Читать книгу Lipstick Traces - Greil Marcus - Страница 29
EINIGE LEUTE
Оглавлениеverloren ihr Interesse an Überraschungen; andere hatten es nie besessen. »Die Leute bezahlen, um zu sehen, wie andere an sich selbst glauben«, schrieb 1983 Kim Gordon von der New Yorker Punk-Band Sonic Youth. »Auf der Bühne, mitten im Rock ’n’ Roll, passiert ’ne Menge, und alles kann passieren, ob die Leute als Voyeure kommen oder um sich dem Augenblick hinzugeben.« Solche Worte wären Mitte der siebziger Jahre nicht geschrieben worden, als die Leute bezahlten, um zu sehen, wie andere glaubten, dass andere an sie glaubten. Wenn damals Konzerte zu Ende waren, standen die Fans auf, zündeten Streichhölzer an und hielten sie hoch: Sie beteten.
Man schrieb 1974. Malcolm McLaren hielt sich kurz in den USA auf und managte die New York Dolls, die damals in den letzten Zügen lagen. Sie waren in seinen Laden spaziert und hatten ihm ihre Platten vorgespielt; er hatte gelacht. »Ich konnte nicht fassen, wie jemand so schlecht sein konnte«, sagte er viel später, als er erzählte, in diesem Moment sei ihm die Idee für die Sex Pistols gekommen. »Dass sie so schlecht waren, überfiel mich mit solcher Macht, dass mir plötzlich klar wurde: ›Ich lache, ich rede mit diesen Burschen, ich sehe sie an, und ich lache mit ihnen.‹ Und plötzlich war mir egal, ob jemand gut spielen konnte. Ob man über Rockmusik auch nur so weit Bescheid wusste, dass man Songs richtig schreiben konnte, war nicht mehr wichtig … Die Dolls brachten mir zu Bewusstsein, dass es noch etwas anderes gab. Es war etwas Großartiges. Mir fiel auf, wie genial sie waren, um so schlecht zu sein.«
Zweifellos spielte McLaren ein Jahr später den Sex Pistols Dolls-Platten vor, so wie Sam Phillips zwei Jahrzehnte zuvor seinen neuen Rockabilly-Sängern alte Blues-Platten vorgespielt hatte. Ein von McLaren bemaltes und bei den letzten Gigs der Dolls aufgehängtes Transparent hielt die tote Zeit fest, der sie nie entkommen waren: »WHAT ARE THE POLITICS OF BOREDOM?« Was ist die Politik der Langeweile?