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RÖMISCHES KOCHEN: EINE MODE

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Bedenklich wird es aber oft auch, wenn Aktivisten der Lebendigen Geschichte ein anderes ihrer Lieblingsthemen in Angriff nehmen: nämlich wenn sie zum Kochlöffel greifen, um so zu backen, zu kochen und zu essen wie beispielsweise die alten Römer. Dieses „römische Kochen“ ist – nach einer langen Zeit der Skepsis gegenüber der Nachkochbarkeit antiker Gerichte und nach bescheidenen Anfängen um die Mitte des vergangenen Jhs. – inzwischen zu einer wahren Mode geworden. Nicht nur, dass es zum Programm von Festen in Archäologischen Parks, Museen und Schulen gehört. Viel mehr als das: Spezielle Produkte römischer Küche kann man heute schon im Versandhandel erwerben; Gasthäuser, Cateringdienste und selbst ein bayerischer Ausflugsdampfer kochen nach erhaltenen antiken Rezepten; der Komponist Jan Novák hat einige davon sogar vertont; es gibt allenthalben Ausstellungen, Vorträge, Kurse und Lehrveranstaltungen zum Thema. Auch die Zahl der Bücher und Filme, die sich damit beschäftigen, wächst ständig und hat längst die Hundert überschritten; und die Zahl der einschlägigen Einträge im Internet ist inzwischen sechsstellig.1

Um aber auf dem Gebiet der antiken römischen Küche gut und erfolgreich zu sein, bedarf es einiger Vorkenntnisse; und das heißt: Es bedarf einer zumindest gewissen Schulung oder eines sorgfältigen eigenen Einarbeitens. Daher ist beim Kochen und Essen nach Römerart die Gefahr besonders groß, dass es sich nur um reinen Klamauk und nicht um eine halbwegs authentische Rekonstruktion der antiken Realität handelt. Tatsächlich wird denn auch vieles als antike „römische Küche“ bezeichnet und angeboten, was in Wirklichkeit wenig oder nichts damit zu tun hat. Die Gründe dafür sind verschieden: Unkenntnis gehört dazu; ein unbesorgt-unwissenschaftlicher Umgang mit den Fakten und dem Recherchieren; das selbstherrliche Kreieren von Produktvarianten, bei denen das Originalrezept nur als Vorlage für freie „Variationen eines Themas“ gedient hat; und die Verwendung der Bezeichnung „römisch“ aus bloßem Marketinginteresse. Von den Blüten, die dieses Unwesen treibt, sei hier nur das Beispiel eines neueren deutschen Schulbuchs erwähnt, das den Kindern – zur Auflockerung des Geschichtsunterrichts – ein Rezept für einen angeblich römischen Cocktail mit Grapefruitsaft und mit einer am Rand klemmenden Zitronenscheibe empfiehlt. „Dieses würzige Getränk“, heißt es dazu, „durfte bei keiner römischen Abendgesellschaft fehlen“.2 Tatsache ist aber, dass es in Rom weder dieses Getränk gab; noch überhaupt die Grapefruit; noch – soweit uns bekannt ist – Cocktails mit Zitronenscheiben am Rand.

Da also ernsthaftes römisches Kochen bestimmte Kenntnisse voraussetzt und da in so vielen Fällen Ergebnisse angeboten und Behauptungen gewagt werden, die einer Überprüfung nicht standhalten, scheint eine Einführung in Grundlagen der römischen Küche nützlich. Die Mühe, die es machen mag, sich Grundkenntnisse zu erwerben und römische Gerichte möglichst authentisch zuzubereiten, sollte die Freude des Kochens und Essens nicht mindern.

Zu erproben, wie das Ergebnis seriös betriebener küchengeschichtlicher Experimente ausfällt, hat einen Hauch von Abenteuer an sich. Es ist ja faszinierend, dass uns eine große Zahl erhaltener antiker Koch- und Backrezepte in die Lage versetzt, zu schmecken und zugleich zu riechen, was einst die Römer gerochen und geschmeckt haben. Die Erzeugnisse ihrer Köche und Bäcker waren zwar (von nicht mehr genießbaren Speisefunden abgesehen) Augenblicksgebilde; wir können sie aber durch Befolgen der Rezepte wieder zum Leben erwecken.

Diese Wiederbelebung der römischen Küche ist nicht nur historisch interessant. Sie lohnt die Mühe auch kulinarisch. Allerdings: die Küche, die wir so kennenlernen, wirkt entschieden fremd auf uns. Aber Interesse an kulinarischer Exotik liegt ja im Trend der Zeit; und die Erkenntnis der Fremdheit bedeutet eine gar nicht unwichtige Erfahrung. Gewiss ist sich der Kenner der Geschichte manchmal viel zu sicher, „seine“ Antike gut zu kennen. Wir sollten uns hier dankbar verunsichern lassen und besser in den Blick bekommen, dass uns das Altertum nicht nur sehr nah, sondern zugleich doch auch sehr fremd ist.

Wenn wir uns auf die römische Küche einlassen wollen, dann müssen wir sie also in ihrer Fremdartigkeit akzeptieren und dürfen nicht etwa beginnen – wie das manche tun – aus den erhaltenen Rezepten die uns exotisch scheinenden Details zu streichen oder ungewohnte Zutaten durch gewohnte zu ersetzen. Das Ergebnis dieser Zensur wären angeblich antike, aber ihres wahren Charakters beraubte Gerichte.

Gewürze aus dem Alten Rom

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