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Lernsituation 1: Fallbeispiel strukturelle Gewalt
ОглавлениеPflegestudentin Mia Geißner betritt den Wohnbereich 2 eines Altenpflegeheims. Mittlerweile ist es bereits ihr drittes Dienstwochenende dort und sie freut sich jetzt auf die Frühstückspause mit den Kolleginnen. Der praktische Einsatz gefällt ihr. Nach der morgendlichen Übergabe durch den Nachtdienst bleibt ihr und den anderen Pflegenden noch Zeit, in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Nach einigen Minuten klingelt das Telefon: Eine Kollegin des gerontopsychiatrischen Bereiches bittet um Unterstützung bei der Morgenpflege der BewohnerInnen, da es ansonsten für die vorhandene Besetzung heute unmöglich sei, bis zum Frühstück die alten Menschen zu versorgen. Frau Geißner ist sofort klar, dass sie aufgrund ihres Studentenstatus diejenige sein wird, die heute dort aushelfen muss.
Als sie die gerontopsychiatrische Station betritt, wird sie bereits von der Wohnbereichsleitung Lea Ahmann erwartet. Sie wird mit den Worten begrüßt, dass es heute die »reinste Waschstraße« sei. Der Versuch der WBL, weiteres Personal zu organisieren, sei aufgrund der Tatsache gescheitert, dass das Haus ansonsten personaltechnisch an diesem Dienstwochenende schlecht besetzt sei, so Frau Ahmann. Die beiden Pflegenden beginnen gemeinsam ihre Arbeit. Im ersten Zimmer angekommen, beginnt Mia Geißner während der Körperpflege ein Gespräch mit der Bewohnerin Frau Albrecht. Die genervten Blicke von Frau Ahmann ignoriert sie einfach. Nachdem die erste Bewohnerin versorgt ist, ziehen die beiden Pflegerinnen weiter. Vor dem nächsten Zimmer wird Mia darauf aufmerksam gemacht, dass die Zeit für ausgiebige Gespräche nicht ausreiche und sie einfach nur das Nötigste machen solle: »Was quatschst du so lange, wir müssen doch arbeiten!« Verdutzt nickt Mia die Anweisung ab. Ohne viele Worte beginnt sie im nächsten Zimmer rasch mit der Körperpflege eines älteren, bettlägerigen Mannes. Herr Meier macht jedoch mit einigen deutlichen Handbewegungen klar, dass er nicht gewaschen werden möchte. Genervt wirft Mia den Waschlappen zurück in die Waschschüssel mit den Worten, dass er an diesem Tag dann halt gar nicht mehr gewaschen werde. Sie schaut Herrn Meier zornig an und sagt: »Wenn der Popo eben dreckig bleiben soll, dann ist das Ihr Problem!« Herr Meier schließt daraufhin seine Augen.