Читать книгу Wiederbelebte Geschichten - Grete Ruilre - Страница 8
ОглавлениеDer Tagtraum
Endlich saß er im Zug.
Es war knapp. Die Räder fingen an zu rollen.
Sein braunes Vuitton-Lederköfferchen stellte er neben sich auf den Sitz.
Gerd war ein Mann in den besten Jahren, schlank und groß gewachsen, mit lebhaften braunen Augen und dunkelbraunen, buschigen Haaren. Er war sportlich-elegant gekleidet. Auffallend, seine geliebte rote Krawatte von Brioni auf dem weißen Hemd.
»Ach, bin ich müde!«, dachte er. »Die letzten Tage im Büro waren stresserfüllt.«
Die Sonne schien durch das Fenster ins Abteil. Kurzerhand zog er das Rollo herunter.
»Schlafen, schlafen, nichts als schlafen, möchte ich.« Er schloss ein wenig die Lider, dachte an sie. Chantal – die Frau die er schon lange begehrte. Sie ist blond, hat ein schönes Dekolleté und ist sehr sexy. Im Halbschlaf hörte er sie flüstern: »Je t’aime, je t’aime!« Ja, alles was ich brauche ist Liebe.
Seine Augen fielen ihm vollends zu. Er träumte, war im siebten Himmel. Sie war bei ihm, die Geliebte. Sie schmuste mit ihm, küsste ihn leidenschaftlich mit ihren vollen roten Lippen. Es wurde ihm so heiß, dass er den Schlipsknoten seiner roten Krawatte lockerte. Das war der Anlass für die Geliebte, ihm das Hemd zu öffnen. Sie ließ ihre zarten Finger über seinen Körper gleiten, presste sich eng an ihn. Ihre Wärme war sehr wohltuend. Wie zärtlich sie war und wie gut sie roch! »Pass auf, Gerd«, ging es ihm durch den Kopf, »sonst bist du nicht mehr Herr deiner Sinne.« Dieser liebliche Duft ist sehr erregend! Er spürte, wie sein Herz hämmerte.
Sein Atem ging schneller. Er genoss die Liebkosungen, das Verlangen nach ihr wuchs. Seine Männlichkeit machte sich bemerkbar.
Dann – ein Ruck! Im Halbschlaf dachte er: »Jetzt hat der Zug angehalten.«
Die Abteiltür ging auf und wieder zu.
Ein erneuter Ruck. Der Zug fuhr an.
Durch einen harten Plumps auf seinen Schoss, wurde er schlagartig hellwach.
Ein kleines Hutzelmännchen saß auf seinem Schoss. Verschämt und erschrocken murmelte es leise: »Entschuldigung!« Er richtete sich sofort auf, platzierte sich Gerd gegenüber und betrachtete ihn eingehend. Nach einer Weile sagte er: »Sie haben eine extravagante Krawatte an, mit einem außergewöhnlichen Rot.«
Obwohl er mich auf unsanfte Art in die Realität zurückholte, konnte ich ihm absolut nicht böse sein.