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»ONE CHORD WONDERS«
Оглавлениеvon der Gruppe The Adverts findet genau am Rande des Punk-Augenblicks statt. Die Sex Pistols haben den Boden bereitet … verbrannte Erde hinterlassen. Nichts ist übrig geblieben, aber die Stadt steht, als wäre nichts geschehen, mitten in der Stadt ein Streifen qualmender Dreck, mitten darin ein Pfahl mit einem Stück beschriebener Pappe, das genauso gut ein »Zu-vermieten«-Schild wie eine Abrissankündigung sein könnte; man weiß nicht, ob »STRASSE FREI« oder »WEGEN BRAND ZU VERKAUFEN« draufsteht.
Die diese leere Fläche umkreisenden Menschen wissen nicht, was sie als Nächstes tun sollen. Sie wissen nicht, was sie sagen sollen; alles, worüber sie zu reden pflegten, klingt bis zur Dümmlichkeit parodiert, sobald die alten Wörter ihren Mündern entfahren. Ihre Münder sind voller Galle: Die Leute werden in die Leere gezogen, halten sich aber zurück. »Was ist Nihilismus? Rosanow beantwortet die Frage am besten«, schrieb der Situationist Raoul Vaneigem 1967 in Traité de savoir-vivre à l’usage des jeunes générations (auf deutsch zehn Jahre später als Handbuch der Lebenskunst für die jungen Generationen erschienen): »›Die Vorstellung ist beendet. Das Publikum erhebt sich. Es ist Zeit, den Mantel überzuziehen und nach Hause zu gehen. Der Besucher dreht sich um: kein Mantel mehr und kein Zuhause.‹« Da waren sie angelangt.
Ein Mädchen und drei Jungen machen die ersten Schritte. Sie betreten das geschwärzte Terrain wie Zweijährige, die man auf vertrautem Beton am Rande einer Wiese absetzt … ob es wohl weh tun wird? Als sie unter ihren Füßen das zarte Gras spüren, laufen sie los, und beim Laufen nimmt ein doppelter Wachtraum von ihnen Besitz: Die Menge lächelt verkrampft und schließt sich ihnen an; sie zuckt zurück und steinigt die vier zu Tode.
So eine Chance kommt nur einmal im Leben. Die vier schnappen sich das hölzerne Schild, brechen es in Stücke und schlagen aufeinander ein; sie erzeugen einen geschlossenen, kanalisierten Lärm. Dieser Lärm denkt an keine Zuhörer, hat nur Verbindung zu sich selbst: Er ist erst zufällig, dann konzentriert, erst hilflos, dann grausam. Dass die vier nicht miteinander Schritt halten können, lässt die Zeit so schnell laufen, dass sie stehenzubleiben scheint: stop. Diesem Moment kann keiner entkommen, also hämmern die vier den gemeinsamen Traum heraus, von dem sie besessen waren, als sie sich kennenlernten, vor Urzeiten. Die Musik zerrt an sich selbst, die ersten zwei, drei Zeilen jeder Strophe gewalttätig, zynisch, gegenwärtig, die nächsten beiden forttreibend in eine Sekundenbruchteile anhaltende Träumerei aus Zweifel, Bedauern, ein Gefühl von ergriffenen und verpassten Gelegenheiten, die Zukunft bereits Vergangenheit. Nur der Schwung der Musik hält das Ganze zusammen.
I wonder what we’ll play for you tonight
Something heavy, something light
Something
To set your soul alight
I wonder how we’ll answer when you say
WE DON’T LIKE YOU! GO AWAY!
Come back
When you’ve learned to play
I wonder what we’ll do when things go wrong
When we’re halfway
Through our favourite song
We look up
And the audience is gone
»THE WONDERS DON’T CARE!« schreien drei Gruppenmitglieder, »We don’t give a damn!« erwidert das vierte, und so geht es weiter, zehn-, zwanzigmal, hin und her, aber was die Strophen angeht, widerspricht der Doppelrefrain sich selbst: Die drei Sänger hart und bestimmt, ihr Gesang variiert nie in der Tonlage oder Geschwindigkeit, die einzelne Stimme zunächst auch hart, dann traurig, dann verzweifelt, dann verlässt sie den Rhythmus, während die andere Seite des Refrains in geschlossener Reihe weitermarschiert – die Solostimme wird lauter, schraubt sich fast aus der Musik, entdeckt in dem dröhnenden Rhythmus Andeutungen einer Melodie, lässt die Melodie fallen und wird zu einem aus der Tiefe des Körpers kommenden Schrei, um sich dann in einen größeren Lärm zu vergraben.