Читать книгу Gewürze aus dem Alten Rom - Günther Thüry - Страница 18
ZUBEREITUNG:
ОглавлениеEINEN TOPF MIT WASSER FÜLLEN UND SO VIEL SALZ BEIGEBEN, DASS EIN HINEINGEWORFENES EI OBENAUF SCHWIMMT. DIE FISCHE IN DIE SALZLAKE LEGEN UND OREGANO HINZUFÜGEN. DANN SO LANGE KOCHEN, BIS DER FLÜSSIGKEITSSPIEGEL BEGINNT, ETWAS ABZUSINKEN. ABKÜHLEN LASSEN UND DURCHSEIHEN; AM BESTEN DURCH EIN TUCH. DABEI WIRD EINE HELLGELBE BIS HELLBRAUNE, BIS AUF FEINE SCHWEBSTOFFE KLARE FLÜSSIGKEIT GEWONNEN. SIE IST DAS GARUM (ABB. 15). IN FLASCHEN ABGEFÜLLT, HÄLT SIE SICH SEHR LANGE. SIE RIECHT FÜR EIN FISCHPRODUKT NICHT ALLZU AUFDRINGLICH UND EIGNET SICH GUT ZUM WÜRZEN.
Der beim Abseihen des garum im Tuch verbleibende Rückstand (aber offenbar auch schon die Fischmasse vor dem Filtrieren) hieß (h)allec oder (h) allex. Im Gegensatz zum klaren garum besteht das allec hauptsächlich aus den Tierkörpern, die allerdings – abgesehen vom Skelett – bei der Herstellungsprozedur weitgehend zerfallen sind (Abb. 16). Auch nach dem Abseihen des garum sondern sie immer noch etwas Flüssigkeit ab. Verwendet wurde allec ebenfalls als Würzstoff (Tab. 1, 51). Außerdem diente es aber als selbständiger Speiseartikel, der freilich sehr salzig schmeckt und eine reichliche Menge Gräten enthält. Sie sind jedoch weich und ebenso essbar wie die zarten Knöchelchen im heutigen Couscous.
Abb. 15 Nach antikem Rezept hergestelltes garum.
Selten gibt es ein Thema, bei dem auch noch der neuesten wissenschaftlichen Literatur so viele offenkundige Fehler unterlaufen wie bei garum und allec. Ein Teil dieser Irrtümer betrifft schon die Natur der beiden Produkte. Beispielsweise werden Fischrestchen aus antiken Gefäßfunden immer wieder als garum-Rückstände erklärt (obwohl ja garum keine Fischteile enthielt); garum wird für „probably quite thick“ gehalten (während es in Wahrheit dünnflüssig ist); oder eine Autorin nennt garum unzutreffend „ein Fäulnisprodukt aus Abfällen“.43
Krasse Fehlurteile betreffen aber auch Geschmack und Bekömmlichkeit von garum. Während die einen schreiben, man kenne seinen Geschmack nicht, versichern andere etwa, es ließe „unsere Mägen wahrscheinlich revoltieren“, sei ihnen „wohl kaum zuträglich“ und würde uns „die römische Küche vermutlich schnell verleiden“. Eine amerikanische Autorin formulierte, garum sei „wahrscheinlich eine genau so gute monokausale Erklärung für den Untergang Griechenlands und Roms wie jede andere“; und der britische Schriftsteller und Politiker Boris Johnson verstieg sich sogar dazu zu behaupten: garum sei „wirklich ekelhaft, fast radioaktiv … Jeder im Imperium aß dieses Zeug, obwohl es hochgiftig war“. Kulinarischer und medizinischer Überprüfung hält keine dieser Aussagen stand.44
Warum sich so viele Autoren falschen, ja unsinnigen, Spekulationen hingeben, obwohl die überlieferte „Hausmacher-Variante“ des garum doch mit nur „etwas Liebe und Geduld“ (G. und M. Faltner) leicht zuzubereiten ist und Klarheit schaffen kann, bleibt unerfindlich. Aber nicht einmal derjenige Forscher, dem wir die grundlegende Untersuchung über garum verdanken – nämlich Robert Irvin Curtis – hat zum archäologischen Experiment gegriffen und das Produkt, über das er schrieb, selbst hergestellt. Selbst er macht sich über den vermutlichen Geruch der Fischsauce unnötige Gedanken und siedelt ihn im Zweifel, je nach Qualität des Erzeugnisses, zwischen Limburgerkäse und Schlimmerem an.45 In Wahrheit hat aber garum mit Limburgerkäse nichts gemein. Es duftet überhaupt nur recht dezent; und der Fischgeruch, der bei seiner Zubereitung in der Küche entsteht, hat sich rasch verzogen.
Berechtigte Vorbehalte gegenüber garum und allec ergeben sich allenfalls auf einem Hintergrund, der von der Forschung bisher noch kaum gesehen wurde. Dieser Hintergrund ist die Produktqualität antiker Industrie-Fischwürzen, die nicht immer zufriedenstellend war. Wir wissen das durch den bisher einzigen genau untersuchten Fund eines allec-Restes aus Mitteleuropa.46 Diese von Johannes Lepiksaar analysierte Fischkonserve kam in einer römischen Amphore aus Salzburg zutage. Der Rückstand ihres Inhalts setzte sich hauptsächlich aus den Relikten von 24 mediterranen Fischarten zusammen (darunter überwiegend Sardinen und Sardellen). Daneben fanden sich aber auch Reste der kulinarisch uninteressanten Seenadeln, ein verirrter Laubfrosch, Muschelstückchen und viel Strandkies. Das stellt zwar der Geschäftstüchtigkeit des antiken Produzenten ein gutes Zeugnis aus; nicht aber seinem Qualitätssinn.