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Entwurfsmaßnahmen oder Anlagentechnik?

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Die Forderungen nach Verringerung des Transmissionsverlustes und nach passiver Solarnutzung kollidieren also teilweise miteinander. Wärmeschutz erfordert möglichst würfelförmige, kompakte Bauformen. Passive Solarnutzung erfordert vertikale, südorientierte Gebäudescheiben. Das Optimum liegt irgendwo in der Mitte. Seine genaue Lage ist je nach Breitengrad und Bewölkungshäufigkeit verschieden. Dieser Widerspruch stellt jedoch allenfalls bei neuen Quartieren auf der grünen Wiese ein Problem dar, also nur in dünn besiedelten Ländern. In den extrem dicht besiedelten Ländern Mitteleuropas stellt sich die Frage nicht, weil Neubauten ohnehin nur in Siedlungsgebieten als Ergänzung vorhandener Altbausubstanz zulässig sein dürften. In jedem Fall gilt jedoch auch hier: Gebäude sollen möglichst großvolumig sein, die Nordseiten möglichst geschlossen, die Südseiten weitestmöglich verglast und mit funktionierendem Sonnenschutz und temporärem Wärmeschutz versehen sein.

All diese Anforderungen kollidieren stark mit der herkömmlichen Architekturvorstellung und ihrer Ästhetik, wonach Gebäude etwa keine Vor- und Rückseiten haben sollten. Aus Symmetriegründen werden deshalb meist auch Nordseiten verglast oder aber die Südseiten italophil mit Lukenfenstern versehen. Ost-, West- und Nordseiten werden mit einem sinnlosen horizontalen Sonnenschutz versehen. Ein verbreitetes Bedürfnis nach plastischer Differenzierung steht optimaler Kompaktheit entgegen und trägt so zur Verschlechterung des A/V-Verhältnisses bei. Insbesondere die ersten Preise bei Architekturwettbewerben sind bisweilen wahre Hüllflächenorgien: Ein Landtag sieht aus wie die Kühlrippen eines Verbrennungsmotors, ein Landratsamt am Starnberger See wie ein flaches tropisches Männerhaus, sogenannte Öko-Siedlungen haben nur sieben Meter Gebäudetiefe, und das freistehende Einfamilienhaus boomt immer weiter, in seiner negativen Energiebilanz noch gesteigert durch Kaskaden angebauter Wintergärten. Jahrelange Bemühungen um das sogenannte Nullenergiehaus blieben vergeblich, weil sie ausgerechnet beim freistehenden Einfamilienhaus ansetzten, wo 67 % der Anstrengungen erst einmal dafür draufgehen, die Bilanz einer normalen Geschoßwohnung zu erreichen. (Abb. 12 bis 15)

Vor allem im Bereich des Industrie- und Gewerbebaus wird der Außenwandanteil durch vermeidbare, aber bequeme Eingeschossigkeit sinnlos erhöht. Bei den flächenintensiven Werksbauten würde die Zweigeschossigkeit gegenüber der Eingeschossigkeit den Heizaufwand nahezu halbieren. (Im Übrigen auch den Landschaftsfraß.) In den Industrie- und Gewerbezentren stößt man am häufigsten auf die Erbsünde des modernen Städtebaus: den sinnlosen Bauwich oder Gebäudeabstand aus überholten Rechts- oder Eigentumsgründen. Ein falscher Aufzählungsstädtebau auf der falschen Grundlage funktionalistischer Funktionstrennung dürfte bis zu 30 % des heutigen Transmissionsverlustes erzeugen. Umgekehrt hat die erforderliche Südpräferenz noch keinerlei Eingang in den Städtebau gefunden. Auch sie dürfte mit überkommenen Vorstellungen sehr stark kollidieren.

Energiegünstige Architektur ist also sehr genau zu beschreiben, aber kaum irgendwo zu sehen. Zu oft wird auch bei Neubauten auf technische Zusatzmaßnahmen gesetzt. Diese sind aber vor allem für Altbauten von Bedeutung. Bei Neubauten steckt ein ungleich größeres Potential in richtigen entwurflichen Maßnahmen. Mit ihnen lässt sich Energie wesentlich wirtschaftlicher einsparen und gewinnen.

Während die klimatischen Teilkatastrophen in immer schnellerer Folge über uns hereinbrechen, huldigt die Architektenmehrheit mit einem hinterherdienernden Gefolge von Pseudotheoretikern ästhetischen Scheinproblemchen und Tagesmoden. Aber selbst dort, wo man vorgibt, ökologischen Anforderungen zu folgen, sind zu kleine Gebäudevolumina, zu geringe Gebäudetiefen, Halbkugelhäuser, Hufeisengrundrisse, Schrägverglasungen, Leichtbauweisen, Gebäudebegrünung einfach unsinnig, wenn nicht sogar schädlich. Eine gewisse Verdummungslust ist nicht zu übersehen.

Auch die Forschungspolitik auf dem Gebiet von Bauen und Energie war und ist unzulänglich: Sie beschäftigt sich überwiegend mit Neubauten und dort wiederum überwiegend mit freistehenden Einfamilienhäusern. Stattdessen müsste sie sich mit Geschossbauten und vor allem mit Altbauten beschäftigen.

Zum Schluss noch ein Wort zu den Altbauten. Bei Neubauten steckt ein größeres Einsparungs- und Gewinnungspotential im richtigen Entwurf, weniger in der Anlagentechnik. Entwurfsfehler können nur schwer oder gar nicht durch Anlagentechnik wettgemacht werden. Demgegenüber sind Altbauten naturgemäß das Hauptanwendungsgebiet der Zusatz- und Anlagentechnik, weil hier ja der Entwurf nicht mehr beeinflusst werden kann. Da insgesamt ja die Energieschlacht mehr im Altbaubereich geschlagen werden muss, kommt in der Summe der Anlagentechnik eine große Bedeutung zu. Im Altbaubereich sind vor allem folgende Maßnahmen aussichtsreich:

– Vollwärmeschutz durch Dämmung aller geschlossenen Fassadenflächen. Hohe Erwartungen werden hier an die sogenannte transluzente Wärmedämmung (TWD) geknüpft, die sich allerdings noch in einem Entwicklungsstadium befindet, über dessen Ausgang kaum Prognosen anzustellen sind.

– Passive Luftwechselkonzepte mit Wärmerückgewinnung, z. B. in Brüstungen, Wänden, Decken oder Atrien.

– Ausrüstung aller Südseiten mit vertikal verglasten Pufferzonen (durchgehende Wintergärten) zur passiven Solarnutzung.

– Langzeitspeicherung. Voraussichtlich nur chemische Langzeitspeicherung aussichtsreich (für lokale Klimaanlagen eignen sich Magnesium/Wasserstoff-Speicher).

– Photovoltaik. Ist zur Gewinnung von Elektrizität, Warmwasser und Restwärme einsetzbar, darf aber die Maßnahmen zur passiven Solarnutzung nicht ersetzen. (Dies gilt vor allem auch für Neubauten.)

– Dezentralisierung der Fernwärmeanlagen zur Vermeidung von Transportverlusten. Kraft-Wärme-Kopplung, wo irgend möglich.

– Verbesserung des A/V-Verhältnisses durch Verdichtung: Schließung aller Baulücken, Bauwiche, Gebäudeabstände. Vervollständigung von Zeilenbebauungen zu Blockrandbebauungen. Zwischenraumüberglasungen von Einkaufsstraßen und Höfen (bei Blockrandbebauungen).

Die letzte Maßnahmengruppe wäre nur langfristig und nicht ohne Schaffung neuen Rechts möglich.

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