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5 Schlussbetrachtung

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So spät man die Relevanz auch erkannt haben mag (Schmitt 2001, 438), stellt die Beschäftigung mit sprachlichen Normen nunmehr eine linguistische Daueraufgabe dar (Schmitt 2001, 463), denn: „Eine geordnete verständnissichernde Kommunikation erscheint ohne die Befolgung von Sprachnormen unmöglich“ (Winkelmann 1990, 335). Sprachnormen entstehen in bestimmten historischen Zusammenhängen und sind in ihrer jeweiligen Ausprägung relativ arbiträr (Settekorn 1988, 7). Serianni (1991, 4) verglich den Wandel der Normen einmal mit dem Wandel des Schamgefühls in der Gesellschaft:

Il ‚comune senso linguistico‘ è un po’ come il ‚comune senso del pudore‘ ammesso dal vigente codice penale: benché entrambi siano soggetti a cambiare nel tempo e nello spazio, esistono certi comportamenti sicuramente devianti che susciterebbero in ogni caso e in qualunque situazione una reazione di rifiuto.

Für den Nichtsagbarkeitskodex gibt es hinreichend historische Belege. Man denke z.B. an die préciosité des 17. Jh. in Frankreich und Italien (Lebouc 2007, 82). Einige Ausdrücke konnten sich nachhaltig in der Gemeinsprache etablieren, so etwa perdre son sérieux oder laisser mourir la conversation (Lebouc 2007, 85). Auch das Hexagonal, das darin besteht, dass statt eines einfachen, klaren Ausdrucks ein möglichst prätentiöser, aufgeblasener gewählt wird, reiht sich hier ein.1

Wunderli (2006, 362–363) zufolge ist Romanische Philologie oder vergleichende Romanistik immer dort gefragt, wo es um Sprachverwandtschaft oder um den Vergleich von (romanischen) Sprachen geht. Ergänzend zur historischen Dimension bietet eine solche Betrachtung auch Erklärungen für das aktuelle Sprachgeschehen. In einer zunehmend globalisierten und mediatisierten Welt scheint mir eine solche vergleichende Perspektive einen angemessenen Rahmen zu bilden für das Verständnis von Normdiskussion und Normwandel, aber auch von Diskussionswandel, wie er sich am Beispiel der neuen Medien zeigt. So konnte in diesem Beitrag gezeigt werden, dass zwar die Sprachverwendungskritik, die sich auf das Phänomen des sog. re-namings (Hughes 2010, 15) richtet, in Italien und Frankreich konvergiert, dass die Diskussion in anderen Bereichen, wie dem geschlechtergerechten Sprachgebrauch, jedoch unterschiedlich verlaufen kann.

In einer übergeordneten Perspektive steht die Beschäftigung mit sprachlichen Normen im Dienste der Herausbildung und Förderung von Sprachbewusstsein (Scharnhorst 1999, 275). Zwar besteht in Italien – anders als in Frankreich – große Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in die Sprachentwicklung: „C’è una gran diffidenza verso gl’interventi in fatto di lingua. Si ha paura che vengan giudicati non democratici“ (Nencioni 1995, 92). Antonelli (2016, 61) zufolge begünstigt ein gewisser Druck jedoch durchaus Veränderungen im Sprachbewusstsein. In einem mehrsprachigen Europa ist ein solches Sprachbewusstsein elementar, und die Romanistik kann viel zu dessen Herausbildung beitragen. Die Einnahme der Beobachterperspektive und die vergleichende Reflexion dürfen hier nicht unterschätzt werden. Treffender als mit den Worten Bolellis (1988, 70) könnte die Aufgabe der Linguistik in einem solchen Kontext nicht beschrieben werden.

Io ritengo che [il linguista] debba oggi non solo osservare la realtà ma intervenire e non tanto per condannare quanto per spiegare e soprattutto per far riflettere i lettori.

Fachbewusstsein der Romanistik

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