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III

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Für die (durchaus kritische) Auseinandersetzung Sannas mit der deutschen wie mit der italienischen Dichtung des 20. Jahrhunderts stehen exemplarisch die Namen Gottfried Benn und Eugenio Montale. Benn übt auf Sanna insofern einen zumindest mittelbaren Einfluss aus, als er, nach Kriegsende zum identitätsstiftenden Autor und idealen Vertreter einer im konservativen Sinne verstandenen Moderne erklärt, mit seinen Statischen Gedichten (1949) sowie den folgenden Sammlungen Fragmente (1951), Destillationen (1953) und Aprèslude (1955) tatsächlich bis Anfang der 1960er Jahre das literarische Leben der Bundesrepublik beherrscht. Die kurzfristige Sympathie mit dem Nationalsozialismus und seine aristokratisch begriffene „Innere Emigration“ schaden ihm dabei nicht, im Gegenteil, mit der Rehabilitation Benns erteilt sich, inzwischen selbstbewusst geworden, das Adenauer-Deutschland eine literarisch-politische Absolution. Benns Ruhm – unter anderem erhielt er 1953 von Theodor Heuss das Bundesverdienstkreuz – gründet, abgesehen davon, dass ernsthafte Konkurrenten fehlen, hauptsächlich auf seiner entschieden vertretenen Position des apolitischen, ichbezogenen Dichters, der, jegliches Engagement ablehnend, eine im Grunde romantisch-eskapistische, also sehr deutsche Gefühlslyrik ins 20. Jahrhundert hinüberrettet. Am restaurativen Literaturverständnis jener Zeit, das einem von außen kommenden, unvoreingenommenen Blick umso deutlicher wird, setzt Sannas kritische Beschäftigung an. Obwohl sich eine Reihe Reminiszenzen, intertextueller Bezüge oder Parallel-Stellen zu Versen und Gedichten Benns leicht nachweisen lassen, vor allem in der ersten Sammlung Fünfzehn Jahre Augenblicke, lehnt Sanna schnell Benns zynische Haltung des elitären und kultur-pessimistischen Dichters ab und verneint entschieden die Frage, ob eine aus der Zeit gelöste Haltung der Kunst um der Kunst willen nachahmenswert sei. Vordergründig politisch gibt sich freilich Sanna nie; es fehlen, sieht man von Carnevale ’59 (Wacholderblüten) ab, Auseinandersetzungen mit der unmittelbaren deutschen Vergangenheit; nur ein einziges Mal, in Erano i frutti ancora/ verdastri… (Mnemosyne), ereignet sich plötzlich ein flashback in die Vergangenheit, öffnen sich die „falde/d’un tempo barbarico“ (S. 352). Vielmehr widmen sich – und hierin liegt Sannas Engagement, das ihn von Benns sprichwörtlichem Nihilismus trennt – wiederholt Gedichte den sich verändernden gesellschaftlichen Zuständen im Deutschland und Italien der späten 1960er und 1970er Jahre (etwa Ingrid, Filastrocca oder Paternale in Wacholderblüten); Vorbild dieser nie belehrenden, aber oft ironischen Betrachtungsweise dürfte Heinrich Heine sein, über dessen Epen Atta Troll und Deutschland. Ein Wintermärchen Sanna promovierte (vgl. Hoppla… und Parcheggio, beide Löwen-Maul).

Der zweite Autor, für Sanna ungleich leitbildhafter, ist Montale. Sanna erkennt in ihm den wohl internationalsten italienischen Autor des 20. Jahrhunderts, denjenigen, der durch Rezensionen und eigene Übersetzungen (hauptsächlich aus dem Englischen, u.a. Dylan Thomas, T.S. Eliot, Ezra Pound) die zeitgenössische ausländische Literatur dem italienischen Publikum vorstellt. Montale erscheint als Modell des zwischen den Literaturen vermittelnden, des europäischen Dichters mit weltliterarischem Hintergrund; außerdem ignorierte Montale nie das Zeitgeschehen, dafür steht, was zu seinem hohen Ansehen nach dem Krieg ebenfalls wesentlich beitrug, seine eindeutige Ablehnung des Faschismus. Von dieser in Montale beispielhaft vorgebildeten Rolle des Dichters abgesehen, regen insbesondere die zweite Periode, die späten Zyklen, Sanna an, der, als Montale 1981 stirbt, in seiner Würdigung darauf hinweist, dass die italienische (oder allgemein die moderne) Lyrik gerade aus diesen gemeinhin für gering geachteten Gedichtsammlungen zu einer Erneuerung gelangen könne. Aus Satura (1971), dem Diario del ’71 e del ’72 (1973) und dem Quaderno di quattro anni (1977) zieht Sanna poetologischen Gewinn, beobachtet den ganz neuartigen Notat-Charakter einer Lyrik, die, allem Pathos misstrauend, das Gedicht auf nie zuvor gekannte Weise in den Alltag einbettet. Sein stark an der arte povera ausgerichtetes, zutiefst mimetisches Gestaltungsprinzip thematisiert Montale selbst in Realismo non magico (Satura II), darin er einer allen Zaubers beraubten Wirklichkeit das Wort redet, einer ernüchterten Wirklichkeit, die auf die Frage „Che cosa resta incrostato/nel cavo della memoria“ mit der Aufzählung banaler Lebensereignisse antwortet. Aus dieser unbeteiligten, kühlen, wie zurückgenommenen Darstellungsweise, die ihm als der Moderne einzig gemäß erscheint (und vielleicht als Reaktion auf eine poesie-feindliche Welt zu sehen ist), bezieht Montales späte Lyrik ihre überzeugende poetische Kraft. – Beide, Montale (Xenia I und Xenia II, Satura) und Sanna (Mnemosyne) schreiben über den Tod der Partnerin, ein klassisches, vor allem durch Petrarca der italienischen Literatur empfohlenes Thema; beide um-schreiben ihn, gehen ihn langsam, auf Umwegen an, setzen ihn aus mehreren Gedichten zusammen – und dennoch gewinnt der Tod, jenseits romantischer Gefühlsausbrüche, eine bedrohliche Gestalt. Wie verschieden die Lyriker Montale und Sanna voneinander letztlich bleiben, zeigt ein Blick auf zwei aus dem gleichen Anlass hervorgegangene Gedichte. Noch in A mia madre (La bufera, 1940–54) nimmt Montale angesichts des Todes seiner Mutter Zuflucht zu einem beschwörenden, neo-klassischen Tonfall („Ora che il coro delle coturnici/ti blandisce nel sonno eterno…); Sannas Gedicht Abschied (Feste) hingegen reiht Bild an Bild, Eindruck an Eindruck („Sorriso giovanile, odore/acre d’alghe bruciate/sciacquio di mare“, S. 236) und überzeugt durch den Schmerz, der sich hier unverfälscht Bahn bricht.

Zum poetischen Werk von Salvatore A. Sanna

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