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Lernsituation 2: Fallbeispiel Umgang mit Aggressionen im Gespräch
ОглавлениеFür die Pflegestudentin Nicole Kern ist es mittlerweile der zwölfte Frühdienst in Folge. Glücklicherweise ist heute Freitag und dem Start ins Wochenende steht nichts mehr im Weg. Es muss lediglich noch eine angekündigte Neuaufnahme ausgearbeitet und das Mittagessen verteilt werden. Um circa 11:45 Uhr wird Herr Becker in Begleitung der Aufnahmeschwester im Bett auf die Station gefahren. Er hat einen dicken Gipsverband um sein rechtes Bein. Während Praktikantin Mona Hartz den Patienten auf sein Zimmer bringt, hört Frau Kern der Übergabe zu. Die Aufnahmeschwester erzählt, dass Herr Becker auf dem Weg zum Supermarkt gestürzt sei und sich eine Fraktur des Wadenbeines zugezogen habe.
Nicole Kern verschiebt das Ausarbeiten der Unterlagen auf später und beginnt mit dem Verteilen des Mittagessens. Als sie bei Herrn Becker angekommen ist, bringt sie ihm ein Zugangsessen. Er hebt die Abdeckung des Tellers hoch und zeigt mit seiner Mimik deutlich, was er davon hält. Es ist Freitag und da gibt es in katholischen Krankenhäusern immer Fisch – Herr Becker hasst Fisch! Das erkennt Frau Kern sofort an seiner Mimik. Herr Becker fordert die Pflegerin barsch auf, etwas anderes zu bringen: »Du blöde Kuh bist zu dumm, ein gescheites Essen zu besorgen!« Die Pflegerin sichert ihm das Essen zu und ruft direkt in der Küche an. Gestresst gibt die Küchenaushilfe jedoch zu verstehen, dass es heute nichts anderes mehr gebe, da die vegetarischen Gerichte bereits vergriffen seien. Damit kehrt Frau Kern zu Herrn Becker zurück. Dieser gibt ihr trotzig die Anweisung, das Tablett wieder mitzunehmen, und bittet darum, dass jemand ihn aufgrund seiner eingeschränkten Mobilität in die Cafeteria begleiten möge, damit er sich dort etwas holen könne. Frau Kern muss jedoch noch vor der Übergabe seine Unterlagen ausarbeiten und die Praktikantin ist damit beschäftigt, einer weiteren Dame das Essen anzureichen. Frau Kern bleibt also nichts anderes übrig, als Herrn Becker seine Bitte zu verwehren und ihm schlechten Gewissens Zwieback anzubieten: »Es tut mir leid, aber da kann ich auch nichts mehr für Sie tun!« Sie wendet ihren Blick von ihrem Patienten und verlässt das Zimmer ohne ein weiteres Wort.