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RETTICH FÜR DIE ARMEN. GESELLSCHAFTLICHE UNTERSCHIEDE

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Glauben wir der späteren Überlieferung, so hätte es in der älteren römischen Republik eine Zeit gegeben, die keine gesellschaftlichen Unterschiede in der Ernährungsweise kannte.18 Auch ein Staatsmann und Feldherr wie Curius Dentatus (gest. 270 v. Chr.) setzte – so behauptet der kaiserzeitliche Satiriker Juvenal – „das bisschen Kohl, das er in seinem kleinen Garten selbst geerntet hatte, auf einen schmalen Herd“ (Juvenal 11, 78 f.). Das klingt zwar sehr nach einer frommen Legende; aber widerlegen lässt es sich nicht. Fest steht nur, dass sich in der späteren Republik und in der Kaiserzeit zwischen der Ernährung der Armen und der Haute Cuisine der Reichen eine tiefe Kluft auftat. Delikatessen wie etwa der Pfau, über den der Dichter Horaz das dann zur Redensart gewordene Wort vom „raren Vogel“ gesagt hat, waren kleinen Leuten nicht erschwinglich. Während eine Familie aus Pompeji, von der sich inschriftlich eine Art von Auszug aus ihrem Haushaltsbuch erhielt, täglich etwa zwei Sesterze kaiserzeitlicher Währung ausgeben konnte (wovon sie zum Beispiel ein Viertel für einen „kleinen Fisch“ aufzuwenden hatte), gab es extravagante Reiche, denen eine Fischdelikatesse 6000, 7000 oder 8000 Sesterze wert war – genug also, um die ganze Lebenshaltung der erwähnten Pompejaner für einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren zu finanzieren. Freilich ging es den Spitzen der Gesellschaft beim Einkauf für die Küche nicht allein um Qualität, sondern zum Teil schon um das gleiche Anliegen, das der amerikanische Ökonom Thorstein Veblen später „demonstrativen Konsum“ nennen sollte; d. h., ihre Nachfrage galt gerade den teuersten Gütern, weil sie so ihre wirtschaftliche Potenz demonstrieren wollten.19


Abb. 9 Noch einmal der Grabstein aus Abb. 8. Diesmal sitzen Kinder beim Essen. Einer der beiden Sklaven rechts will einen Hund daran hindern, mitzuhalten.


Abb. 10 Tonlampe mit der Darstellung einer „Hauptmahlzeit“ (cena) eines Armen. Da die antike Hauptmahlzeit abends stattfand, war das ein passendes Bildmotiv für eine Lampe. Kunsthistorisches Museum Wien.

Von den Rezepten des sogenannten Apiciuskochbuchs gehören einige dieser demonstrativen, aber auch die meisten übrigen gewiss einer gehobenen Küche an. Sie ist uns dadurch wesentlich besser bekannt als die Ernährungsweise der ärmeren Menschen der Kaiserzeit. Kochbücher hat die Unterschicht der damaligen Gesellschaft eher nicht benötigt; was sie brauchte, waren eher einfache Nahrungsmittel (wie grobes Brot, Brei und Gemüse).

Zwar bewirkten Einladungen, die üblicherweise Reiche für eine ärmere Klientel aussprachen, und das Angebot von Imbissbuden eine gewisse Versorgung Ärmerer mit warmen Mahlzeiten und Fleischprodukten. Aber nicht jeder kam häufig in den Genuss solcher Gerichte. Eine Tonlampeninschrift (Abb. 10) drückt das mit den Worten „Die Hauptmahlzeit eines Armen: (das ist) Brot, Wein und Rettich“ aus.20 Alle drei Nahrungsmittel – Brotfladen, Weinflasche und Rettich – sind auf der Lampe auch abgebildet. Freilich stecken sie da in einem Bastkörbchen und zusammen mit einer Serviette so appetitlich beieinander, dass sich das Bedauern für den römischen Armen gar nicht so recht einstellen will.

Gewürze aus dem Alten Rom

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