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KAPITEL 5

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22:57 Uhr

Wenn man in genügend Klubs in Scud City geht, wird man irgendwann Bitch Republic spielen hören. Sie sind nicht toll, aber sie sind lokale Talente und für eine reine Frauen-Punk-Band sind sie nicht mal völlig beschissen. Die schwarzhaarige Tussi am Schlagzeug hört auf den Namen Suzie Q, weil sie nicht besonders clever ist. Samstagnachts ist sie üblicherweise zu Hause und lernt für ihren Abschluss in elisabethanischem Englisch oder sie sieht sich Futurama im Internet an. Da war sie auch heute Nacht, und deswegen war ihr Abend nicht besonders interessant.

Die pinkhaarige Tussi am Bass ist Sky. Sie ist ein sehr nettes Mädchen, das schwer – und erfolgreich – darum bemüht ist, ein Image als psychotisches, impulsives Partyhäschen zu erzeugen. Ihr Tagesgeschäft – technisch gesehen ein Nachtgeschäft – ist es, im One-Night Stan's zu strippen, wo sie, um auf traditionellere Art hübsch zu wirken (und weil Stan kurze Haare nicht mag), eine rote Perücke trägt.

Die blonde Tussi an der Gitarre und dem Gesang, und die mit Abstand zickigste von den dreien, das ist Jennifer. Jennifer ist der Grund, warum man Wörter wie Oberfotze erfindet. Wenn ein schönes Mädchen nicht ein einziges mieses Jahr in ihrem Leben hat und nicht einen Moment ohne eine sie hofierende Clique erlebt, dann endet das Miststück manchmal so wie Jennifer.

Als Jennifers Tage der Arbeitslosigkeit sich in Wochen verwandelt hatten und ihr Kokainverbrauch von hoch zu höher übergegangen war, hatte man sie aus ihrer Wohnung geworfen und sie war bei Sky eingezogen. Je mehr sie über Skys Arbeit als Tänzerin erfuhr und je mehr sie dabei zusah, wie die jungen Männer der örtlichen Berühmtheit nachstellten, desto überzeugter wurde Jennifer, dass ein Job an der Stange im Stan's vielleicht gar keine so schlechte Art war, seine Brötchen zu verdienen. Die Tatsache, dass Sky niemals Geldsorgen hatte, obwohl sie nur fünfzehn Stunden pro Woche arbeitete, war nur das i-Tüpfelchen.

Daher waren die beiden heute Nacht im One-Night Stan's. Sky trug ihre rote Perücke, um den Schein zu wahren. Jeder Kopf im Klub schien sich nach ihr umzudrehen, jeder Gast schien zu hoffen, sie stünde innerhalb der nächsten paar Songs auf der Bühne.

»Sky«, sagte Stan, als sie sein Büro betrat, um das Vorstellungsgespräch ihrer Freundin einzuleiten. »Hey. Gut. Willst du rausgehen und tanzen?«

»Was? Oh, ich hab heute frei. Ich bin eigentlich ziemlich beschäftigt.«

»Du kommst um elf in meine Tittenbar und bist beschäftigt? Ja, klingt nach einer stressigen Nacht.«

»Ich kann heute nicht tanzen, Stan. Ich hab … Krämpfe.«

»Ach scheiße. Ich bin sicher, du kommst klar.«

»Willst du Menstruationsblut auf deiner Bühne? Ich bin mit meiner Freundin hier. Ich wollte nur …«

»Verpiss dich«, platzte Stan ihr dazwischen, so wie es Frank Sinatra nicht getan hätte. »Du hast keine Ahnung, was beschäftigt heißt. Du blutest? Ich laufe Gefahr, aus der Kehle zu bluten, wenn ich es heute Nacht verkacke.«

Der Ausbruch verblüffte Sky, aber sie wusste, dass man Stan keine Informationen abringen konnte – besonders nicht, wenn er so wenig Frank-Sein an den Tag legte.

»Ähm … okay. Ich wollte nur … erinnerst du dich, dass du zugesagt hattest, heute mit meiner Freundin zu reden?«, fragte Sky. Stan starrte sie an, als versuchte sie einen Hund davon zu überzeugen, dass der Holocaust nie stattgefunden hatte. »Meine Freundin, die eins deiner Mädchen werden will? Du wolltest sehen, ob du Interesse hast, also … also können wir trotzdem … wirst du das trotzdem tun? Mit ihr reden, meine ich?«

Stan zuckte zusammen und seufzte, trommelte mit den Fingern auf den Schreibtisch und legte den Kopf zur Seite. Er begann zu reden, ohne zu wissen, was er von sich gab.

»Weißt du eigentlich, wie viel wichtige Scheiße heute Abend los ist? Im Moment habe ich nicht die Energie, mir um deine Möchtegern-Stripper-Freundin Gedanken zu machen. Ich bin damit beschäftigt, mich um meinen beschissenen … ich hab keine Ahnung. Ich, äh … ich muss Ginger für den Rest der Nacht von der Bühne nehmen. Schätze ich. Also fehlt mir ein Mädchen und … ah, ich brauche, ähm … scheiße. Was soll's. Okay. Lass es uns tun.«

Sky schüttelte verwirrt den Kopf. »Du wirst mit ihr reden?«

»Ja, das hab ich doch verdammt gesagt … war ich undeutlich?«

Sky nickte halb und verließ den Raum, um Jennifer zu holen.

22:58 Uhr

Seit Sky durch den Klub zu Stans Büro gegangen war, war sie das Gesprächsthema an Calebs und Daniels Tisch gewesen. Daniel hatte sie Caleb gezeigt, der sie für gut genug befand, um »einen zu verstecken«. »Was meinst du?«, fragte Daniel.

»Du solltest sie vögeln, Alter. Ihr die Scheiße aus dem Leib vögeln.«

»Aber wie?«

»Wenn ich es wäre, umgedrehtes Cowgirl. Du … ich könnte mir vorstellen, dass du besser beim Missionar bleibst.«

»Ich meinte, wie soll ich …«

»Ich weiß, was du gemeint hast. Keine Ahnung, Mann. Mach irgendwas. Du weißt schon, frag sie, warum sie nicht modelt, oder … Okay, das ist dämlich.« Caleb schnippte mit den Fingern. »Jetzt hab ich's. Das sind alles gescheiterte Schauspielerinnen, also erzähl ihr doch, dass du ein Caster auf der Suche nach neuen Talenten bist, und dass sie so aussieht, als würde sie auf eine der Rollen in deinem nächsten Projekt passen. Du weißt schon, frag sie, ob sie schon mal übers Schauspielern nachgedacht hat …«

Daniel schüttelte lachend den Kopf. »Auf keinen Fall. Ich kann das nicht. Ich wäre nicht überzeugend.«

»Ach, mach dir darum keine Sorgen. Die sind alle saudumm.«

»Lass uns einfach weiter trinken«, sagte Daniel.

Und das taten sie. Sie bestellten mehr Drinks, und Sky kam aus Stans Büro, legte ihren Arm um ihre Freundin und sprach in ihr Ohr, um sich über die laute Musik hinweg Gehör zu verschaffen.

»Okay, du kannst reingehen. Bist du nervös?«, rief sie.

»Nicht wirklich«, rief Jennifer zurück.

»Gut. Sieh bloß nicht nervös aus, sonst wird er dich verdammt noch mal hassen. Ich glaube, er ist schlecht drauf, und er ist sowieso ein ziemliches Arschloch, also, ähm, versuch nicht klugscheißerisch zu sein oder so was.«

»Sky, ich schaff das schon.«

»Oh, und vergiss nicht: Alles ist ein Spiel für ihn. Er wird das Eine sagen und das Andere meinen, und wenn du tust, was er sagt, und nicht das, was er meint, dann wird er ziemlich angepisst.«

»Sky, ich komm klar, okay?«

»Okay. Viel Glück, Süße.«

Sie umarmten sich und Jennifer betrat Stans Büro mit der ganzen Kühnheit, die sie aufbringen konnte. Während des Bewerbungsgesprächs wartete Sky mit verschränkten Armen im hinteren Bereich des Klubs und vermied jedweden Augenkontakt mit der Nerd-Schwuchtel, die sie von ein paar Tischen weiter weg anstarrte.

22:59 Uhr

Im Prinzip war Stans Büro nur ein Schreibtisch mit ihm auf der einen Seite und einer Tanzstange auf der anderen. Auf dem Schreibtisch reihten sich Alkohol und Kokain auf und an der Wand hinter ihm war eine Art riesiges Gewehr befestigt. Links von Jennifer war eine kleine Bar, aufgefüllt mit jeder Sorte Rum, die verkauft wurde, und dann noch ein paar mehr. Überall sonst waren Gemälde und Fotografien von jungen Frauen, die ihre Genitalien zur Schau stellten. Dazwischen eingestreut hingen Bilder des Rat Packs. Jennifer versuchte ihre Umgebung auszublenden.

»Hi«, sagte sie und wünschte sich sofort, ihr wäre etwas Originelleres eingefallen.

Stan sah zu ihr auf, ohne Augenkontakt herzustellen. Sein Blick erforschte ihren Körper auf eine Art, mit der nur ein Mann in seinem Gewerbe davonkommen konnte. Er kritzelte etwas auf ein Blatt Papier vor sich.

»Name?«

»Jennifer. Äh … Adams.«

Stan notierte das auf seinen Block. »BH-Größe?«

Jennifer musste ein bisschen darüber lächeln, wie geradeheraus und begeisterungslos Stan war – so gar nicht wie die betrunkenen Verbindungsstudenten, die ihr sonst diese Frage stellten.

»85 D.«

Er fuhr mit seinem Gekritzel fort, scheinbar mehr an seinem Block interessiert als an Jennifer selbst. Sie wollte gern seine Aufmerksamkeit gewinnen, aber möglichst ohne dabei närrisch oder unprofessionell zu wirken.

»Tanzerfahrung?«

»Ähm … ein Jahr Ballett und zwei Jahre Cheerleading.«

»Partner?«

»Wie bitte?«

Stans Augen verließen plötzlich den Schreibblock und stellten zum ersten Mal direkten Kontakt mit Jennifer her.

»Mit wie vielen Leuten hast du es getrieben?«

»Oh. Ähm … warum ist das …?«

»Beantworte die scheiß Frage.«

Jennifer blinzelte und versuchte sich ihr Unbehagen nicht anmerken zu lassen. »Vier.«

Mit einem Stöhnen machte Stan eine weitere Notiz.

»Darf ich wissen, warum das eine Rolle spielt?«

»Ich will hier Versautheit. Verdorbene Schlampen. Hast du viel Erfahrung mit deinen vieren gesammelt?«

»Ich, ähm … ich meine, ich kenne mich ganz gut aus, ja.«

Stan verdrehte die Augen. »Alles Männer?«

Jennifer unterdrückte ein Lachen. Sie wollte wirklich nicht albern sein, aber Stans beiläufige Erkundigung nach den intimsten Details ihres Sexlebens waren so ganz verschieden von jedem Vorstellungsgespräch, das sie je erlebt hatte.

»Es tut mir leid, das ist …«, begann sie zu erklären, doch Stan unterbrach sie.

»Wenn das für dich komisch ist, dann kannst du dich gleich verpissen. Wenn du mit mir nicht übers Rohreverlegen reden kannst, wie soll ich glauben können, dass du damit klarkommst, deine Kleider vor fünfzig Handbetrieblern auszuziehen? Es gibt nicht viel, was mich noch überraschen würde, und ich weiß jetzt schon, dass du es garantiert nicht schaffst. Ich hatte mal ein Mädchen hier, das hat Fetischpornos gemacht. Die hat mit einem Pferd gefickt. Das hat sie mir frei raus gesagt und ich hab sie vom Fleck weg eingestellt. Worauf ich hinaus will, ist: ich scher mich einen Dreck um die schüchterne und reservierte Show, und wenn ich Geld daraus schlagen soll, dass Kerle dich vögeln wollen, dann will ich wissen, was für eine Art Sexpartner du bist.«

»Ich verstehe«, sagte Jennifer, die sich jetzt umso mehr um professionelles Verhalten bemühte. »Ähm … Ja. Alle von denen waren Männer.«

»Fühlst du dich mit Frauen wohl?«

»Wohl inwiefern?«

»Na ja, sagen wir mal wohl genug, um eine Muschi auf der Bühne zu lecken. Vor einem Haufen grölender Wichser, zum Beispiel.«

»Ich denke schon«, sagte Jennifer. Sie betete, dass er übertrieb und hoffte, er würde ihr das nicht anmerken. »Außerdem war ich zwar nur mit vier Männern richtig zusammen, aber theoretisch ist da noch was in der Jugendhaft passiert.«

»Das ist großartig«, sagte Stan. Er legte den Stift weg und faltete die Hände. »Erzähl mir davon.«

ONE NIGHT STAN'S

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