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Norwood Abbey sah im hellen Tageslicht arg heruntergekommen aus. Sir Adam zügelte seine Grauschimmel (ein perfekt zusammenpassendes Paar, das absolut nicht günstig gewesen war) und warf die Zügel seinem Groom zu.

„Ganz schöne Bruchbude, Sir“, wagte dieser zu bemerken. Sir Adam grinste ihm über die Schulter zu: „Ein wahres Wort, Tom. Pass auf die Pferde auf.“

„Müssen Sie mir nich sagen, Sir.“ Tom war gekränkt.

Sir Adam wanderte die ursprünglich einmal elegant geschwungene, aber nun fast zugewachsene Auffahrt entlang. Auf die Tochter war er durchaus neugierig – mit diesem verantwortungslosen Vater hatte sie nun nicht gerade Glück gehabt.

Auf sein Klopfen geschah zunächst gar nichts, dann öffnete sich die schwere Eichentür ganz langsam und ein ältlicher Butler schaute misstrauisch heraus, sagte aber nichts.

„Mein Name ist Prentice“, begann Sir Adam munter. „Es klingt vielleicht etwas phantastisch, aber – nun – also, ich habe dieses Anwesen gewonnen.“

Die Tür öffnete sich weiter. „Ich weiß, Sir. Lord Northbury hat mich informiert, bevor-“

„Bevor was?“, fragte Sir Adam hastig. Das Bild eines toten Earls im Arbeitszimmer, eine rauchende Pistole dort, wo sie ihm aus der schlaffen Hand gefallen war, war vor seinen Augen aufgetaucht und er fühlte sich schuldbewusst, obwohl man ihm dieses Spiel schließlich aufgenötigt hatte.

„Bevor er abgereist ist“, vollendete Montey, offenbar etwas verwundert.

„Er ist abgereist? Wohin?“

„Nach dem Kontinent, wie ich ihn verstanden habe.“

„Aha… mit seiner Tochter, nehme ich an.“

Die Tür öffnete sich noch etwas weiter. „Treten Sie doch bitte ein, Sir. Darf ich ihnen etwas anbieten?“

Sir Adam sah sich in der kahlen und nicht wirklich sauberen Halle um. „Können Sie mir denn überhaupt noch etwas anbieten?“

„Tee dürfte kein Problem sein, Sir. Aber Sie haben Recht, ansonsten ist es um unsere Vorräte eher traurig bestellt.“

„Wie viel Personal gibt es denn hier – außer Ihnen? Sie heißen - ?“

„Montey, Sir. Mrs. King, die Köchin ist noch da. Sonst niemand.“

„Und wer hat immerhin versucht, hier sauber zu machen?“

„D-das war Lady Helen selbst, Sir.“

„Und jetzt ist sie auf dem Weg zum Kontinent, verstehe. Ob sie da ein schönes Leben haben wird?“

„Sie ist nicht auf dem Weg zum Kontinent. Ihr Vater hat sie nicht mitgenommen.“

„Wie bitte? Dann ist sie also noch hier? Kann ich sie dann bitte sprechen?“

„Äh – nein, Sir. Sie ist ebenfalls abgereist. Allerdings mit der Post, ich habe sie selbst zum Crown and Lion gefahren. Ach ja, aber dies soll ich Ihnen übergeben und mir den Empfang quittieren lassen.“ Er überreichte Sir Adam ein kleines Holzkästchen.

Dieser klappte es auf und betrachtete sich die bescheidene Schmucksammlung darin. „Den Rest hat sie doch wohl mitgenommen?“

Montey reckte den Hals und spähte in das Kästchen. „Aber nein, Sir. Das ist – war – Lady Helens gesamter Schmuck. Die Preziosen ihrer Mutter hat der Earl – ich muss es sagen – längst verkauft und verspielt. Ich fürchte, Sie werden hier keinerlei Wertgegenstände mehr finden – außer diesem doch eher bescheidenen Schmuck.“

Sir Adam klappte das Kästchen zu. „Was sollten Sie denn mit der Quittung unternehmen?“

„Nun, Sir, Sie Lady Helen nachschicken, natürlich. Nicht, dass es nachher noch heißt, sie hätte ungesetzlicherweise etwas aus Ihrem Haus entfernt!“

„Sehr lobenswert – aber auch sehr albern“, kommentierte Sir Adam. „Es liegt doch auf der Hand, dass Lady Helen jetzt jeden Penny brauchen wird, der ihr zusteht?“

„Gewiss, Sir, aber sie dachte eben, ihr stehe hier nichts mehr zu. Ich muss zugeben, dass der Earl bestimmt alles, was noch irgendwie zu verkaufen sein könnte, mitgenommen hat, aber Lady Helen hat da eben sehr viel strengere Ansichten.“

„Das spricht für ihren Charakter. Sagen Sie, sind Sie und die Köchin denn überhaupt bezahlt worden? War dafür noch Geld da?“

Montey zuckte die Achseln. „Lady Helen hat uns das Silber angeboten. Es wird wohl nicht ganz leicht sein, das gut zu verkaufen, aber die Geste war doch sehr nett, fanden wir.“

Sir Adam zog sein Portefeuille, erkundigte sich nach dem Jahreslohn und händigte Motley eine entsprechende Summe aus – auch für Mrs. King. „Stellen Sie das Silber lieber wieder zurück, das wird nur kompliziert. Und können Sie zwei Hausmädchen auftreiben? Möglichst sofort?“

Montey strahlte. „Gewiss, Mylord!“

„Ich bin Sir Adam Prentice, kein Lord. Sir genügt also vollkommen. Meinen Sie, bis morgen haben Sie genügend Vorräte herbeigeschafft, dass ich bei Bedarf mit meinem Groom – ein recht verfressenes Subjekt – und meinem Diener hier wohnen kann? Ich denke, ich sollte den Wiederaufbau“ – er kräuselte dabei den Mundwinkel – „ab und zu persönlich überwachen.“

„Ja, Sir! Natürlich, Sir! Eine ausgezeichnete Idee, Sir!“

„Oh, herzlichen Dank, Montey!“, war die trockene Antwort. „Ich werde diese Nacht dann aber erst einmal im Crown and Lion verbringen. Ach – Moment noch: Sie wollten Lady Helen doch die Quittung nachschicken, nicht wahr?“

Montey murmelte etwas vage Zustimmendes.

„Schicken Sie ihr also den Schmuck nach – an welche Adresse übrigens?“

Montey sah seinen neuen Arbeitgeber unbehaglich an. „Das weiß ich noch nicht. Lady Helen wollte mir schreiben, sobald sie eine neue Adresse hat.“

„Wissen Sie, wohin sie mit der Post reisen wollte?“

Montey bestritt jegliche Kenntnis, und Adam seufzte. Wie sollte er das arme Mädchen – nein, die junge Lady – denn auftreiben, um ihr zu helfen? Selbstverständlich ganz diskret, denn offene Unterstützung würde sie wohl nicht annehmen – nach dem, was Montey ihm (eher unfreiwillig) verraten hatte, besaß sie eine gehörige Portion Stolz. Vielleicht verständlich, denn mehr war ihr ja auch nicht mehr geblieben.

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