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Cassie

“So feucht, Cassie. Ist das alles für mich?” säuselte er.

Ich wusste zwar nicht, ob die Feuchte zwischen meinen Schenkeln für ihn gedacht war, aber er war sicherlich der Grund dafür. Ich hatte mich noch nie so aufgeführt. Nie hatte ich zugelassen, dass ein anderer Mann außer Charles mir mehr anbot als einen einfachen Handschlag. Ganz bestimmt würde ich nie einem Mann jene Freiheiten zugestehen, die ich gerade Herrn Maddox zugestand. Und natürlich hatte ich mich nie so gefühlt, wie wenn er mich anfasste.

Nein. Das war Wahnsinn! Es kam mir vor, als ob er mich schon zuvor geküsst und Hand angelegt hatte, aber das hatte er nicht. Bis zum Abendessen hatte ich ihn überhaupt noch nie gesehen. Es war ein Traum—vier Nächte hintereinander derselbe Traum—, aber sie waren so real gewesen, so wirklichkeitsnah. So wunderbar.

Und jetzt stellte ich fest, dass die Berührungen vom echten Herrn Maddox noch so viel besser waren.

“Ich bin nicht der Erste, der dich berührt, oder, Cassie?” Sein Atem fächelte über meinen Hals und ich neigte den Kopf zur Seite.

“Nein. Mein Ehemann Charles.” Als Herr Maddox sich darauf verkrampfte, sprach ich weiter: “Er ist vor drei Jahren gestorben.”

“Mit ihm hat sich aber nicht so angefühlt, oder?”

Ich schüttelte den Kopf, leckte mir die Lippen. “Nein,” entgegnete ich.

“Ich bin der Einzige, der dich zum Glühen bringen kann, Cassie. Wir sind markierte Partner. Dein Ehemann mag dich zwar als Erster genommen haben, aber dein Körper kennt die Wahrheit. Niemand sonst wird dich von jetzt an anrühren, niemand außer mir.”

“Niemand,” sprach ich ihm nach, als er die Finger herauszog und wieder hineinstieß.

“Diese Pussy gehört mir,” knurrte er. “Du gehörst mir. Jeder zarte Schrei, jede weiche Rundung deines Körpers, jeder Tropfen Begrüßungssaft an meinen Fingern gehört mir. Sag es, Cassie.”

“Ich … verstehe das nicht.”

Er stieß ein missbilligendes Grunzen aus und krümmte an irgendeiner magischen Stelle in mir die Finger. “Da gibt’s nichts zu verstehen, Liebling. Ich habe dich gefunden. Du gehörst mir.”

“Dir? Aber du weißt doch gar nichts über mich.”

“Ich weiß genug.”

Er zog erneut seine Finger zurück, dann stieß er sie noch tiefer in mich hinein, als ob er seinen Worten Nachdruck verleihen wollte. Seine Gesten waren ein bisschen rauer als zuvor und ich rieb meinen Körper an seiner Hand und ging auf die Zehenspitzen, weil seine Macht über meinen Körper mich so überwältigte. Ich konnte nicht mehr klar denken, als seine Finger mich eroberten, sein Mund auf meinem lag.

Er zerdrückte meine Lippen und seine Zunge drang in mich ein, als hätte sie ein Recht auf alle meine Geheimnisse, jede meiner Fantasien, während seine Finger in einem atemberaubenden Rhythmus in meine Pussy pumpten. Ich konnte das feuchte Schmatzen meiner Erregung hören und eigentlich hätte ich mich schämen müssen, aber es fühlte sich so gut an. Ich wollte mehr. Ich brauchte—mehr. Irgendetwas mehr.

Dann riss ich meine Lippen von seinen und versuchte wieder zur Vernunft zu kommen, allerdings steckten seine Finger weiter in mir drin und meine Arme waren über meinen Kopf gestreckt, als wäre ich eine heidnische Opfergabe und er der Gott. “Ich verstehe das nicht. Warum … warum?”

“Mein Name ist Maddox. Sag es.” Seine Finger zogen zurück, um über meine Falten zu streichen und plünderten nicht länger mein Innerstes, sondern umkreisten jetzt das begierige Bündel Nerven dort. Er sollte mehr mit mir machen und ich winselte. Ich wollte die Leidenschaft und die süße Erleichterung, die ich in meinen Träumen erfahren hatte.

“Maddox.”

“Soll ich aufhören?”

“Nein!” Der Einwand kam mir über die Lippen, noch ehe ich über eine Antwort nachdenken konnte.

“Ich weigere mich, dich hinter einem Hühnerhaus zu nehmen. Aber das heißt nicht, dass ich nicht deinen süßen Geschmack erkunden kann.”

Ehe ich etwas sagen konnte, ließ er auch schon meine Hände los und ging vor mir auf die Knie. Eine Hand hielt mein Kleid hoch, sodass er mich betrachten konnte.

“Was für eine hübsche Pussy.” Mit den Knöcheln seiner freien Hand strich er über meine weichen Locken, dann legte er die Hand auf meinen Innenschenkel und drängte meine Beine weiter auseinander.

“Maddox,” hisste ich. “Was … was machst du da?” Ich blickte nach links und rechts, denn plötzlich war ich leicht beunruhigt.

Sein Grinsen aber ließ mich alle Sorgen wieder vergessen. “Dein Ehemann hat nie den Mund bei dir aufgelegt, oder?”

Ich schüttelte den Kopf. “Warum sollte er—”

Ein flüchtiger Zungenschlag über mein geschwollenes Fleisch und die Frage war vergessen. Ich biss mir die Lippe.

“Ein Mann legt hier den Mund auf, Liebling, weil es dir Vergnügen bereitet. Und weil ich den Rest der Nacht deinen Geschmack auf der Zunge haben möchten.”

Geschickte Finger schoben meine Schenkel auseinander, aber seine Daumen waren es, die mein weibliches Fleisch auseinander spreizten. Er beugte sich vor, sog meinen Duft ein und stürzte sich praktisch auf mich. Er leckte mich aus wie seine Lieblingsspeise.

Meine Hände wanderten von der Wand in sein dunkles Haar und verhedderten sich in seinen langen, kräftigen Strähnen.

“Oh Gott,” hauchte ich und schloss die Augen.

Das hier war so verdorben, so erotisch. Maddox war ein Wildfremder und doch kniete er jetzt vor mir nieder und leckte meine … gütiger Himmel.

“Schh, leise, deine Laute sind nur für mich.”

Ich wimmerte, als seine Zunge über das Bündel Nerven schnippte, das ich manchmal bis zur Erfüllung rieb. Aber wenn ich im Bett gelegen und mich selbst angefasst hatte, hatte es sich nie so angefühlt.

Seine Finger schlüpften wieder in mich hinein und ahmten jene Bewegung nach, die sein Schwanz letzte Nacht im Traum in mir gemacht hatte. “Du wirst jetzt kommen, Cassie. Komm, für mich.”

Einmal, zweimal schnippte er mit der Zunge und krümmte gleichzeitig die Finger. Ich schmiss den Kopf in den Nacken und presste die Hüften in sein Gesicht. “Ja!” Ich keuchte, als die Erleichterung mich überkam. Es war wie der Tornado, der letzten Sommer die Nachbarstadt verwüstet hatte. Unbändige, turbulente Winde, die niemand überleben konnte. Ich war verloren; gefangen in den Gefühlen, die Maddox so dekadent meinem Körper entlockte.

Ich konnte spüren, wie meine inneren Wände sich um seine Finger kräuselten. Er pumpte weiter aus und ein, aber sein Tempo war jetzt langsamer geworden und sein energisches Lecken ebbte ab und wandelte sich in zarte Küsse.

Meine Haut war schweißgebadet, mein Körper weich und nachgiebig. Hätten nicht seine Hände auf meinen Hüften gelegen, dann wäre ich zusammengebrochen. Langsam öffnete ich die Augen und grinste. Ich grinste auf das Gesicht hinab, das mir so neu und doch so vertraut vorkam. Als er mein Lächeln sah, grinste er ebenfalls. Eigentlich hätte ich mich schämen müssen, als meine Erregung auf seinen Lippen und seinem Kinn glitzerte, aber dank ihm hatte es sich so gut angefühlt, dass ich mir keine Gedanken darüber machte.

Ich ließ seine Haare los, seufzte, und versuchte meinen rasenden Herzschlag wieder zu beruhigen.

“Maddox—”

“Cassie!”

Diesmal war es nicht Maddox’ Stimme, die meinen Namen rief. Es war Herr Anderson und ich erstarrte wie ein Kaninchen. Ich war zu verängstigt, um mich zu rühren oder ein Geräusch von mir zu geben.

Maddox’ Finger hielten inne, er zog sie aber nicht zurück.

“Cassie!” rief Herr Anderson erneut. Ich konnte mir regelrecht vorstellen, wie er auf der Hinterveranda nach mir Ausschau hielt und mit zusammengekniffenen Augen in die Prärie starrte, um mich zu finden und wie er nach meiner Antwort lauschte. Ich war aber nicht in der Prärie. Ich war mit hochgekrempeltem Kleid und heruntergelassener Hose gegen den Hühnerstall genagelt und vor mir kniete ein Mann.

“Ich komme gleich!” brüllte ich etwas zu laut, aber ich wollte keinesfalls riskieren, dass mein Boss womöglich neugierig wurde und aus dem Haus kam, um nach mir zu suchen. “Ich muss den Abwasch machen,” fügte ich für Maddox hinzu.

Seine Finger glitten aus mir heraus und ich stöhnte, als ich die Leere spürte. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, es war lang und dick. Am liebsten wollte ich nochmal mit den Fingern hindurchstreichen und bewundern wie weich es war. Jetzt blieb aber keine Zeit dafür, denn Herr Anderson könnte nochmal nach mir rufen, wenn ich mich nicht beeilte. Vielleicht würde er mich sogar suchen kommen. Die Vorstellung, wie er Maddox auf den Knien vor mir hockend entdecken könnte während meine Säfte seine Finger und sein Gesicht bedeckten, wirkte wie ein Eimer Flusswasser nach der Schneeschmelze über den Kopf.

Anstatt mir wieder in meine Unterhose zu helfen, zwang er mich erst ein Bein und dann das andere zu heben, um mich von ihnen zu befreien. Als er die weiße Unterwäsche in der Hand hielt, sprach er: “Die behalte ich.”

“Aber—”

“Damit du mich nicht vergisst, während du deine Arbeit beendest.” Vornehm, wie ein edler Lord hob er meine Hand an seine Lippen und verpasste ihr einen weichen, ausgiebigen Kuss, genau über meinem Geburtsmal. Die Geste bewirkte, dass mir ganz heiß wurde und ich vor Schwindel fast ohnmächtig wurde.

Fast wäre ich gestolpert, aber er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. “Wir sehen uns später, Cassie. Heute Nacht werde ich in deinen Träumen zu dir kommen und diesmal wirst du beim Ficken mein Gesicht sehen. Morgen wirst du wieder in meinen Armen liegen, das verspreche ich.”

Er trat zurück und ließ mich zurück ins Haus gehen, um meinen abendlichen Pflichten nachzukommen. Die Arbeit machte mir jetzt so gar nichts aus, denn ausnahmsweise war ich gründlich befriedigt worden und hatte einen gutaussehenden Mann—und äußerst geschickten Liebhaber—, an den ich denken konnte.

Und in dieser Nacht, ich lag alleine im Bett, fand er mich in meinen Träumen. Wieder wachte ich mit hochgeschobenem Nachthemd auf, aber diesmal lag meine Hand zwischen meinen Schenkeln und zwei Finger steckten in mir drin. Nie, aber auch nie hatte ich so etwas gemacht, aber ich war dermaßen feucht und leer, dass ich mich selbst nochmal zum Orgasmus streichelte und die Hüften wild übers Bett schob. Ich wollte mehr als meine eigenen Berührungen, denn im Traum waren nicht nur Maddox’ Finger in mich eingedrungen, sondern sein … Schwanz.

Im Traum hatte er gesagt, dass er heute zu mir kommen würde, dass er mich in die Arme nehmen und mich für immer erobern würde. Er hatte seinen Schwanz an mir gerieben und ich hatte ihn gewähren lassen, denn ich wollte alles, was er mir zu geben hatte. Und jetzt, als ich aufgewacht war und mich an seine Worte erinnerte, hatte ich keinen Zweifel daran, dass er sein Versprechen halten und mich so lange ficken würde, bis ich um Erlösung flehen würde.

Ich habe dir versprochen dich zu finden, dich zu nehmen, dich zu erobern. Er hatte sogar gesagt, dass er mich zu seiner Partnerin machen würde. Das war es, was mich irritierte. Er hatte Partnerin gesagt. Nicht Ehefrau oder Geliebte, nein, Partnerin.

Ich war eine Frau, keine Hündin.

Einmal aufgewacht konnte ich nicht mehr einschlafen und ich fürchtete, dass ich wohl nie mehr zur Ruhe kommen würde. Als der Morgen graute, stieg ich aus dem Bett und kleidete mich zügig an, entschied mich aber gegen mein geliebtes blaues Kleid, denn es würde mich zu sehr an gestern erinnern, an ihn.

Ich hatte nur zwei Kleider, also schlüpfte ich in meine ausgeblichene gelbgrüne Arbeitstracht, ging auf Zehenspitzen die Hintertreppe runter und achtete darauf nicht auf die knarrende Stelle auf der vierten Stufe zu treten. Ich ging durch die Hintertür nach draußen und machte sie leise wieder zu. Erst dann atmete ich durch.

Meine Arbeitsschuhe standen beim Hintereingang und ich schlüpfte in das vertraute Leder. Der Himmel war immer noch finster, aber die Vögel zwitscherten bereits und die Morgendämmerung war nah. Die kühle Luft war eine Wohltat für meine aufgeheizte Haut und meine feuchten Schenkel, allerdings vermochte sie nicht meine Sehnsucht nach Maddox zu dämpfen. Ich verstand es nicht, dieses … verzweifelte Bedürfnis bei ihm zu sein, ihn anzufassen, ihn in meiner Nähe zu wissen.

Eigentlich hätte ich mich dafür hassen sollen. Ich war Witwe und ich sollte etwas Anstand und ein gewisses Maß an Tugend haben, auch wenn ich natürlich mit Charles das Bett geteilt hatte. Jetzt aber war ich alles andere als züchtig, ich hatte mich irgendwie in eine lüsterne Dirne verwandelt, die mal eben einen Wildfremden an sich ran ließ—Maddox hatte mich regelrecht überrannt—, um ihren Spaß zu bekommen. Es war unerklärlich. Wahrhaftig. Aber es war mir egal. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich einfach nur gefühlt, einfach gelebt, ohne mich zu fragen, was die anderen wohl denken würden oder aufs reine Überleben fixiert zu sein. Ausnahmsweise war ich wie beschwingt, denn Maddox wollte mich.

Keine der Frauen, die ich in der Stadt kannte, hatte davon gesprochen, dass sie vor der Hochzeit davon geträumt hatten mit einem Mann das Bett zu teilen. Ich hatte noch nie von so etwas gehört. Verheiratete Frauen sprachen zwar nicht oft über das, was sich in ihren Ehebetten abspielte, aber sie redeten. Und keine hatte versaute gemeinsame Träume erwähnt. Keine hatte je erwähnt von einem Mann zu träumen und ihn dann wie durch Zauberhand auch zu treffen. Und schon gar nicht erzählten sie davon, wie geschickt ihr Mann mit Händen, Mund und Schwanz war. Sie hatten erwähnt, dass sie einfach still dalagen und es über sich ergehen ließen; nicht, dass sie dermaßen feucht wurden, dass sie ihre eigene Erregung hören konnten und die Luft nach ihnen roch, wenn sie mit Fingern und Zunge zum Höhepunkt gebracht wurden.

Keine hatte je davon berichtet, es hinterm Hühnerstall getrieben zu haben. Ich legte mir den Finger auf den Mund, um mir ein überschwängliches Kichern zu verkneifen.

Um das Ganze noch verwirrender zu machen, hatte Maddox gesagt, dass er ebenfalls von mir geträumt hatte. Ich konnte gut glauben, dass jemand im Traum erscheinen konnte, denn ich hatte nach ihrem Tod von Frau Anderson geträumt und sie war nicht wieder auferstanden. Das war nichts Ungewöhnliches, also von Leuten zu träumen, mit denen man Tag für Tag zu tun hatte. Aber Maddox hatte dasselbe geträumt wie ich und es bis in jede Einzelheit beschrieben.

Ich wollte ihn zwar in meinem Bett haben, allerdings war klar, dass das eine Grenze war, die ich einfach nicht überschreiten konnte, denn Herr Anderson und die anderen würden unsere illegitime Beziehung sofort bemerken. Ich konnte nicht hier bleiben, wenn Maddox aufwachte. Ich konnte nicht am Frühstückstisch in seine blauen Augen starren und einfach die Ungerührte spielen oder bestreiten, was sich gestern hinterm Hühnerstall abgespielt hatte. Bestimmt würde mir ins Gesicht geschrieben stehen, was wir getan hatten. Ich musste weg hier und mir den Kopf frei machen, ehe ich ihm erneut gegenübertrat.

Ich ging über die hintere Veranda und lief durchs feuchte Gras. Einmal drehte ich mich um und blickte aufs Haus zurück; ich fragte mich, ob er noch schlief, ob er im Bett seine Kleidung trug oder ob er wie im Traum von heute nackig war. Mit langen, sehnigen Muskeln, glatter Haut und zart gesprenkelten Haaren hier und da. Ich wusste genau, wie er sich anfühlte, wie er roch, wie er schmeckte, denn ich hatte meine Lippen auf seinen Körper gelegt, ehe er mich auf den Rücken gerollt, meine Schenkel auseinander gestoßen und seine dicke Männlichkeit in mich eingeführt hatte.

Das Gefühl davon hatte mich aufwachen lassen und jetzt musste ich der düsteren Begierde entkommen, die von mir Besitz ergriffen hatte und mich dazu drängte, in sein Zimmer zu schleichen und—

Ich zitterte, und zwar nicht vor Kälte. Also weigerte ich mich diesen Gedanken zu Ende zu denken und rannte stattdessen Richtung Fluss. Meine Handfläche kribbelte immer noch, seit der Berührung seiner Lippen war sie nicht mehr abgekühlt.


Maddox

Meine Partnerin rannte vor mir davon, als wäre ich ein Raubtier und sie meine Beute. Ich beobachtete, wie sie sich aus dem Haus auf die Veranda schlich. Ich wusste nichts über meine Partnerin, kannte weder ihre Ansichten noch ihre Bräuche. Verdammt, von der Erde wusste ich nur, was das Schiffssystem ausgespuckt hatte und das war nicht sonderlich genau. Das Gebiet von Montana war wild und zerklüftet, eine karge Einöde, die zugleich eigenartig schön war. Es war völlig anders als die eleganten und altertümlichen Städte auf Everis. Meine Zivilisation war Jahrtausende alt und unsere Kultur und Traditionen seit Jahrhunderten unverändert. Auf Everis hatte jeder seinen Platz, ein Schicksal, das von Geburt oder Tradition bestimmt wurde und unser Volk hatte das ursprüngliche Kriegstreiben, Stammesdenken und den Ressourcenkampf seit Jahrtausenden hinter sich gelassen.

Auf Everis musste niemand hungern. Niemand wurde abgehängt oder sich selbst überlassen. Wir waren einer der ältesten Koalitionsplaneten und unsere imposante Kultur und Bräuche wurden respektiert.

Die raue Unberechenbarkeit dieses Ortes versetzte mich ununterbrochen in Alarmbereitschaft und da sowohl meinem Feind als auch meine Partnerin hier waren, fiel es mir schwer, mich anzupassen. Selbst mit Cassie kam ich mir unbeholfen vor, denn sie war nicht das, was ich erwartet hatte. Sie wusste nicht, wer oder was sie war.

Ich packte ihre zierliche Unterwäsche in meiner Hand. Als ich sie ihr die Schenkel runter geschoben hatte, war der Stoff vor Erregung ganz feucht gewesen, er hatte ihre Pussy berührt und roch immer noch nach ihr.

Ich schlich vom Dach ihres Hauses, wo ich den Großteil der Nacht damit verbracht hatte nach Neron Ausschau zu halten und folgte ihr mit leisen Schritten ins hohe Gras. Ich musste sie im Auge behalten und sie beschützen, und zwar vor Dingen, von denen sie nichts ahnte.

Sie rannte vor mir, vor der Intensität unserer Verbindung davon und doch bereute ich nicht, dass ich sie letzte Nacht im Schlaf heimgesucht hatte. Ich hatte Zugang zu ihrem Bewusstsein, konnte willentlich in ihre Träume eindringen. Der Körperkontakt, den wir wenige Stunden zuvor miteinander geteilt hatten, erleichterte es mir, sie im Schlaf zu finden und meine lustvollen Fantasien mit ihr zu teilen. Körperkontakt war zu banal, um zu beschreiben, was ich mit ihr angestellt hatte. Zum ersten Mal ihre Pussy zu sehen, ihre nassen rosa Falten zu lecken und zu saugen und sie unter meinem Mund kommen zu lassen war … transzendent gewesen. Ich kannte ihr Aroma, ihren Duft, die Laute, die sie machte, wenn sie kommen musste. Egal, wo ich in Zukunft sein würde, ich würde nie mehr alleine schlafen. Und sie ebenso wenig. Ich würde sie jede Nacht besuchen, und zwar bis wir endgültig verpartnert waren. Wir waren Eins, unser Geist war bereits miteinander verknüpft und unsere Körper würden folgen.

Cassies Wirkung auf mich war sogar noch gefährlicher, als ich es ursprünglich befürchtet hatte. Mein Verlangen war pure Obsession, besonders jetzt, als ihr Aroma noch auf meiner Zunge lag. Ich hatte ihre Unterwäsche behalten, weil ihr hitziger Geruch daran haftete. Wie dumm und impulsiv von mir, aber ich musste schließlich mein unersättliches Verlangen mit ihrem Unwissen über die Markierung in Einklang bringen. Wenn sie nicht über ihre Markierung Bescheid wusste, dann wusste sie auch nichts von Everis.

Ich seufzte, denn jetzt war klar, dass sie mit ihrer neuen Realität hadern würde—ihr Partner kam von einem anderen Planeten. Verdammt, sie musste überhaupt erstmal verstehen, was ein Partner war und dass sie einen hatte. Das war ziemlich viel verlangt von einer Erdenfrau, die keine Vorstellung hatte von der Vielfalt des Lebens im Universum.

Ich erlaubte ihr sich zu entfernen, damit sie mein Gespräch mit Thorn nicht mitbekam, blieb aber nahe genug an ihr dran, um in der Ferne ihr offenes Haar und die Farbe ihres Kleides auszumachen. Ich tippte gegen das O-C hinter meinem rechten Ohr und wartete auf Thorns tiefes Grollen in meinem Schädel.

“Thorn.”

“Ich hab’ sie gefunden.”

“Trägt sie eine Markierung?”

“Ja. In ihrer Handfläche, genau wie eine Everianische Frau.”

“Dann nehme ich an, dass du sie eingesammelt hast und zu unserem Schiff unterwegs bist?”

“Nein. Es gibt da—” Wie sollte ich das erklären? “—Komplikationen.”

“Dann entkomplizierst du sie.” Für ihn war alles ganz einfach. Ich sollte sie über meine Schulter werfen und zu unserem Schiff zurücktragen. Er stand nicht unterm Einfluss seines frisch erwachten Paarungsmals, hatte seine Partnerin weder zum ersten Mal gesehen, noch sie berührt. Er konnte nicht nachvollziehen, wie kompliziert es war mit einer Erdenfrau verpartnert zu sein.

“Sie hat keine Ahnung, was sie ist. Sie ist eine Waise und hat nicht den geringsten Schimmer von unserer Welt und unseren Bräuchen.”

“Wo ist sie jetzt?”

“Sie rennt gerade vor mir davon. Ich wollte mich einfach nur melden, um dir zu sagen, dass ich ein paar Tage länger benötigen könnte … um sie zu überzeugen mit mir zurück nach Everis zu gehen.”

Er hatte die Frechheit zu lachen. “Viel Glück, Maddox. Du wirst es brauchen.”

“Fick dich.”

Sein Lachen verstummte abrupt, als er die Verbindung kappte und ich musste den Kopf schütteln und grinsen, während ich meiner Partnerin über ausgedehnte Hügel hinterherjagte. Ich hatte die Gegend vor meiner Ankunft erkundet und war ziemlich sicher, dass ich ihr Ziel kannte.

Ein paar Minuten später war klar, dass ich richtig getippt hatte. Leise näherte ich mich der Stelle, wo sie zwischen den Bäumen saß. Meinen Nachforschungen zufolge wurden die stattlichen Riesen Pappeln genannt und säumten oft Bäche und Flüsse, wo ihre Wurzeln das Wasser im Boden aufnahmen. Cassie saß auf einem großen grauen Stein, ihre Schuhe standen ein paar Schritte entfernt am Ufer und ihre Füße baumelten im eiskalten Wasser. Der rasante Strom reichte ihr höchstens bis zum Knöchel und der Wasserlauf war mit hohen Pappeln gesäumt, sodass ich nicht ausmachen konnte, was sich wohl hinter ihr verbarg.

Sie hatte die oberen drei Knöpfe ihres Kleides aufgeknöpft und sich kaltes Wasser auf Dekolleté und Hals gespritzt, sodass ihre Haut in den ersten Strahlen der aufgehenden Erdensonne glitzerte. Mein Schwanz drückte schmerzhaft gegen meine Hose. Am liebsten wollte ich jeden einzelnen Tropfen Flüssigkeit ablecken, der an ihrem zarten Fleisch herunterrann.

Sie sah zufrieden aus, denn sie warf den Kopf in den Nacken und schloss ihre Augen. Das zarte rosa Licht der aufgehenden Sonne küsste ihre Haut und es fiel mir schwer stehenzubleiben und sie zu bewundern. Ich wollte ihren Frieden nicht stören, also begnügte ich mich damit, langsam auf sie zuzugehen. Sie zuckte zusammen, als ob sie sich erschreckt hatte. Ich konnte aber nichts sehen. Sie riss den Kopf herum, nach rechts, in Richtung der Bäume.

Ich war noch ein gutes Stück entfernt, aber meine Jägerohren konnten deutlich ihre Stimme hören. Ich setzte alle meine Jägersinne ein und aktivierte den Wärmescanner und den bioelektrischen Monitor in meinem rechten Auge. Sollte irgendetwas oder irgendjemand in der Nähe sein, dann würde ich es sehen; das Wärmebild oder der bioelektrische Impuls eines Herzschlags würde auf meinem Netzhautmonitor erscheinen.

Ich sah nichts und doch redete sie mit jemandem.

“Wer bist du?” Mit einer Hand hielt sie sich das Oberteil zu.

Die Antwort war männlich, ein tiefes Grollen, das ich aber nicht wirklich verstehen konnte. Das war unmöglich. Meine Scanner fanden nichts und doch konnte ich in meinen Ohren eine Männerstimme hören. Cassie antwortete ihm.

“Aber ich kenne dich nicht.”

Ich hörte ein weiteres Grollen, als ihr Besucher antwortete und ich wollte mich zwischen meiner Partnerin und der Stimme positionieren, um sie zu beschützen, die riesigen Bäume aber versperrten mir den Weg.

Cassie schüttelte den Kopf, zog ihre Füße aus dem Wasser und griff nach ihren Schuhen; ihr Unbehagen war offensichtlich. “Nein. Ich muss zurück.”

Sie streckte sich nach vorne und versuchte ihre Schuhe zu fassen. Sie zitterte.

Ohne mich weiter verdeckt zu halten, stürmte mich auf sie zu. “Cassie, komm sofort zu mir.”

Sie blickte in meine Richtung und stieß einen aufgeschreckten Quietscher aus, dann schnappte sie sich ihre Schuhe und sprang von dem Stein runter. “Einen Moment.”

“Sofort!”

Sie verdrehte die Augen, kam aber auf mich zu. Ich eilte ihr entgegen und schob sie hinter meinen Rücken. Mit gezückter Ionenpistole ging ich auf den Felsenbrocken zu, um herauszufinden, wer sie so erschreckt hatte.

Ich scannte das Gebiet und stellte fest, dass das Waldstück scheinbar leer war, aber im Uferschlamm sah ich den Abdruck eines Stiefels. Es waren sehr große Stiefel.

Cassie legte die Hände auf meinen Rücken, während ich den Scan abschloss. Nichts, abgesehen von zwei standhaften Fischen, die am Wasserrand mit der Strömung kämpften, einer pelzigen Kreatur, die im nächsten Baum vergraben war und Vögeln, von denen die meisten noch in ihren Nestern schliefen. Wer hatte sie so erschreckt? Und warum hatten meine Scanner ihn nicht aufgespürt?

“Mit wem hast du da geredet?”

“Ich weiß nicht, wer das war. Ich habe ihn noch nie gesehen.” Sie klammerte sich an mein Hemd, also drehte ich mich um, zog ihren zitternden Körper an mich und schloss sie sicher an mein Herz, während ich meine Pistole wieder verstaute. Jemand hatte ihr Angst gemacht und das machte mich so langsam wütend.

“Was hat er gesagt? Was wollte er? Hat er dich bedroht?” Ich würde ihn aufspüren und ihn töten.

Sie schüttelte den Kopf, ihre langen Strähnen fielen lang über ihren Rücken hinunter und ich entspannte mich leicht. Bis ihre nächsten Worte einschlugen. “Nein. Er hat mir eine Nachricht gegeben.”

“Eine Nachricht?”

“Ja. Für dich.”

Kapitel Sechs

Maddox

Mit den Händen rubbelte ich ihren Rücken und gleichzeitig suchte ich die Umgebung nach einer Spur von meiner Beute ab, aber ich wusste bereits, dass es zu spät war. Mir war klar, wer sich an sie herangeschlichen hatte und ballte die Hände zu Fäusten. Neron. Er war längst wieder verschwunden. Er war auf Everis geboren und zum Jäger herangewachsen, genau wie ich. Die Tatsache, dass er meiner Partnerin so nahegekommen war, ließ mein Herz bis in meine Kehle schlagen, und zwar bis ich das Gefühl hatte, an dem verdammten Ding zu ersticken. Dieses Gefühl hatte ich noch nie erlebt und es kam äußerst ungelegen.

Angst. Seitdem Maddie verschwunden war, hatte ich sie nicht mehr gekostet und ihr bitterer Geschmack gefiel meiner Zunge ganz und gar nicht.

Was für eine Technologie hatte Neron angeschafft, um meinen Netzhautscanner zu blocken? Hatte er sich nach seiner Flucht aus dem Gefängnis eine Art Tarnanzug besorgt? Diese Anzüge waren sehr kostspielig und extrem selten, denn sie machten jeden, der sie überzog, fürs bloße Auge unsichtbar und auch für die meisten Scanner nicht nachweisbar. Sie waren Elitejägern vorbehalten, die im Auftrag der Sieben arbeiteten. Jeder andere, der mit diesen Dingern erwischt wurde, wurde mit einer Geldstrafe belegt und auf Bewährung verurteilt oder schlimmstenfalls in die Minen geschickt.

War das der Grund, warum er aus der Gefängnismine auf Incar entkommen konnte? Wie er mir die vergangen Tage über entwischt war? Und wenn er eine solch fortschrittliche Technologie besaß, wo hatte er sie her? Hatten die anderen Verbrecher auch solche Anzüge? Wenn ja, dann schwebten Thorn, Jace und Flynn in größter Gefahr.

Ganz genau wie meine Partnerin.

Mein Bestreben es meiner Partnerin recht zu machten, hatte mein Urteil getrübt. Ich hätte sie niemals aus den Augen lassen dürfen. Sie war völlig ohne Schutz gewesen. Verletzlich. Das Schlimmste war eingetreten. Neron war hier und wusste über sie Bescheid. Wut und Panik strömten durch meine Adern. Meine Markierung pulsierte wild, sie brannte mit einem neuen Gefühl.

Angst. Nicht um mich, sondern um sie. Meine Cassie.

“Was für eine Nachricht?” Ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben. Zum Glück war sie Neron gegenüber ausreichend misstrauisch, um bei mir Schutz zu suchen. Ich wollte ihr nicht noch mehr Angst machen.

“Es sagte, ich soll meinem Partner sagen, dass Maddie erst der Anfang war.”

Glutheißer, fast unkontrollierbarer Zorn überkam mich und schnitt mir den Atem ab und ich legte meine Hände auf Cassies Schultern, damit ich ihr in meiner Wut nicht wehtat. “Hat er sonst noch etwas gesagt?”

Sie trat unbehaglich hin und her und ich blickte ihr ins Gesicht, umfasste ihren Kiefer und neigte ihren Kopf hoch, damit sie mich anblickte.

“Sag’s mir.”

Sie biss ihre Lippe und am liebsten wollte ich sie küssen, tat es aber nicht. Jeder meiner Sinne war aufs umliegende Gehölz gerichtet, um zu lauschen und die Geräusche der wilden Kreaturen hier zu erlernen, damit ich auch das leiseste Knacken eines Astes identifizieren und den abgehakten Atem eines Mannes heraushorchen konnte. Wenn ich mich nicht länger auf meine Scanner verlassen konnte, dann würde ich Neron eben auf die altmodische Art ausfindig machen müssen, mit Köpfchen, Stärke und Geduld.

“Sag es mir, Cassie. Bitte.”

Mit einem Seufzer senkte sie ihren Blick auf meine Lippen, dann wanderte er zurück zu meinen Augen. “Er hat—er hat gesagt, dass ich sehr hübsch bin und dass ich nach Rosen dufte. Und—”

Ich beugte mich vor und atmete ihren süßen Duft ein. Er war nah genug an ihr dran gewesen, um sie riechen zu können. Endlose Stunden der Jagd, des Trainings und der Disziplin ließen mich innehalten, als ich auf den Rest wartete. “Und?”

“Er hat gefragt, ob ich mit ihm mitkommen will.”

Die Vorstellung, Neron könnte meine Partnerin anrühren ließ tausend Sicherungen in meinem Kopf durchgehen, aber ich konnte mich nicht davon abhalten ihr die nächste Frage zu stellen, deren Antwort mich vernichten könnte.

“Und wolltest du das, Cassie? Wolltest du mit ihm mitgehen?”

Ich blickte ihr in die Augen und forderte sie auf, mir die Wahrheit zu sagen, meine Markierung zu verleugnen, die Verbindung zwischen markierten Partnern zu verleugnen.

“Nein. Er hat mir—”

“Was? Er hat dir—?”

Sie befeuchtete sich die Lippen und ihre Hände vergriffen sich in einer unbewussten Geste an meinem Hemd. “Angst gemacht. Er war nicht, hat nicht …” Sie seufzte und ihre Wangen nahmen einen entzückenden rosa Farbton an, den ich noch nie an ihr gesehen hatte. “Er war nicht so wie du.”

Ich konnte nicht anders, als mit der Hand über ihr weiches Haar zu streichen. Ich hoffte, dass die Geste sie beruhigte, denn in mir beruhigte sie etwas. “Und wie bin ich so? Hast du Angst vor mir?”

“Ja.”

Ich verkrampfte mich und sie musste meine Entrüstung gespürt haben, denn ihre Hände sprangen auf meine Schultern und ihre Finger packten energisch zu.

Sie riss die Augen auf und ich erblickte einen Anflug von Verwirrung und Verzweiflung. “Aber nicht so wie er. Das war nicht das Gleiche.”

Ich atmete tief durch. “Dann erkläre es mir. Ich möchte nicht, dass du Angst vor mir hast, Cassie. Du gehörst mir. Ich würde sterben, um dich zu beschützen. Deinetwegen würde ich töten.” Ich blickte in die Richtung, in die Neron geflohen war. “Dieser Mann ist gefährlich. Und das nächste Mal, wenn es um deine Sicherheit geht, wirst du mir gehorchen oder ich werde dir so lange den Arsch versohlen, bis du eine Woche nicht mehr sitzen kannst.”

“Was?”

“Du bist gewarnt worden.”

Sie stieß mich weg und trat zurück. “Das sehe ich nicht so.”

Neron konnte sich überall versteckt halten und ich hatte jetzt nicht die Geduld um mit ihr zu diskutieren. Also packte ich ihre Arme und zog sie so nahe an mich heran, dass unsere Lippen sich berührten. “Solltest du dich noch einmal weigern mir zu gehorchen, wenn dein Leben in Gefahr ist, dann werde ich dir den Arsch versohlen, Cassie. Solltest du mich anlügen, dann werde ich dich übers Knie legen und deinen süßen Arsch versohlen, bis er genauso rosa ist wie deine Lippen.”

Sie runzelte die Stirn, aber ihre Augen flackerten verräterisch auf. Jetzt war allerdings nicht der richtige Zeitpunkt, um darauf einzugehen. Aber das würde ich, und zwar schon bald. Ich würde ihre Handgelenke in Gold wickeln und sie erobern.

“Wir müssen weg aus dieser Stadt, weg von diesen Leuten. Du bist hier nicht sicher.”

Sie machte überrascht den Mund auf. Ich spürte, wie ihre kleinen Fingernägel sich in meine Schultern gruben. “Dieses Wort, ‘Partner’, verstehe ich nicht. Warum hat er diesen Ausdruck verwendet? Und was meinst du damit, die Stadt verlassen? Ich kann nicht weg hier. Ich habe einen Job. Herr Anderson braucht mich.”

Natürlich hatte ich ganz vergessen, dass sie absolut nichts über ihre Markierung wusste. Ich wollte sie nach und nach mit der Wahrheit vertraut machen, denn es würde ihr schwerfallen diesen Planeten und ihr Leben hinter sich zu lassen. Ich konnte die Hitze ihres Geburtsmals an meiner Schulter spüren, aber es bedeutete ihr nichts und das war das eigentliche Problem. Sie war sich der Bedeutung unserer Markierungen nicht bewusst, ahnte nichts vom außerordentlichen Segen, den sie darstellten, dem Risiko. Besonders jetzt, als Neron sie gefunden hatte.

Sie musste die Wahrheit erfahren. Die ganze Wahrheit. Insgeheim wusste sie, dass Neron ein Killer war. Sie hatte es gespürt und bei mir Schutz gesucht, aber das reichte nicht. Ich musste sie hier wegschaffen und in Sicherheit bringen, damit die anderen sie ebenfalls beschützen konnten. Das Schiff war mit der DNA und den Netzhautscans der vier Jäger codiert worden, die es zu diesem Planeten gesteuert hatten. Ich, Thorn, Jace und Flynn. Niemand sonst konnte an Bord kommen. Die Außenhülle war für alle auf der Erde existierenden und die meisten Waffen meiner Welt undurchdringlich. Die Sieben nahmen ihre Sicherheit sehr ernst und unser Schiff, auch wenn es klein war, war eines der robustesten und sichersten Schiffe in der gesamten Koalitionsflotte. Solange ich sie nur an Bord bringen konnte, wäre sie für immer außerhalb Nerons Reichweite.

“Neron wird versuchen dich für sich zu gewinnen. Sobald er dieses Spielchen satt hat, wird er dich umbringen.”

“Mich umbringen?” Ihre Stimme zitterte und sie packte mein Hemd sogar noch fester.

“Das werde ich nicht zulassen. Wir müssen zu meinem Schiff gehen.”

“Schiff? Welches Schiff? Woher kommst du? Seattle? San Francisco? Ich möchte nicht auf ein Schiff gehen. Mir wird schon beim Schaukeln einer Kutsche schlecht. Ich glaube nicht, dass ich das Kippen und Schwanken auf dem Ozean überleben würde. Von dieser Krankheit habe ich in Büchern gelesen. Keine Schiffe.”

“Mit mir zusammen wirst du überleben. Vertrau mir, Cassie. Bitte. Ich werde auf dich aufpassen. Du bist hier nicht sicher. Du kannst nicht zurück in diese Stadt.”

Ein tiefes V trübte ihre sonst so glatte Stirn. “Warum? Was verheimlichst du mir?”

“Dieser Mann ist ein Krimineller, Cassie. Ein Mörder, der aus dem Gefängnis entkommen ist. Ich wurde hierhergeschickt, um ihn aufzuspüren.”

“Du bist ein Kopfgeldjäger?” Ihre Stimme klang überrascht.

“Ich bin ein Jäger, ja.” Ich nickte. “Aber diesmal werde ich kein Kopfgeld kassieren. Das Kopfgeld habe ich Thorn überlassen. Ich bin hier, um meine Familie zu rächen, sonst nichts. Maddie war meine Schwester. Dieser Mann heißt Neron und er hat sie getötet.”

Sie ließ mich los und machte einen Schritt zurück, bis sie ins Stolpern geriet. “Er … dieser Mann hat deine Schwester getötet?”

Ich dachte an Maddie, an ihr dunkles Haar, ihr flüchtiges Lächeln und der übliche Schmerz erfüllte meine Brust. “Ja.”

“Und er ist zu mir gekommen … hier.” Sie wedelte mit der Hand durch die Luft, um auf die einsame Stelle am Wasser zu deuten. “Er hätte, ich meine, wenn er gewollt hätte, dann hätte er—”

Sie brachte kaum noch ein Wort heraus. Ihre Furcht war offensichtlich und ich beeilte mich sie zu beruhigen. “Er wird dir nie wieder nahekommen. Das werde ich nicht zulassen. Ich habe ihn unterschätzt, Cassie. Ich habe mich auf meine Scanner verlassen und nicht genug auf meine Sinne. Das tut mir furchtbar leid. Aber er wird nicht noch einmal in deine Nähe kommen. Zuerst müsste er an mir vorbei.”

Ich schlang meinen Arm um ihre Taille und zog sie voran, brachte sie zu ihrem rechtmäßigen Platz in meinen Armen zurück. Ihre Hände wanderten an meine Brust und wehrten mich ab, aber ich würde nicht nachgeben. Sie würde nicht mehr davonlaufen.

Sie konnte mir nicht in die Augen blicken und starrte stattdessen auf die Knöpfe an meinem Hemd. Ich erkannte, dass sie zu angestrengt darüber nachdachte, dass weder ich noch meine Worte sie beruhigen konnten. “Ich … muss zurückgehen. Ich muss Herrn Anderson warnen.”

“Nein. Ich kann dir nicht erlauben dorthin zurückzukehren.”

“Nicht erlauben? Das ist mein Zuhause! Wenn sich ein Mörder in der Gegend rumtreibt, dann muss ich Herrn Anderson warnen, damit er Vorkehrungen treffen kann. Über der Küchentür hängt ein Gewehr, Maddox, und ich weiß, wie man damit umgeht.”

“Dafür ist es zu spät. Neron weiß, wer du bist, wo du wohnst. Das Gewehr wird dir nichts nützen. Du wirst nicht in dieses Haus zurückkehren.” Ich änderte meine Worte in einen Befehl.

“Nur zu.” Cassie riss sich los und schob ihre Füße in ihre flachen braunen Schuhe. Dann wirbelte sie herum und rannte los in Richtung Pension.

Binnen zweier Schritte hatte ich die Arme um sie geschlungen und hielt sie an mich gepresst, während ich meine Absichten, meinen Anspruch auf sie deutlich machte. “Versuch ruhig wegzulaufen, Cassie, aber das ändert nichts. Du gehörst mir, meine markierte Partnerin, und ich werde dich nicht gehenlassen.”

Sie fing an um sich zu treten und wehrte sich, aber ich hielt sie so mühelos fest wie ein kleines Kind. Schließlich ermüdete sie und ließ sich schlaff in meinen Armen hängen. “Bitte. Er ist mein Vater. Er hat mich adoptiert, als ich vier war und weder Familie noch ein Zuhause hatte. Wir müssen ihn warnen. Bitte, Maddox.”

Ihr Flehen hätte bei mir eigentlich auf taube Ohren stoßen sollen. Zum Haus zurückzukehren war wirklich riskant, aber ich konnte einfach nicht ertragen, dass sie Kummer erlitt. Sollte ich sie jetzt zwingen mitzukommen, würde sie mir dann je verzeihen? Mir war nicht klar gewesen, wie nahe sie diesem Herrn Anderson stand. Ihrem Vater.

Auf Everis ging die Familie über alles. Ich wusste, wie sie sich fühlte, auch wenn ich es am liebsten geleugnet hätte.

“Na schön, Cassie. Aber wir gehen zusammen. Sobald er gewarnt wurde, verschwinden wir aus dieser Stadt und gehen zu meinem Schiff. Ich werde die Erde nicht mehr ohne dich verlassen.”

Sie stolperte aus meinen Armen heraus und drehte sich zu mir um. Ihre Augen blickten ungläubig. “Was hast du eben gesagt? Wie meinst du das, du wirst die Erde nicht ohne mich verlassen?”


Cassie

“Ich bin nicht von hier,” verkündete Maddox und legte seine großen Handflächen auf meine Schultern. Meine rechte Schulter wurde sofort heiß, zusammen mit dem Geburtsmal in meiner Handfläche.

“Natürlich nicht,” entgegnete ich leicht verunsichert. Ich sehnte mich zwar nach seiner Berührung, fühlte mich aber zugleich überwältigt und durcheinander. In seiner Gegenwart war es unheimlich schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn er mich mit diesen hellen Augen ansah und so viel tiefer in mich hinein blickte, als irgendjemand zuvor.

Er sprach von Mördern und Partnern und Markierungen und davon, dass er mich nicht auf der Erde zurücklassen würde. Ich hatte etwas Angst vor ihm, auch wenn mein Gefühl mir sagte, dass er ungefährlich war. Ich war sogar auf ihn zugerannt und hatte mich an ihm festgehalten, nachdem dieser Typ—Neron—sich angenähert hatte.

Neron. Ein komischer Name für einen komischen Mann. Er war groß gewesen, genauso groß wie Maddox mit falkenhaften Gesichtszügen und einer langen, spitzen Nase. Seine Augen waren dunkel gewesen, unnatürlich dunkel, wie die Tinte in Herr Andersons Feder und fast ohne weißen Rand um die Pupille. Sein Haar aber war blass gewesen, stumpf, eher wie vergilbtes Papier als das sonnige Gold der Kinderschöpfe in der Kirche. Seine Kleidung hatte ganz normal ausgesehen, Hosen und Stiefel und ein braunes Baumwollhemd. Seine tiefe Stimme aber hatte mir einen Schauer über den Rücken gejagt und er hatte auf meine Hand gestarrt, als die Antworten zu allen Fragen des Universums in meiner Handfläche zu finden waren.

Oder wollte er mich beißen? In seinen Augen hatte ich etwas Raubtierhaftes gesehen; es war kein Verlangen gewesen, sondern etwas Dunkleres. Faszination? Erwartung? Obsession?

Ich war zu Maddox gerannt, denn ich wusste irgendwie, dass er mich beschützen würde. Jetzt aber … jetzt aber musste ich mich fragen, ob der Mann nicht verrückt war. Vielleicht waren wir ja beide verrückt. Er kam nicht von hier?

Es war, als ob Maddox meine Gedanken lesen konnte.

“Ich komme nicht aus Montana oder den Vereinigten Staaten. Von keinem Ort auf dieser Welt. Ich komme nicht von der Erde. Ich komme von einem Planeten namens Everis.”

Sein Gesicht war nah, so nah, dass ich die dunklen Stoppeln an seinen Wangen sehen konnte, die kleine silberne Narbe an seiner rechten Augenbraue, die dunkleren blauen Sprenkel in seinen Augen. Ich musste lachen.

Ich hielt mir die Hand vor den Mund und wollte es ersticken, konnte es aber nicht. Er machte großen Augen, denn mit dieser Reaktion hatte er wohl nicht gerechnet. Aber wie sollte ich sonst reagieren? Er sagte, dass er von einem anderen Planeten kam. Er war tatsächlich verrückt. Und einen Moment lang brach dieser Gedanke mir das Herz.

Der erste Mann, den ich wahrhaftig begehrt hatte, der erste Mann, dem ich gestattet hatte, mich zu berühren und er hatte sich als ein Verrückter herausgestellt. Gott, das war mal wieder typisch, oder? Als ob eine Waise und eine Witwe zu sein nicht schon ausreichte. Jetzt hatte ich mich auch noch von einem Verrückten verführen lassen.

Aber mit den Berührungen, den Küssen oder—sonstigem war jetzt Schluss.

Tränen stiegen mir in die Augen, als ich zwei Schritte zurückging und meine Hände vor mich hielt. “Maddox, ich gehe einfach in die Pension zurück und mache mich an die Arbeit. Ich werde vergessen, dass wir dieses Gespräch geführt haben. Dass du denkst, dass du von … woanders herkommst.”

“Ich sage die Wahrheit,” entgegnete er.

Die Beteuerung ließ mich unbeeindruckt. “Na schön. Nehmen wir an, ich glaube dir. Wie kommt es, dass du Englisch sprichst? Ich habe zwar noch nie diese Gegend verlassen, aber Leute aus anderen Ländern sprechen auch andere Sprachen. Du kannst mir nicht weismachen, dass die Leute auf … auf—”

“Everis,” fügte er für mich hinzu.

“—Everis Englisch sprechen.”

Er schüttelte den Kopf, dann drehte er den Kopf und deutete auf einen kleinen Knopf, er war nicht größer als ein Marienkäfer, hinter seinem Ohr. Er drückte einmal drauf und eine seltsame, mir unbekannte Sprache ertönte zwischen uns. Er tippte erneut auf den Knopf und ich hörte Französisch, eine Sprache, die ich von einigen Fallenstellern und Bergarbeitern, die durch die Stadt kamen, kannte. Noch ein Tippen und es wurde wieder still und er senkte die Hand und blickte mir in die Augen. “Das ist ein Osteo-Kommunikationsimplantat. Wir nennen es O-C. Der Rest der Flotte benutzt eine neuere Technik, die neurale Prozessionseinheit, aber auf Everis passen wir uns nur langsam an. Wir sind eine uralte Rasse mit noch älteren Bräuchen und wir mögen keine Veränderungen.”

“Was ist das? Ich verstehe nicht.” Ich hob meine Hand an sein Ohr und zog sie wieder zurück. Wollte ich das Ding anfassen? Ihn anfassen? Nein.

“Es ist ein Übersetzungsgerät, das mir erlaubt, mit allen bekannten Spezies im Universum zu kommunizieren. Damit kann ich alle bekannten Sprachen der Erde und aller Mitgliedsplaneten verstehen und sprechen.”

Ein Übersetzer? Er konnte Englisch und jede andere Sprache der Erde sprechen? Jede Sprache des Universums? Ich biss mir auf die Lippe, damit ich nicht wieder zu lachen anfing. “Was du da sagst, ist völlig lächerlich. Ich bin nicht sicher, ob du einfach nur grausam bist oder es tatsächlich glaubst.” Ich deutete zum Himmel, der jetzt ziemlich hell war. “So oder so … ich muss los. Herr Anderson wundert sich bestimmt schon, wo ich bleibe. Ich muss Kaffee kochen und die Biskuits backen.”

Ich machte auf den Hacken kehrt und marschierte davon. Ich traute mich nicht, zu rennen, denn dann würde er wissen, dass ich ihm nicht nur kein Wort glaubte, sondern dass ich außerdem Angst vor ihm hatte.

Ich war auf der leichten Anhöhe der Prärie angekommen, als er mir nachrief: “Die Markierung an deiner Hand, Cassie.”

Ich rieb mit den Fingern über die Stelle, die sogar jetzt noch kribbelte und hielt an, drehte mich aber nicht um.

“Es ist ein Paarungsmal. Als ich hierhergekommen bin, in deine Nähe, ist es aufgewacht.”

Davon wollte ich nichts hören und lief weiter. Ich wollte nicht einmal daran denken, dass er die Wahrheit sagen könnte.

“Fünf Tage,” brüllte er. “Vier Träume.”

Bilder der lebhaften Träume kamen mir in den Sinn.

“Ich habe sie auch. Diese Träume, die Markierung in meiner Handfläche. Ich weiß, dass du auf der rechten Hüfte ein kleines Muttermal hast. Am linken Ellbogen hast du eine kleine Narbe. Ich weiß, wie du dich anhörst, wenn du kreuz und quer auf meinem Schwanz kommst.”

Seine intimen Kenntnisse über mich ließen mich aufschrecken. Meine Haut heizte sich auf, denn es stimmte, was er da sagte. Ich wusste, wie sich sein Schwanz anfühlte.

“Du kannst versuchen vor der Wahrheit davonzurennen, aber die Träume werden nicht lockerlassen. Und ich genauso wenig.”

Darauf schlug ich die Flucht ein. Ich packte den Saum meines Kleides und rannte über den Hügel. Ich hielt erst an, als ich die Hintertür erreichte. Mir war klar, dass er mir folgte und so sehr ich mich auch dafür hasste, verlangsamte ich mein Tempo, damit ich nicht alleine nach Hause zurückkehrte. Maddox’ verrückte Worte hatten mich zwar verwirrt, aber Nerons allzu-intensiver Blick hatte mich auf eine Art beunruhigt, die ich nicht einmal nachvollziehen konnte.

An der Hintertür angekommen blieb ich stehen und machte mein Haar zurecht, es hing jetzt lose über meine Schultern, nachdem die Haarnadeln sich in der Eile verabschiedet hatten und jetzt kreuz und quer in der Prärie verstreut lagen. Ich drehte es im Nacken zu einem Knoten. Ich war verschwitzt und völlig außer Atem. Als ich runterblickte, bemerkte ich, dass die oberen Knöpfe an meinem Kleid noch offen waren. Hastig machte ich mich zurecht, ehe ich die Küche betrat. Herr Anderson sollte von der Sache mit Maddox nichts erfahren. Es war ein Geheimnis. Wie konnte ich auch jemandem davon erzählen? Nicht einmal ich glaubte diese Geschichte. Ich konnte nicht erklären, was er alles wusste und woher er es wusste.

Ich atmete tief durch und ging in die Küche. Sie war eigenartig still. Der Ofen war kalt, die Kaffeekanne leer. Herr Anderson war zwar kein Koch—er ließ sogar Wasser anbrennen—, aber er wusste sehr wohl, wie man Kaffee brühte.

Ich konnte die Uhr über dem Kaminsims im Salon ticken hören. “Hallo?” rief ich laut. Ich ging durch die Schwingtür ins Esszimmer, der Tisch war ungedeckt, der Raum leer. Dann ging ich um die Ecke und sah, dass die Vordertür offen war und ich ging durch den Flur, um sie zu schließen und plötzlich stand Maddox vor mir. Er trat herein und ich drehte ab und lief zurück Richtung Küche. Gerade als ich das Esszimmer verlassen wollte, erblickte ich den gestiefelten Fuß eines Mannes im Flur. Ich machte noch einen Schritt und konnte das Bein sehen. Es sah aus, als ob er am Fuße der Treppe eingeschlafen war. War Herr Anderson etwa gestürzt? Der alte Mann war gebrechlich. War er die Treppe heruntergefallen?

Ich ging näher und hielt mir die Nase zu, als der dicke, metallische Geruch von frischem Blut mich traf. Herr Anderson war nicht die Treppe runtergefallen. Da war Blut, sehr viel Blut, das sich wie eine Decke unter ihm ausbreitete. Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Kopf war unnatürlich nach hinten gewinkelt und seine Kehle war aufgeschlitzt worden, ein grausiger Schnitt, der in der Mitte ein klaffendes Loch enthüllte. Der Mord war brutal, sein Kopf war wie an einem Scharnier nach hinten geklappt. Das Blut sickerte weiter aus seiner Gurgel und rann über sein Fleisch, um mit dem dunklen Fleck auf dem Holzboden zu verschmelzen.

Der Mann, der für mich wie ein Vater gewesen war, blickte mit blinden Augen zur Decke hoch. Seine Haut war fahl wie Asche, die Falten auf seinem Gesicht waren geglättet und sein Mund geöffnet mit einem stummen Schrei.

“Oh Gott. Herr And—”

Meine Kehle schnürte sich zu und ich konnte nicht einmal seinen Namen herausbringen; nicht, dass das von Bedeutung war. Jemand war für das hier verantwortlich. Irgendjemand war in die Pension gekommen und hatte Herr Anderson angegriffen. Ihn ermordet.

“Oh nein,” keuchte ich. Ich drehte ab und rannte zurück durchs Esszimmer, dabei bemerkte ich, wie sich neben mir etwas bewegte. Ich stieß die Küchentür auf und stieß gleichzeitig mit einem harten Körper zusammen. Ein starkes Paar Arme umpackte mich und hielt mich fest.

Ich wehrte mich, schlug auf ihn ein. “Nein! Verschwinde! Lass mich in Ruhe!” Er würde mich ebenfalls töten. Aufschlitzen und auf dem Küchenboden zurücklassen. “Nein!”

“Cassie,” sprach der Mann. “Cassie!” wiederholte er mit tiefer Stimme. Er packte meine Schultern und schüttelte mich. Als er den Kopf auf meine Höhe senkte, sah ich seine Augen, seine hellblauen Augen. “Ich bin’s, Maddox. Wir müssen weg hier.”

Ich zitterte von Kopf bis Fuß. “Wie bist du hierhergekommen? Du warst am Eingang … “ Ich ließ den Gedanken einfach fallen, denn die Einzelheiten waren jetzt egal und mein Magen drehte sich um, als ich an Herrn Andersons Kehle dachte. Einmal hatte ich zugesehen, wie eine Kuh geschlachtet wurde, wie man ihr mit einem langen Messer die Kehle durchgeschnitten und sie getötet hatte. Sie hatte ausbluten lassen. Den Anblick hatte ich nie mehr vergessen und danach hatte ich einen ganzen Winter lang kein Rind mehr gegessen. Aber das hier …

Ich konnte nicht sprechen, also deutete ich mit zittriger Hand über meine Schulter. “Er ist tot.”

“Es tut mir leid.” Maddox’ Blick wanderte über mein Gesicht, ehe er den Kopf hob und wie ein Bluthund die Luft witterte. Mit zusammengekniffenen Augen schleifte er mich hinter sich her. “Bleib hinter mir. Lass mich nicht aus den Augen.”

Die Jungfrauen Sammelband

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