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Bauen und Energie Industrialisierung und Sonnenlimit

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Durch den Zugriff des Menschen auf die fossilen Energien gelang es in der Geschichte der Galaxie erstmalig einer Art, ihren Energieverbrauch und ihre Population über das Sonnenlimit hinaus auszudehnen. Der so überzogene Verbrauch läßt sich aus physikalischen Gründen quantitativ nicht durch Solarenergie ersetzen. Die Entwicklung unschädlicher Ersatzquellen für den überzogenen heutigen Gesamtbedarf ist nicht möglich. Keine realistische Alternative ohne vorherige Einsparung!

Erdgeschichte, Naturgeschichte und Kulturgeschichte lassen sich darstellen als Wechselspiel von Evolution und Entropievermehrung. Überall da, wo es der Natur gelang, sich der Sonnenenergie zu bedienen, waren kontinuierlich Höherentwicklung und größere Verfügbarkeit möglich. Sie entstanden auf Kosten höherer Entropie auf der Sonne. Und sie entstanden aufgrund empfindlicher Gleichgewichte: des Gleichgewichts aus Masse und Geschwindigkeit, aus Anziehungs- und Fliehkraft, die den Planeten auf einer bestimmten, stets gleichen Entfernung zur Sonne hielt. Und aufgrund des noch empfindlicheren Gleichgewichts aus Einstrahlung und Abstrahlung von Energie des sonst geschlossenen Systems Erde – ein Gleichgewicht, das erst im Verlauf von Jahrmilliarden aufgebaut wurde, vor allem durch die regulierenden Gashüllen. Diese komplizierten Gleichgewichte waren notwendig, um auf einem unter Milliarden Gestirnen für einen kurzen Weltzeitraum höher entwickeltes Leben aufzubauen.

Natur und Naturvölker ordneten sich in diese Gleichgewichte ein. Die Geschichte der Verletzung dieser Gleichgewichte, die Geschichte der Entropievermehrung durch den Menschen ist vor allem die Geschichte der abendländischen Kultur und Zivilisation. Der Mensch verwandelte zuerst immer dort die Natur in Steppe oder Wüste, wo wir heute die Ursprünge dieser abendländischen Kultur ausmachen: etwa in Mesopotamien und im Mittelmeerraum.

Natürlich hat nicht alle abendländische Kultur die Entropie vermehrt. Zum einen hielten sich die Eingriffe früher noch in Grenzen, konnten zum größten Teil durch die Regenerationsfähigkeit der Natur wieder ausgeglichen werden. Zum anderen können Kulturprodukte wie z. B. menschliche Bauwerke durchaus der Entropie entgegenwirken, indem sie die Verfügbarkeit erhöhen. Die Pyramiden, die chinesische Mauer, die großen Kathedralen (Abb. 1) haben zweifellos Material aus dem Zustand der Vermischung in höhere Verfügbarkeit überführt. Sie haben dabei auch keine Energieentropie erzeugt, weil sie sich auf dem Umweg über Körperkraft der Sonnenenergie bedient haben.

Nur im Bereich der anorganischen Bodenschätze ist die Entropie unumkehrbar, nicht aber im Bereich der Energie. Hier kann Entropie vermieden werden, wenn sich der Mensch innerhalb des Sonnenlimits bewegt. Sie könnte sogar umgekehrt werden, wenn der Verbrauch die Ausbeute unterschreitet, wenn also Sonnenenergie-Potentiale auf Vorrat gebunden und gesammelt würden, wenn zum Beispiel mehr Wälder aufgeforstet als gerodet würden.

Alle Natur ist immer innerhalb des Sonnenlimits geblieben. Es gab immer nur so viele Pflanzen und Tiere, wie es der Brennstoff Sonnenenergie maximal zuließ: viele Grasfresser, weniger Laub- und Früchtefresser, noch weniger Raubtiere. Grundlage für alle natürliche Nutzung von Sonnenenergie ist letztlich die Photosynthese. Sie ist der einzige Produzent des Brennstoffs Nahrung, aber letztendlich auch der Produzent aller anderen Energien. Auch alle fossilen Energieträger sind Produkte früherer Photosynthese, komprimierte Sumpfwälder. Und selbst der Mensch hat sich jahrtausendelang weitgehend innerhalb der Gesetze der Sonne bewegt. Die dramatische Wende kam erst mit der Industrialisierung: durch den Zugriff auf die fossilen Energien konnte erstmalig in der Erdgeschichte eine Art die Gesetze der Sonne durchbrechen und ihre Population gewaltig über das Sonnenlimit hinaus ausdehnen. Der Mensch konnte dies freilich nur, indem er die gespeicherte Sonnenenergie von Jahrmillionen in wenigen Jahrzehnten verbrauchte. Spätestens wenn diese Vorräte verbraucht sind, droht seine Überpopulation wieder in sich zusammenzubrechen – wie andere vorübergehende Überpopulationen vor ihm.

Dieses Zusammenbrechen ließe sich theoretisch aufhalten, wenn es gelänge, den jetzigen Verbrauch fossiler Energien durch Solarenergie zu ersetzen. Allerdings hat die Natur seinerzeit Jahrhunderttausende gebraucht, um mit Hilfe der Sonne die fossilen Energien anzuhäufen, die die Menschheit heute in einem einzigen Jahr verbraucht. Umgekehrt: Wollte der Mensch diese Menge an Solarenergie in einem Jahr einfangen, brauchte er dazu entweder die hunderttausendfache Fläche oder aber eine hunderttausendfach intensivere Ausbeute pro Fläche als seinerzeit die Sumpfwälder, die Kollektoren des Karbons. Beides lässt sich nicht denken. Selbst wenn es der Menschheit also eines Tages gelänge, mit einer gewaltigen technischen Anstrengung alle auf diesem Globus verfügbare Sonnenenergie nutzbar zu machen, könnte sie damit ihren heutigen Energieverbrauch auch nicht entfernt aufrechterhalten.

Es kann also nicht etwa zwischen Solarenergie und Einsparung gewählt werden. Vielmehr müssen beide Möglichkeiten mit äußerster Anstrengung vorangetrieben werden.

Das gilt selbst dann, wenn man mittelbare Möglichkeiten der Solarnutzung einbezieht, also Wind- und Wasserkraft oder die Verbrennung von Biomasse. Letztere wird vor allem durch die Begrenztheit der Ressource Boden eingeschränkt. In den letzten 10 Jahren sind 10 % der Böden dieser Erde unwiederbringlich verloren gegangen, d. h. ins Meer gespült worden. Boden ist aber eine unverzichtbare Ressource, weil nur er die Grundlage für Vegetation und damit für die Photosynthese liefert. Die Photosynthese ist aber der einzige Lieferant für den Brennstoff Nahrung. Die Verbrennung von Biomasse konkurriert also auf den immer knapperen Böden mit der Nahrungsproduktion. Auch die Steigerungsmöglichkeit durch Mineralvorräte für künstliche Düngung ist begrenzt und kann das Sonnenlimit allenfalls vorübergehend erweitern.

Die einzige vermutlich unschädliche Energie, die nicht nur auf Sonnenenergie zurückgeht, ist die Erdwärme. Ihre Nutzung verursacht fast keine Betriebskosten, aber hierzulande hohe Investitionskosten, weil die Bohrungen weitaus tiefer sein müssen als etwa in Island oder Neuseeland. Sie lässt sich nur in bestimmten Regionen mit bestimmten geologischen Voraussetzungen nutzen und überdies in Deutschland beim jetzigen Stand der Technik nur für Heizwärme, nicht zur Stromerzeugung. In Deutschland werden derzeit 20 Anlagen mit zusammen 40 Megawatt betrieben. Man rechnet mit einem möglichen Gesamtpotential von 20 000 Megawatt. Das entspräche einem Äquivalent von 17,5 Mio. t Erdöl pro Jahr.

Trotz ihres noch sehr geringen Anteils an der Stromerzeugung haben die alternativen Energien enorme Zuwachsraten. Sie könnten nach Rechnungen der Enquete-Kommission und namhafter Institute noch bei weitem höher sein, wenn sie mit einem Bruchteil der Gelder gefördert würden, die für die Steinkohle- und Atomwirtschaft aufgewandt wurden und noch werden. Auch die Stromwirtschaft erhält ja, ähnlich wie der Autoverkehr, auf kaltem Wege enorme Subventionen, einfach weil sie ihre Folgekosten nicht tragen muss: die Emissionsschäden an Gebäuden, Böden, Wäldern und Klima, die sich nach Rechnungen verschiedener Institute auf jährlich 70 Milliarden Mark belaufen. Gleichzeitig mussten allein in Bayern in den letzten 40 Jahren 6000 Wasserkraftwerke wegen der zu geringen Strompreisvergütung schließen. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft könnte in Deutschland mühelos von 22 auf 35 Milliarden Kilowattstunden gesteigert werden. Die zu schwerfälligen Stromkonzerne müssten ihre Angebotspalette strukturell erweitern und statt des Produkts »Strom« künftig zum Beispiel das Produkt »Warmes Haus« anbieten.

Es gibt also prinzipiell nur zwei Möglichkeiten: der Mensch passt sich dem Sonnenlimit wieder an, oder er versucht, sonnenunabhängige, atomare Energievorräte auf der Erde zu entfesseln. Alle anderen Wege führen in den Zusammenbruch nach Erschöpfung der fossilen Energien.

Die Nutzung von Atomenergie birgt die bekannten Risiken. Sie ist vor allem ein Eingriff in das empfindliche Gleichgewicht aus Energieeinstrahlung und Energieabstrahlung auf unserer Erde. Nur dieses Gleichgewicht ermöglicht zurzeit Lebenstemperaturen auf unserem Planeten als dem einzigen unter Milliarden. Sie werden vor allem gewährleistet durch die außergewöhnlich empfindliche Zusammensetzung, durch den Grad der Durchlässigkeit unserer Erdatmosphäre und deren Austauschvorgänge mit den Weltmeeren. Es waren Jahrmilliarden nötig, um dieses Gleichgewicht aufzubauen und einzupendeln. Sowohl die Nutzung der fossilen wie auch der atomaren Energien greift empfindlich in dieses Gleichgewicht ein. Der CO2-Ausstoß der fossilen Energien führt die Erde zum Teil in physikalische Zustände der Erdgeschichte zurück, wie sie vor der Ansammlung dieser Energien herrschten. Atomenergie wirft zwar kein CO2-Problem auf und erzeugt keinen Treibhauseffekt. Gleichwohl erhöht sie die Erdtemperatur. Bei Ausdehnung des Standards der Industrieländer auf die gesamte Weltbevölkerung würde sich die jährliche Durchschnittstemperatur um über 5° C erhöhen. Eine Erhöhung von nur 2° C entspräche den Temperaturverhältnissen im Tertiär – als an der Themse Verhältnisse wie am Nil herrschten. Niemand weiß, ob sich die Temperatur nur auf einem höheren Niveau einpendeln wird oder ob die zusätzlich erzeugten Energien nicht vollständig in den Weltraum abgestrahlt werden können und die Erdtemperatur deshalb immer weiter erhöhen werden. Hinzu kommen die bekannten anderen Risiken der Entsorgung und der Beherrschbarkeit. Auch sind die Uran-Vorräte so begrenzt, dass sich Investitionen in die Weiterentwicklung von uranabhängigen Technologien schon nicht mehr lohnen. Gleichwohl wird man vermutlich den Weg der Atomnutzung weiterbeschreiten, um den Verzicht auf überhöhte Standards und das Zusammenbrechen der Überpopulation zu verhindern.

Die Wasserstoffwirtschaft schließlich ist keine Form der Energie-Erzeugung, sondern nur eine Form der Energie-Speicherung. Sie macht lediglich den Energie-Verbrauch orts- und zeitunabhängig. Gerade deshalb ist sie aber für den Umstieg auf Solarenergie durch die Industrieländer von großer Bedeutung. Solarenergie kann in großem Umfang besser in südlichen Breiten gewonnen werden als in den gemäßigten Klimazonen der Industrieländer. In den südlichen Breiten stehen auch eher die erforderlichen großen Flächen zur Verfügung wie etwa Wüsten. Nur dort könnten solare Großkraftwerke errichtet werden, z. B. die relativ billigen Aufwindkraftwerke. Mit der so gewonnenen Energie könnte Wasserstoff hergestellt werden und auf Tankschiffen in die Industrieländer transportiert werden. Der Energieexport könnte dann zu einem Wirtschafts- und Entwicklungsfaktor gerade armer Wüstenländer werden. Absolut sauber ist die Energie allerdings nur, wenn Wasserstoff mit Sauerstoff verbrennt. Bei Verbrennung mit Luft fallen dagegen Stickoxyde an. Die Wasserstoffwirtschaft hat deshalb vor allem zwei Einsatzmöglichkeiten: beim Transport billiger Solarenergie aus südlichen Breiten in die Industrieländer und als saubere Antriebsenergie für Verkehrsmittel. Eine Möglichkeit, das Sonnenlimit zu sprengen, bietet sie nicht, nur die Möglichkeit der besseren Ausnutzung. Von der Notwendigkeit der Energieeinsparung entbindet sie nicht.

Die sogenannte industrielle Revolution war allein möglich, weil es erstmalig in der Erdgeschichte und vermutlich erstmalig in der Geschichte zahlreicher Galaxien gelang, das Sonnenlimit zu sprengen und vorübergehend auf gespeicherte Sonnenenergievorräte aus Jahrmillionen zurückzugreifen. Im Rückblick kann der Umgang mit diesen Jahrmillionen-Energien nur als leichtfertig und falsch bezeichnet werden. Es wäre besser gewesen, den daraus resultierenden, geschichtlich einmaligen Wohlstand gerechter zu verteilen und ihn so dazu zu benutzen, möglichst schnell zu einer gelassenen globalen Kontrolle der Bevölkerungsvermehrung zu gelangen. Diese nie wiederkehrende historische Chance wurde vertan.

Eine Beschränkung auf Solarenergie wäre also nur möglich, nachdem der Energieverbrauch von heute durch Einsparung auf einen Bruchteil reduziert worden wäre, vermutlich um mindestens 70 % auf 20 bis 30 %. Das Wichtige und Unverzichtbare ist also zuerst die Einsparung. Erst danach ist die Art der benötigten Restenergie von Bedeutung. Erst danach könnte diese überwiegend solar gewonnen werden.

Auch bei dieser wenig realistischen und nur sehr theoretisch denkbaren Annahme würde sich die Erde infolge des sogenannten »Nachlaufs« noch lange weiter erwärmen, das Klima weiter verändern. Diese Klimaveränderung ist zwar zurzeit noch quantitativ mit früheren, natürlichen, erdgeschichtlichen Klimaveränderungen vergleichbar. Jedoch haben sich die damaligen Klimaveränderungen in viel größeren Zeiträumen abgespielt. Die Geschwindigkeit heutiger Klimaveränderung, vor allem aber ihre Unaufhaltsamkeit hat durchaus schon die Größenordnung einer Katastrophe. Selbst bei einem (politisch nicht durchsetzbaren) völligen Stopp des CO2-Ausstoßes würde sich die Erde infolge der Trägheit der Vorgänge noch etwa 30 Jahre lang weiter erwärmen. So lange braucht das heutige CO2, um aufzusteigen und die Treibhaushülle von morgen zu bilden. Denn die Treibhaushülle von heute besteht aus dem CO2 von vor 30 Jahren und mehr Jahren. Auch ein heutiger, weltweiter völliger Stopp der FCKW-Produktion würde nicht verhindern, dass das Ozonloch noch lange weiter wächst, wenn auch gebremst.

Das Versprechen einiger Industrieländer auf der Umweltkonferenz in Rio ist also in zweifacher Hinsicht wertlos: es ist bei den herrschenden politischen Verhältnissen nicht durchsetzbar, und es wäre selbst im Fall einer Realisierung unzureichend und weitgehend unwirksam. Die Bundesrepublik Deutschland unterläuft ihr Versprechen überdies durch Verrechnungstricks mit der ehemaligen DDR. Wir müssen uns auf die Erderwärmung und Klimaveränderung mit allen Konsequenzen einstellen. Die Versicherungswirtschaft tut dies bereits: Rückversicherungen für Wirbelstürme sind nicht mehr zu haben. Die Katastrophen werden in immer schnellerer Reihenfolge stattfinden und immer näher kommen. Alle diese Entwicklungen haben freilich schon seit einiger Zeit begonnen:

– Verwandlung fruchtbarer Regionen in Wüsten (USA, Sahelzone)

– Ansteigen des Meeresspiegels und Verschwinden von Inselgruppen (Malediven) und küstennahen Regionen (Bangladesch)

– Erblinden und Aussterben von Landtierarten und Flussfischen im südlichen Südamerika und Neuseeland infolge von zu hoher UV-Strahlung (Ozonloch).

Die politische Reaktion ist nicht vorauszusagen. Vermutlich wird man aber den Katastrophen Vorteile andichten und sie in den Medien als Unterhaltung präsentieren. Man wird den Ausbau der Atomkraft forcieren, weil man das Übel der Klimafolgen noch immer für geringer hält als den Verzicht auf gewohnten, wirtschaftlichen Standard. Selbst ein solcher schädlicher Ausbau ließe sich aber nur auf Kosten der Entwicklungsländer realisieren, weil ein weltweiter Ausbau zu einem völligen Klimacrash führen würde. Politisch legitimierbar ist ein solches Fortbestehen der Ungleichheit nicht. Da die »Dritte« Welt grundsätzlich Anspruch auf den gleichen Standard hat wie die »Erste«, ist nur ein Verzicht der »Ersten Welt« politisch legitimierbar.

Weder Hütten noch Paläste

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