Bett, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Abendzusammenfassungen der Spiele gezeigt wurden. Und ich schaute die Eishockey-WM an, weil die in der ARD und im ZDF lief. Mein Ziel war es, Rekordnationalspieler zu werden. Ich bekam mit, wie Udo Kießling Jahr für Jahr seine Bestmarke weiter nach oben schraubte. Auch wenn das wie Majestätsbeleidigung klingen mag: Ich wollte seinen Rekord überbieten. Das hatte für mich den höchsten Stellenwert. Die Nationalmannschaft steht für mich über der Liga und sogar den Play-offs um die Deutsche Meisterschaft.
Das erste Trikot, das ich mit 15 in Frankreich trug, hatte keinen Namen, sondern nur die Nummer. Aus dem Mannschaftssatz von 1 bis 30 wurde eben eines ausgegeben. Individueller wurde es erst ab der U 18.
Mein zweites Turnier war in Norwegen, genauer gesagt: in Bergen. Zum ersten Mal im Leben durfte ich fliegen. Skandinavien war weit weg und eine andere Hausnummer als Tschechien, die Schweiz oder Feldkirch in Österreich, wo wir bis dahin gespielt hatten. Mit einer Mannschaft in ein Flugzeug zu steigen, war ein fantastisches Erlebnis. Man ging auf eine Mission. Ich empfand das als unendlich cool.
Vielleicht war es das beste Turnier, das ich in meinem Leben gespielt habe. Ich wusste mit 16 nicht, was ein Flow ist – aber ich erreichte ihn. Im Rückblick habe ich noch Bilder von damals vor Augen. Wie jene Szene, wo ich einen Befreiungsschlag des Gegners im Flug an der blauen Linie mit dem Schläger abfange und die Scheibe im Drittel halte. Ein Gefühl wie in einem Film, in dem die Aktion des Helden in Zeitlupe gezeigt, das Bild eingefroren wird und er in der Luft steht. Ich wurde als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. Der Preis war eine Art Axt, von der ich hoffte, dass man sie mich im Flugzeug mitnehmen lassen würde. Meine erste individuelle Auszeichnung. Sie kam ins Kinderzimmer. Ich habe sie immer noch.
Mein Werdegang im Eishockey musste mit der Schule koordiniert werden. Der Deal mit meinen Eltern lautete, dass ich ihnen schulisch keine Sorgen bereiten durfte, damit sie mich weiterhin hin und zurück zum Training chauffierten. Und daneben probierte ich noch einige andere Sportarten aus, vor allem mein Großvater hatte mir vieles schmackhaft gemacht. Ich war im Turnverein, beim Skifahren, ging Tennis und Tischtennis spielen, Judo habe ich probiert, sogar Handballer war ich ganz kurz. Alles ohne großen Druck. Für die Athletik war diese vielfältige Ausbildung ganz gut. Geblieben bin ich nur beim Eishockey.
Als Schüler war ich schon sehr speziell. Am zweiten Tag in der Grundschule beschwerte ich mich bei der Lehrerin, dass sie mir noch nicht Englisch beigebracht hatte. Als ich lesen konnte, beschäftigte sie mich mit einem Band mit Gedichten der deutschen Klassiker. Ich habe sie für mich auswendig gelernt und bis heute behalten. Goethe, Schiller, „Der Zauberlehrling“ und „Das Lied von der Glocke“, „Der Panther“ von Rilke – ich konnte das alles fehlerlos aufsagen. Ich verstand es nur nicht. Ich war gut dabei in der Schule, hätte sogar eine Klasse überspringen können, doch wollte das nicht. Mir war wichtiger, mit den Leuten zusammenzubleiben, die ich kannte.
Was nicht hinhaute, war ein Instrument zu lernen. Das hatten meine Eltern sich gewünscht. Ich versuchte es mit Blockflöte und Klavier. Beim Unterricht hatte ich vor Aufregung immer schwitzige Hände, der Schweiß rann auf die Tastatur des Pianos. Musik konnte keine Priorität in meinem Leben haben. Jeden Tag habe ich eine Stunde damit zugebracht, den Zaun meiner Eltern kaputt zu schießen, und eine Stunde pro Woche war ich vielleicht am Klavier. Ich habe auch nie getanzt. Wenn wir mit der Mannschaft ausgingen, war ich nie auf dem Dancefloor, sondern immer an der Bar.
Am Gymnasium in Dingolfing häuften sich wegen des Eishockeys die Absenzen. Wenn gefragt wurde, wo denn der Goldmann sei, hieß es: Ach, der ist wieder mit der Nationalmannschaft unterwegs. Gegenüber dem Direktor hatte ich wohl schon ein sehr selbstbewusstes Auftreten, wenn es um die Freistellungen für meinen Sport ging. Ich sagte kess: „Für die Nationalmannschaft muss man freikriegen, das steht in den Regularien drin. Ich lasse die Ihnen mal zukommen.“ Ich wusste nicht, ob das so war, ich bluffte. Doch es wurde letztlich akzeptiert: Wenn ich nicht da war, war ich nicht da. Automatisch entschuldigt.
Mit 16 durfte ich in Landshut unter Trainer Dr. Pavel Volek, dessen ältester Sohn in der NHL spielte, bei der Ersten mittrainieren. In einer Ligapause wollte er mich bei einem Freundschaftsspiel testen. In Österreich. Manager Max Fedra hatte Bedenken: „Mit 16 darf der da noch gar nicht spielen. Wir kriegen keine Versicherung für ihn.“ Volek schlug vor: „Wir stecken Goldmann einfach ins Trikot eines anderen Spielers.“ So habe ich mein erstes Auswärtsseniorenspiel versteckt und mit Pseudonym absolviert.
Als Schüler der K12, mit 17 Jahren, hatte ich schließlich meinen ersten Profivertrag und fehlte mindestens einmal in der Woche in der Schule, weil ich Vormittagstraining hatte. Daran teilzunehmen musste sein, um übers Training eine Chance zu haben, einen Platz in der Mannschaft zu bekommen.
In der Kollegstufe musste ich die Schule wechseln. Mir war klar, dass ich mich unter Bernie Johnston, der Dr. Volek als Cheftrainer in Landshut abgelöst hatte, nicht so entwickeln würde, wie ich das vorgehabt hatte. Er setzte auf fertige Spieler. Ich erzwang meinen Wechsel nach Mannheim, was nicht leicht war, weil damals noch Ablösesummen bezahlt werden mussten und ich als hochdekorierter Nachwuchsnationalspieler im Höchstsatz von 250.000 D-Mark angesiedelt wurde. Ich ließ es darauf ankommen und drohte dem EVL, meine Karriere eben zu beenden, sodass er mich als Spieler verlieren und gar nichts für mich bekommen würde. Wir kamen dann zu einer Einigung. Ich durfte zu den Adlern gehen, musste mir in Mannheim aber eine Schule suchen, um in die 13. Klasse zu gehen und das Abitur zu machen. Wir fanden ein Sport-Privatgymnasium, das sagte: Wenn der Goldmann da ist – okay. Und wenn nicht, muss er selbst schauen, wie er den Lernstoff bewältigt. Meine Leistungskurse waren Deutsch und Sport, dazu musste ich als Prüfungsfächer Religion und Mathematik nehmen. Ich taktierte mich durch. Die Definition für „Gut in der Schule sein“ hatte sich mit den Jahren verändert. Gut hieß anfangs Note zwei, dann war es die drei. Und am Ende: das Abi irgendwie schaffen.
Die Lehrer meinten es gut mir mit. Ich war ein umtriebiger, lauter, oft einfach störender Schüler, hatte aber ganz offensichtlich einen Bonus.
Ich konnte mich früh in die Junioren-Bundesliga hochspielen, bei den 20-Jährigen, was hart war. Und ab und zu konnte ich bei der Bundesligamannschaft mittrainieren. Mit 17 kam ich zu den Profis – das war mein Weg. Kurz hat man mal den Gedanken, ob ich in Kanada in einer Juniorenliga spielen sollte, erörtert. Und dann gleich wieder verworfen, weil sich niemand mit Kanada auskannte. Mit meiner Vita – der Teilnahme an zwei U18-, drei U20-Europa- und Weltmeisterschaften, was sonst kaum ein Spieler vorzuweisen hatte – war mein Werdegang vorgezeichnet. Nämlich zu einem der Topstars der Bundesliga zu reifen, wenn ich das so überheblich sagen darf. Unter anderem das Bosman-Urteil hatte aber was dagegen. Dazu später mehr.
Mein erstes A-Länderspiel war wieder in Norwegen. Im Februar 1995, nach der U20-WM. Da war ich punktbester Verteidiger des Turniers gewesen und unter den stärksten Scorern. Vom Nachwuchs- war ich zum A-Nationalspieler geworden.