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4 Ergebnisse und Diskussion

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4.1 Der Hamburger Rosskastanienbestand

Der Hamburger Rosskastanienbestand wird durch die Arten A. hippocastanum (rd. 80 %) und A. carnea (rd. 18 %) bestimmt. Die übrigen Arten machen, in Relation zum erfassten Gesamtbestand, nur einen geringen Anteil aus. Die Sorte A. carnea ‚Briotii‘ umfasst ca. 35 % der rotblühenden Art und die weißblühende Rosskastanie ist mit ca. 90 % durch die gemeine Rosskastanie A. hippocastanum vertreten. Die gefülltblühende Sorte ‘Baumannii’ macht knapp 10 % aus. Die Rosskastanien verteilen sich im gesamten Stadtgebiet, aber zentrieren sich quantitativ im Zentrum der Stadt.

Als Hilfsmittel für die Festlegung der Kontrollintervalle werden von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (FLL) Bäume hinsichtlich ihrer Standzeit in drei Entwicklungsphasen unterteilt. Die Jugendphase beginnt mit der Pflanzung am Standort und erstreckt sich über 15 Jahre. Die Reifephase endet je nach Baumart nach 50 bis 80 Jahren Standzeit und geht anschließend in die Alterungsphase über (FLL 2010). Die Altersklassifizierung der erfassten Rosskastanien erfolgte nach diesem Modell. Die Bäume wurden in die Jugendphase, die erste Reifephase (bis 40 Jahre Standzeit), die zweite Reifephase (bis 80 Jahre Standzeit) und in die Alterungsphase (> 80 Jahre Standzeit) eingeteilt.

Ca. 10 % der Hamburger Rosskastanien befinden sich in der Jugendphase und ca. 50 % in der Reifephase, wobei 24 % auf die erste Reifephase entfallen. Die Alterungsphase umfasst weitere 30 %. Bei den fehlenden 10 % ist kein Eintrag zum Pflanzjahr dokumentiert. Diese Rosskastanien sind zum Großteil im Kataster erfasste Privatbäume (Grenzbäume) oder stehen in Grünanlagen. Die schwarzen Punkte auf der Hauptkarte (Abbildung 4) zeigen die genauen Baumstandorte. Die Interpolation der Standzeit ist in acht Klassen unterteilt. An Straßen mit einem erhöhten Altbaumbestand stehen in der Regel auch junge Rosskastanien oder umgekehrt. Diese haben aufgrund der geringeren Anzahl bei der Interpolation eine geringere Gewichtung. Die räumliche Interpolation der Standzeit ist daher keine exakte Darstellung der Realität, sondern bildet diese nur angenähert ab und ist, wie bei Modellen üblich, eine idealisierende Abstraktion der Realität, die von den Merkmalen der Attribute abhängt (BÖHNER 2011). Die drei Karten in der Abbildung 4 zeigen Standorte mit besonders vielen jungen oder alten Rosskastanien, in welchen Stadtteilen große Stückzahlen vorkommen sowie an welchen Standorten sich die Bäume in den sieben Bezirken zentrieren.

Abbildung 4: Kerndichteberechnung der Einzelbaumstandorte, Auszählung der Rosskastanien pro Stadtteil und Interpolation zum Alter des Rosskastanienbestandes der Freien und Hansestadt Hamburg

4.2 Befallsdynamik

Abbildung 5 zeigt die räumliche Analyse zur Verbreitung der Pseudomonas-Rindenkrankheit anhand der aktuellen Verdachtsbäume und der bisher gefällten Rosskastanien. Die Karte ist somit keine Momentaufnahme der aktuellen Situation, sondern zeigt sämtliche Rosskastanienstandorte, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit in Zusammenhang gebracht werden. Einige Standorte sind oder waren besonders betroffen. Die Berechnung der Punktdichte hebt diese Standorte mit einem hohen Befallsdruck (rot) hervor. Je mehr kranke Bäume sich in dieser Region zentrieren, desto stärker ist die Ausprägung auf der Karte.

Abbildung 5: Verbreitungskarte der Pseudomonas-Rindenkrankheit

Abbildung 6a und 6b zeigen exemplarisch einen Hotspot in Hamburg-Bergedorf. Die zwei Straßenabschnitte liegen ca. 550 Meter voneinander entfernt. In der Ernst-Henning-Straße sind bisher 29 Rosskastanien von der Komplexkrankheit betroffen, 12 weitere Bäume sind mit Pae infiziert und vier Bäume sind bisher symptomfrei. Unter den symptomfreien Bäumen befinden sich zwei Rosskastanien der Art A. hippocastanum. Alle anderen Rosskastanien in der Ernst-Henning-Straße waren oder sind rotblühend. In der Justus-Brinkmann-Straße standen ausschließlich Rosskastanien der Art A. carnea. Von den ehemals 29 Bäumen mussten bisher 28 Rosskastanien gefällt werden, weil die Bruchsicherheit durch die Weißfäule-Erreger gefährdet war. Das plötzliche Auftreten unterschiedlicher holzzerstörender Pilze erhöht den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich und Beobachtungen von Verdachtsbäumen sind aufgrund dieses Schadbildes in verkehrswichtigen Räumen un-umgänglich (DUJESIEFKEN & GAISER 2014; FISCHER 2014).

Abbildung 6a, b: Hotspot der Rosskastanien-Komplexkrankheit in Hamburg-Bergedorf

Der Großteil der Fällungen betrifft in Hamburg bisher die rotblühende Art. Es werden zwar quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien verdächtigt, mit P. syringae pv. aesculi infiziert zu sein, aber die Zahlen bestätigen, dass die Rotblühende Rosskastanie stärker von der Komplexkrankheit betroffen ist und der Schadensablauf eine höhere Dynamik hat. Erkrankt eine Rotblühende Rosskastanie, muss sie in der Regel wenige Jahre später gefällt werden. Dies verdeutlicht auch den mitunter sehr schnellen Übergang zwischen den ersten Anzeichen der Bakteriose und dem Schadbild der Komplexkrankheit. Fruktifizieren zahlreiche Pilzfruchtkörper an einer mit Pae infizierten Rosskastanie, ist die Bruchsicherheit bereits deutlich gefährdet (DUJESIEFKEN 2018).

4.3 Folgen für den Hamburger Rosskastanienbestand

Abbildung 7 zeigt die gefällten Rosskastanien und Neupflanzungen im Stadtgebiet seit dem Jahr 2000. In dieser Statistik werden die Fällgründe nicht nach Baumaßnahmen, Vandalismus oder biotischen Schäden wie der Komplexkrankheit differenziert. Die Grafik verdeutlicht jedoch den exponentiellen Anstieg der Fällungen seit 2013 und zeigt anhand der ausbleibenden Ersatzpflanzungen den Negativtrend und damit das Gefährdungspotenzial für den zukünftigen Gesamtbestand der Hamburger Rosskastanien. Die stark zurückgehenden Pflanzzahlen von 2000 bis 2006 sind dabei die Konsequenz einer massiven Ausbreitung der Rosskastanienminiermotte und in den Folgejahren dann der Komplexerkrankung geschuldet. Zum Pflanzpeak 2007 wurden besonders viele Rotblühende Rosskastanien als Alternative zur Weißblühenden gepflanzt, weil sich die Larven der Miniermotte in den Blättern von A. carnea nicht entwickeln (DOOBE & ZUNKE 2007). Doch der Hoffnungsträger wurde mit der Bakteriose und der folgenden Komplexkrankheit wenige Jahre später zum Problembaum. Fällungen in Grünanlagen werden separat anhand der grünen Linie dargestellt, um zu verdeutlichen, dass die Fällungen hier seit 2010 ebenfalls angestiegen sind.

Abbildung 7: Pflanzungen und Fällungen von Rosskastanien seit dem Jahr 2000 in Hamburg

Abbildung 8 zeigt die räumliche Verteilung der Arten und Sorten im Stadtgebiet. Es wird schnell deutlich, dass der Befall inzwischen flächendeckend auftritt. Zu Beginn des Monitorings entfiel noch der Großteil der Fällungen auf die rotblühende Art, obwohl quantitativ mehr Weißblühende Rosskastanien symptomatisch waren. Die Ausfälle bei A. hippocastanum häufen sich allerdings in der jüngsten Vergangenheit.

Abbildung 8: Räumliche Verteilung der gefällten Bäume und der Verdachtsbäume

Bei der Herbstauswertung 2019 war die Zahl der gefällten Rosskastanien erstmals höher als die der Pae-Verdachtsbäume. Die Daten der bezirklichen Baumkontrolle aus dem Jahr 2019 werden im ersten Quartal 2020 gefiltert. Es ist davon auszugehen, dass Neubefunde hinzukommen werden. Zudem fruktifizieren erfahrungsgemäß noch zahlreiche Pilzfruchtkörper zwischen November und Januar. Im Herbst/Winter 2019 wurden bereits 71 Weiß- und Rotblühende Rosskastanien mit Pilzfruchtkörpern erfasst. Besonders schwer ist eine historisch angelegte Rosskastanienallee im Waldbestand des Niendorfer Geheges betroffen. 17 Rosskastanien müssen hier gefällt werden. Auslöser ist ebenfalls das verstärkte gemeinsame Auftreten des Rötenden Runzel-Schichtpilzes, des Samtfußrüblings und des Austernseitlings – typische Schaderreger der Rosskastanien-Komplexkrankheit (GAISER et al. 2013).

4.4 Verbreitung im Stadtgebiet

Um die Verbreitungsdynamik der Pseudomonas-Rindenkrankheit beurteilen zu können, bedarf es einer detaillierten zeitlichen Erfassung. Die Einträge in den Bemerkungsfeldern des Baumkatasters lassen sich über die Historienverwaltung jährlich nachvollziehen. Zweifellos ist ein exponentieller Anstieg der Einträge zur Pseudomonas-Rindenkrankheit im Baumkataster seit 2013 festzustellen (Abbildung 9). Aus dem Jahr 2007 konnten lediglich die Ergebnisse der ersten Reihenuntersuchung und die zwei Befunde vom Institut für Baumpflege im Bezirk Altona zurückverfolgt werden. Auch aus den Jahren 2008 bis 2013 sind nur wenige Einträge im Baumkataster vorhanden, weshalb diese Jahre nicht dargestellt werden. Das unterstreicht die Bedeutung der Arbeit der Mitarbeiter*innen der Baumkontrolle, deren Aufgabe es ist, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten und den Zustand der Bäume gerichtsfest zu dokumentieren (FLL 2010).

Im Gegensatz zur Komplexerkrankung führt die Symptomatik der bakteriellen Infektion nicht zwingend zu einem verkehrsgefährdenden Zustand der Bäume; zumindest solange nicht, wie der Baum vital ist und keine weiteren Schaderreger auftreten (DUJESIEFKEN et al. 2008). Da das Bakterium bereits 2007 weiträumig im Stadtgebiet nachgewiesen wurde, aber nicht zwingend Konsequenzen für die Baumkontrolle ergab, ist der exponentielle Anstieg der Einträge seit 2013 zwar ein mögliches Indiz für das plötzliche Auftreten in den unterschiedlichen Regionen und könnte mit der Ausbreitung des Bakteriums zusammenhängen, aber auch eine verspätete Wahrnehmung in der Baumkontrolle hätte diesen Effekt (BERGMANN & SOLDAN 2008). Erst das plötzliche Auftreten unterschiedlicher holzzerstörender Pilze hat den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich verändert (DUJESIEFKEN & GAISER 2014). Aufgrund dieser Tatsache ist der plötzliche Anstieg der Einträge im Baumkataster seit 2013 auf das veränderte Krankheitsbild der Komplexerkrankung und das erhöhte Gefahrenpotenzial zurückzuführen.

Die Reaktion der Rosskastanien auf das Pathogen kann keinem bestimmten wiederkehrenden Muster zugeordnet werden und der Krankheitsverlauf differiert zeitlich sehr. In Hamburg stehen Rosskastanien, die bereits seit mehr als zehn Jahren nachweislich krank sind und ihre Verkehrssicherheit dennoch behalten haben. Andere Bäume sterben nach kurzer Zeit ab und es scheint, als wenn sie keine Abwehrreaktionen zeigen würden. Einige Exemplare waren nach den ersten Anzeichen der bakteriellen Infektion bereits wenige Jahre später bruchgefährdet und mussten gefällt werden.

Abbildung 9: Pae-Verdachtsbäume, die im jeweiligen Jahr erfasst wurden.

Neben den beschriebenen Hotspots mit einem erhöhten Aufkommen sind aber auch Einzelbäume im gesamten Stadtgebiet betroffen. Als weiteres Phänomen stehen immer wieder gesunde und erkrankte Rosskastanien in unmittelbarer Nähe zueinander. Dies kann auf mögliche Resistenzen hindeuten und wurde ebenfalls von DUJESIEFKEN (2018) beobachtet und beschrieben. Fünf Rosskastanien wurden bereits 2007, 2014 und teilweise 2018 positiv auf das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi getestet und sind bis heute vital. An zwei dieser fünf Bäume waren 2018 vom Boden betrachtet keine Leckstellen zu erkennen und sie wurden daher nicht erneut beprobt. Eine Abschottung des befallenen Gewebes und die damit verbundene natürliche Schutzfunktion des Baumes könnte die Ausbreitung des Bakteriums im Baum verhindert haben. Keiner dieser Bäume stellt aktuell eine Gefahr für den öffentlichen Raum dar.

Bemerkenswert ist, dass alle fünf Bäume der Art A. hippocastanum angehören und mindestens 50 Jahre am Standort stehen. Diese sehr heterogenen Krankheitsbilder unterstreichen den hohen Forschungsbedarf beim Infektionsverlauf, da europaweite Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen (STEELE et al. 2010; DE KEIJZER et al. 2012; SCHMIDT et al. 2014).

In Hamburg sind alle Altersklassen der weißblühenden und rotblühenden Art betroffen (Abbildung 10). Dies deckt sich mit anderen Untersuchungen (GAISER 2012; GAISER et al. 2013; FISCHER 2014; FRÖHLICH et al. 2016). Dennoch ist selbst bei Einbeziehung einer Dunkelziffer die Gesamtzahl erkrankter Rosskastanien in Hamburg weit von den 50–70 % entfernt, wie sie für andere Regionen in Nordwestdeutschland, den Niederlanden oder Großbritannien angegeben werden (DIJKSHORN-DEKKER 2005; Forestry Commission 2008; FRÖHLICH et al. 2016). Ein Grund dafür, warum in Hamburg bisher nur ca. 15 % – ausgehend vom Baumbestand 2013 – betroffen sind, könnte darin liegen, dass in Hamburg ein gewachsener weißblühender Rosskastanienbestand (A. hippocastanum) steht, bei dem fast die Hälfte der erfassten Bäume vor 1960 gepflanzt wurde.

4.5 Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018

Während der dritten Reihenuntersuchung 2018 wurden 104 Proben untersucht. Diese verteilen sich auf 94 Rosskastanien, von denen 74 Exemplare zu der weißblühenden Art (A. hippocastanum) und 20 zu der rotblühenden Art (A. carnea) gehören. Abzüglich der Bäume, die mehrfach beprobt wurden, konnte bei 82 Einzelbäumen Pae nachgewiesen werden. Die positiven Pae-Nachweise sind auf der Karte in Abbildung 8 als rote Punkte und die negativen als grüne dargestellt. Die aktuellen Verdachtsbäume, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit assoziiert werden, sind blau gekennzeichnet. Weiße Punkte bilden den erfassten Einzelbaumbestand der Rosskastanien im Stadtgebiet ab. Ein Phytophthora-Befall konnte bei sieben Rosskastanien der Art A. hippocastanum nachgewiesen werden. Diese Rosskastanien sind als schwarze Punkte auf der Karte dargestellt (Abbildung 11).

Abbildung 10: Verdachtsbäume und gefällte Rosskastanien nach Alter klassifiziert

Abbildung 11: Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018 in Hamburg

Die Sequenzierung ergab, dass es sich bei allen Proben um die Phytophthora-Art P. cactorum handelt. An drei der sieben Rosskastanien wurde eine Koinfektion mit Pae festgestellt. Der Nachweis erfolgte noch am selben Tag der Probenentnahme, sodass die Ergebnisse schon vor dem nächsten Durchgang vorlagen. Ergebnisse, die nicht zur Baumansprache passten, konnten daraufhin mit einer zweiten Probe überprüft werden. Die räumliche Verteilung zeigt deutlich, dass in fast allen Stadtteilen, in denen Rosskastanien stehen, nachweislich das Bakterium vorkommt. Der makroskopische Verdacht der Mitarbeiter*innen aus der Hamburger Baumkontrolle wurde in ca. 90 % aller Fälle bestätigt. Dies kann als Beleg gesehen werden, dass in Hamburg im Rahmen der Baumkontrolle bereits eine sehr sichere visuelle Einschätzung zum Pathogenverdacht erfolgt (MELZER et al. 2019).

Jahrbuch der Baumpflege 2020

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