Читать книгу Briefgeschichte(n) Band 1 - Gottfried Senf - Страница 12
Geithain, 31.12.90
ОглавлениеLieber Herr Sommer,
so „zwischen den Jahren“ ist endlich mal etwas Zeit, um Briefschulden zu tilgen. Herzlichen Dank für Ihren Brief vom 8. Dezember d. J. und besonders für die Materialien zu Paul Guenther. Sie helfen uns sehr bei der Vervollständigung des Persönlichkeitsbildes dieses Mannes, dem Geithain so viel zu verdanken hat. Ich freue mich, dass Sie uns weiter unterstützen möchten und im Frühjahr in Dover an Ort und Stelle Weiteres erfahren werden. In einer Anlage zu diesem Brief sind einige konkrete Fragen formuliert. Der Geithainer Heimatverein und ich persönlich danken schon jetzt für die Bemühungen.
Im vorletzten Brief baten Sie mich, einige Recherchen zu Herbert Kopp einzuholen. Ich habe leider bisher noch nichts Schriftliches auffinden können. Eine Reihe Geithainer erinnert sich aber sehr deutlich – und es sind durchweg keine guten Erinnerungen. Kopp hatte den Spitznamen „der Leutnant“. Viele erinnern sich, dass er sich als ganz schäbiger „Entnazifizierer“ aufgespielt hat. Er ging nicht durch Geithain, sondern machte seine Streifzüge hoch zu Ross durch die Stadt. Er hat vielen Leuten übel mitgespielt. Meine Schwiegermutter Elsbeth Ladegast – die Ehefrau von Hans Ladegast, der bereits 1941 gefallen ist, in den 30er Jahren aber in Geithain ziemlich bekannt war – erinnert sich, dass sie Herrn Kopp eine detaillierte Aufstellung über den Besitzstand ihres Mannes, bis hin zu persönlichsten Dingen, liefern musste. Kopp war wohl in den ersten Monaten nach 1945 so etwas wie der Stadtpolizeirat von Geithain. Manche sagen wieder, er hätte sich das nur angemaßt. Lange dauerte der Kopp- Spuk wohl auch nicht, denn nach 1947 hört man nichts mehr von ihm. Herbert Kopp hatte vor 1945 eine Tochter der Familie H. geheiratet. Deren Bruder, also Kopps Schwager, heißt Ehrhardt H., lange Zeit auch im Polizei-Kreisamt tätig. Er lebt als Rentner in Geithain. Ich kenne ihn nur vom Ansehen.
Lieber Herr Sommer, das Schlimmste über Kopp habe ich von Ihrem Cousin, Herrn Dr. Sommer aus Ulm, Direktor der dortigen Industrie- und Handelskammer, gehört. Ich habe mich letztens sehr ausführlich mit ihm unterhalten können, denn er war Gast unseres Landrates. Zwischen dem Alb-Donau-Kreis und dem Kreis Geithain bestehen seit der Wende ziemlich enge Beziehungen. Ihr Cousin sagte, Kopp wäre direkt schuld am Tode Ihrer Mutter. Stimmte es, dass Kopp sie in den Bauch getreten hat? Es wäre wohl überhaupt einmal an der Zeit, einige Details über die Wochen und Monate unmittelbar nach 1945 zusammenzustellen. Ich weiß jetzt nicht, ob Sie es mir schon geschrieben hatten. In welches Lager ist Ihr Vater nach 45 eingeliefert worden? Wie lange war er dort und waren andere Geithainer mit ihm zusammen?
Bei dem Gespräch mit Ihrem Cousin habe ich viel über die Familiengeschichte der Sommers erfahren. Ich dachte immer, dass „der Sommerhof“ für die Geithainer Gegend ein feststehender Begriff sei, weil die Sommers schon seit mehreren Generationen hier lebten. Dabei ist Ihr Vater, wohl aus dem Vogtland kommend, der erste Sommer gewesen. Wissen Sie, wer vor Ihnen den Sommerhof besessen hat?
Nun muss ich noch einmal auf den Namen Kopp zurückkommen. In Geithain gibt es ihn nicht mehr. Aber in Tautenhain kenne ich eine Frau Kopp, die nach 1945 geheiratet hat. Der bewusste Herr Kopp hatte aber, jedenfalls nach jetzigem Kenntnisstand, keinen Sohn. Der Name Kopp taucht nun noch ein drittes Mal auf. Das wird Sie besonders berühren, da Sie mir einmal mitteilten, dass Ihre Eltern freundschaftliche Kontakte zu Angers auf dem Rittergut in Ottenhain hatten. Frau Anger war eine geborene Frau Kopp. Ich weiß, dass die Kopps seit etwa 1820 das Rittergut besaßen. Ob nun Herbert Kopp ein Nachfahre jener Kopps ist, weiß ich noch nicht. Mitunter kommen bei solchen Nachforschungen kuriose oder tragische Kombinationen zum Vorschein. Wenn Sie einverstanden sind, gehe ich den Kopp-Spuren weiter nach.
Nochmals vielen Dank für Ihre Unterstützung in Sachen Paul Guenther! Für 1991 wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau alles Gute, besonders eine stabile Gesundheit und viel Freude an vielem. Sollten Sie einmal wieder nach Geithain kommen, würde ich mich sehr freuen, wenn wir uns zu einem persönlichen Gespräch treffen könnten.
Mit den besten Grüßen und Wünschen verbleibe ich
Ihr G. Senf