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4 Augmenter, diminuer…: Quantitive Ausdrücke in Wirtschaftsdiskursen1

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Ich komme mit diesem Kapitel zum Kern meines Beitrags, denn die quantitativen Ausdrücke entsprechen im Rahmen der Wirtschaftssprache genau dem, was ich als „Mittlere Schicht“ beschreiben möchte. Im Gegensatz zur Terminologie und in ähnlicher Weise wie die Rankings, denen das folgende Kapitel 5 gewidmet sein wird, sind die quantitativen Ausdrücke nicht nur für ein Fach charakteristisch, sondern für ganze Bündel verwandter Disziplinen. Zum Beispiel kann man die sprachlichen Mittel untersuchen, mit denen Statistiken wiedergegeben werden, und das betrifft dann eine ganze Reihe von Fächern, in den Natur- wie auch in den Sozialwissenschaften, zwischen denen es allerdings signifikante Unterschiede geben dürfte. Und – um ein weiteres Beispiel zu geben – die Ausdrücke für Ursachen und Wirkungen sind wahrscheinlich nicht identisch in Diskursen der technischen und der naturwissenschaftlichen Disziplinen, wobei es auch Überschneidungen geben könnte.

Beginnen wir also mit den quantitativen Ausdrücken, und hier mit dem Teilbereich der sprachlichen Mittel für das Steigen und Fallen von Zahlen und Werten; es handelt sich um einen Bedeutungsbereich, der im Sinne der kognitiven Linguistik auch als „Frame“2 beschrieben werden kann. Schon in unserem Text (1) gab es mehrere Beispiele dafür:

10) …cela provoquerait une explosion du coût de l'immobilier, déjà astronomique dans la capitale française. Paris est la deuxième ville la plus chère d'Europe, derrière Londres où les prix ont bondi de 76 % de 2009 à 2016 (alors que les salaires britanniques n'ont pas augmenté ). Socialement, un coût de l'immobilier élevé contribue à la montée des injustices et des inégalités

Diese kurze Passage ist deswegen interessant, weil das Steigen und Fallen in mehreren syntaktischen und semantischen Varianten vorkommt: von der Standard-Variante in verbaler (augmenter) und nominaler (montée) Form, bis zu metaphorischen Ausdrücken für denselben Sachverhalt, ebenfalls verbal (bondir) und nominal (explosion). Auffällig ist auch die Präpositionalsyntax, die diese Einheiten umgibt: V augmente (V ist der Wert – la valeur – deren Veränderungen man verfolgt), V bondit de n (n symbolisiert eine Zahl, hier einen Prozentsatz), une explosion de V, la montée de V. Ich beginne mit einer kurzen semantischen Einteilung dieser Ausdrücke, um dann deren Metaphorik und schließlich die sie umgebende Syntax zu analysieren.

Die sprachlichen Mittel des Bedeutungsfelds/Frames Steigen/Fallen können nach folgenden Kriterien eingeteilt werden:3

 Steigen vs. Fallen vs. Veränderung ohne Richtungsangabe vs. Gleichbleiben (augmenter, diminuer, osciller, se maintenir)

 Verbale vs. nominale Ausdrücke (s’accroître – accroissement; se réduire – réduction; osciller – oscillation; stagner – stagnation)

 Autonome vs. passive Veränderung = Intransitivität vs. Transitivität (s’améliorer – améliorer, se réduire – réduire)

 Positive / negative / neutrale Evaluation der Veränderung (envolée – explosion – bond)

Was die Metaphorik anbelangt, so stellt man fest, dass sogar die Standardvariante metaphorisch ist, denn hier werden numerische Werte in den Raum projiziert. Das entspricht einer konzeptuellen Metapher, wie sie Lakoff/Johnson (1980) beschreiben: WENIG = UNTEN, VIEL = OBEN, bzw. in einer komparativen Variante: WENIGER = UNTEN, MEHR = OBEN. Auch die „sekundären“, viel deutlicher metaphorischen, Varianten bondir und exploser entsprechen im Übrigen derselben konzeptuellen Metapher, zu der allerdings weitere Metaphorisierungen hinzukommen. Den grundlegenden metaphorischen Prozess dabei beschreibt Schifko (1992, 560-562):

Der entscheidende Schritt von der direkten zu einer metaphorischen Ausdrucksweise geschieht durch die Projizierung der quantitativen Äußerung in den Raum. […] Die erste Stufe, bei der nicht immer klar entscheidbar ist, ob es sich um eine metaphorische handelt, ist die Transposition des Mehr- bzw. Wenigerwerdens in ein Größer- bzw. Kleinerwerden, d.h. die Sicht der Anzahl als räumliche Dimension. […]

Bei Aufwärtsbewegungen geht es mit den Meßzahlen ‚nach oben‘ […], bei Abwärtsbewegungen ‚nach unten‘ […], wohl einem menschlichen Urempfinden entsprechend, welches auch bei den die Daten begleitenden Graphiken zum Ausdruck kommt […]. Die Bewegung kann abstrakt oder konkretisiert als Fliegen, Tauchen, Klettern, Graben, etc., in Erscheinung treten.

Wenn man es genauer betrachtet (Abb. 1), erkennt man allerdings, dass die Basismetapher über die simple Vertikalität hinausgeht und einem wesentlich komplexeren Schema entspricht. Der Schlüssel liegt in jenen Graphiken, die bereits von Schifko (s.o.) erwähnt werden: Das Steigen und Fallen von Werten wird im Allgemeinen in Form von Kurvengraphiken visualisiert, mit der Zeit auf der X-Achse und den Werten auf der Y-Achse. Auf genau diese Art von Graphiken beziehen sich die entsprechenden sprachlichen Ausdrücke.

Abb. 1:

Kurvengraphik – steigen – fallen – gleichbleiben

Quelle: http://lelabodanissa.blogspot.com/2015/11/analyser-un-graphique.html [30/12/2018]

Es gibt übrigens noch eine weitere sekundäre Metaphorisierung (Abb. 2), die diese graphische Darstellung überlagern kann: Wenn die Fluktuationen der Werte eine Zeichnung ergeben, die einer Gebirgslandschaft ähnelt, dann kann man das so interpretieren, dass die Werte klettern (grimpent) oder einen Gipfel erreichen (atteignent un sommet).4 Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass die Metapher der Kurvengraphik für sämtliche Teildisziplinen der Wirtschaftswissenschaft absolut fundamental ist. Wahrscheinlich ist sie es auch noch für eine Reihe anderer Fächer, nämlich für all jene, in denen Statistiken eine wichtige Rolle spielen. Die auf die Kurvengraphik referierenden sprachlichen Mittel zu analysieren, ist daher unabdingbar für jede Beschreibung der Wirtschaftssprache wie auch für deren Unterricht – und das, obwohl die entsprechenden Ausdrücke nicht als terminologisch angesehen werden können. Diese Feststellung unterstreicht die Bedeutung der Mittleren Schicht für das Verständnis der grundlegenden kognitiven Strukturen der betreffenden Fächer.

Abb. 2:

Beispiel einer Kurvengraphik vom Typ „Bergkette“

Quelle: http://astuces.jeanviet.info/bureautique/excel-2007-creer-des-graphiques-qui-reagissent-a-vos-donnees.htm [30/12/2018]

Aus Freude an der Vielfalt der fachsprachlichen Mittel möchte ich hier eine Auswahl an weiteren sekundären Metaphern anschließen, die die Kurvengraphik- oder jedenfalls Vertikalitäts-Metapher überlagern und sich teilweise auf sie stützen. Diese Metaphern sind unterschiedlich, je nachdem ob die Entwicklung positiv oder negativ bewertet wird, und sie sind überall dort zahlreicher, wo eine Evaluierung stattfindet und nicht einfach eine neutrale Berichterstattung; vgl. die Ausdrücke s’envoler und bondir im Vergleich zu exploser, aber auch das nicht ganz so dynamische s’alourdir (z. B. über Schulden), alle im Sinne der Vertikalität.5 Häufig wird die Steigerung auch als eine Beschleunigung (accélération) dargestellt, die Verringerung dementsprechend als Verlangsamung (ralentissement, z. B. der wirtschaftlichen Aktivität), das entspricht der Interpretation der Kurve als Bewegung. Dabei besteht ein Zusammenhang mit den Maschinen- und insbesondere mit den Verkehrsmittel-Metaphern (les moteurs de la croissance, un coup de frein aux exportations). Architektur-Metaphern (der Vertikalität) kommen vor, wenn ein Grenzwert (un plafond / un plancher) über- oder unterschritten wird. Dazu gibt es auch eine Bewegungs-Metapher aus dem Bereich der Seefahrt: passer le cap des mille milliards de dollars. Nicht zu vergessen natürlich die anthropomorphischen oder generell die Lebewesen-Metaphern, die so gut wie immer eine positive oder negative Evaluierung mit sich führen: le gonflement des carnets de commandes versus une cure d’amaigrissement de la fonction publique, le ramollissement des critères de convergence versus le redressement de l’emploi, l’entreprise XY redresse la tête après plusieurs exercices difficiles versus le fléchissement de la conjoncture; auch hier ist fast immer oben positiv.

Wozu aber sind all diese Metaphern gut? Warum werden sie so gerne eingesetzt und unendlich variiert? Meines Erachtens dienen sie vor allem der stilistischen Variation – denn im Wirtschaftsjournalismus geht es ja eigentlich immer um dieselbe Art von Fakten, um ein Steigen oder Fallen des Wachstums, der Beschäftigung, der Exporte etc. für ein Land, bzw. des Personalstands, der Gewinne, der Marktanteile für ein Unternehmen. Was kann man tun, um sich da nicht endlos zu wiederholen? Vor dieses Dilemma gestellt, sind die JournalistInnen wenn schon nicht um Innovation, dann doch zumindest um größtmögliche Variaton bemüht. Nur sehr selten stößt man in der Tat auf wirklich Originelles, oft allerdings auf extreme Vielfalt, die aus dem reichen Fundus der Steigen-Fallen-Ausdrücke schöpft und so die Lektüre der Wirtschaftsberichte mit einer Prise von Infotainment zu würzen versteht.

Bevor wir nun zu einem verwandten und von denselben stilitischen Variations-Zwängen geprägten Bereich übergehen – den Ranking-Ausdrücken im Sport und in der Wirschaft –, möchte ich noch einige interessante syntaktische Aspekte beleuchten, die mit den Steigen-Fallen-Ausdrücken verbunden sind. Konkret soll beschrieben werden, wie sich rund um die verbalen und nominalen Ausdrücke des Steigens und Fallens herum der Ausdruck wichtiger „Frame“-Elemente gestaltet; zu diesem „Frame“ gehören ja z. B. die Variable, die am Steigen und Fallen ist (diese ist ein Pflicht-Element), die Ursache bzw. der Urheber der Veränderung (fakultativ) und vor allem auch (hochfrequent), der Umfang der beobachteten Veränderung in Form einer Zahl, häufig eines Prozentsatzes. Wir werden uns ganz besonders diesem letzteren Element zuwenden, das sich in einer speziellen Syntax ausdrückt, die (jedenfalls im Vergleich zum Deutschen) allerlei Überraschendes zu bieten hat.

Vorher sei uns noch ein kleiner Exkurs zur allgemeinen Syntax der Ausdrücke für Zahlen und Werte im Französischen gestattet, also ausnahmsweise ohne Bezug auf das Steigen oder Fallen. Die Angabe eines Wertes ohne Erwähnung einer Veränderung geschieht mit Hilfe von speziellen verbalen Ausdrücken, die jeweils eine eigene Präposition (meist de oder à) regieren: s’élever à, être de, correspondre à, se chiffrer à… Es gibt aber auch transitive Verben, die den Wert als Objekt nehmen, wie z. B.: l’Autriche connaît une inflation de 2,1 %, ce pays compte 8 millions d’habitants, il enregistre une croissance de 2 % etc. Wenn der Wert oder Prozentsatz ein Nomen ergänzt, geschieht das mittels der Präposition de, manchmal auch mit à hauteur de: des dépenses de 6 milliards, des recettes à hauteur de 8 milliards; aber die Rollen können auch vertauscht werden: 6 milliards de dépenses. Die Präposition avec erscheint, wenn der Wert in Form einer Apposition hinzugefürgt wird: Seule la Suisse, avec 3 %, se voit attribuer un score meilleur. Ein Sonderfall ergibt sich, wenn ein und derselbe Wert mittels zweier unterschiedlicher Zahlen ausgedrückt wird, einer absoluten Zahl und eines Prozentsatzes. Der Standard-Ausdruck ist in diesem Fall soit: 4 milliards d’euros, soit 3,6 % du PIB. Handelt es sich um einen Einheits- oder Durchschnittswert, z. B. einen Wert pro Einwohner oder pro Tag, dann verwendet man par: 23 800 US dollars par tête d’habitant. Interessant sind auch die Ausdrücke für Approximation: de l’ordre de, environ, autour de, aber auch plus de und moins de sowie dessen Äquivalent près de, letztere für Annäherungen von oben oder von unten. Und nicht zuletzt verfügt das Französische über eine systematische Reihe von approximativen Zahl-Substantiven: dizaine, douzaine, quinzaine, vingtaine, trentaine, quarantaine, cinquantaine, soixantaine, centaine und millier.

Nach diesem kurzen Exkurs zur Syntax der numerischen Werte ganz allgemein kommen wir nun zum Steigen und Fallen zurück und werden die in diesem Bereich ganz spezifische (Präpositional-)Syntax beschreiben. Der Steigen-und-Fallen-Frame umfasst grundsätzlich drei numerische Elemente (Abb. 3): den Ausgangswert (A), den Endwert (B) und die Differenz (C).

Abb. 3:

Steigen/Fallen: Ausgangswert (A), Endwert (B), Differenz (C)

Quelle: Eigengraphik (E.L.)

Das Deutsche hat für jeden dieser drei Werte eine spezifische Präposition: steigen / fallen von A auf B um C; von ist für den Ausgangswert zuständig, auf für den Endwert, und um für den Unterschied zwischen den beiden. Im Französischen ist die Sache allerdings nicht so einfach, denn dieser Sprache stehen in demselben Bereich nur zwei Präpositionen, de und à, zur Verfügung. Für eine/n Germanophone/n erscheint das als eine echte sprachliche Lücke, denn sie zwingt die französische Sprache zu einer Reihe von Umschreibungen und komplizierten Konstruktionen (die, nebenbei gesagt, LernerInnen erhebliche Schwierigkeiten bereiten). So muss das Französische, wenn es alle drei Elemente gleichzeitig nennen will, auf Kombinationen von zwei verschiedenen Verben zurückgreifen: augmenter de 6 points pour s’inscrire à 20 % / pour se fixer à 20 % / passant ainsi à 20 %. Konkret sieht das System aus wie folgt:

 de ist die Standard-Präposition für die Differenz C: s’accoître de 3 %, se réduire de 3 millions de dollars;

 Will man den Ausgangs- und den Endwert, also A und B, ausdrücken, kann man daher eben gerade nicht auf de und à zurückgreifen, weil de ja schon vergeben ist; daraus ergeben sich übrigens sogar Schwierigkeiten, wenn man den Endwert mit à einleiten will.6 Die einzige praktikable Lösung bietet die Verwendung eines Spezialverbs; passer ist in der Tat das einzige Verb, das man mit den Präpositionen de und à verbinden kann, um Ausgangs- und Endwert anzugeben: passer de A à B. Auffällig ist, dass das Verb die Richtung der Veränderung offen lässt – diese geht ja ohnehin aus den Werten A und B hervor. Wenn man es genau nimmt, ist passer mit dieser seiner Besonderheit doch nicht ganz allein, denn auch revenir de A à B und être ramené de A à B (beide im Sinne einer Verringerung) funktionieren mit dem Präpositionen-Paar de und à.

 Die Ausdrücke des Typs augmenter de 6 points pour s’inscrire à 20 % / pour se fixer à 20 % / passant ainsi à 20 % entsprechen einem gängigen Verwendungstyp von de…à, bei dem à den Endpunkt B einleitet, de allerdings auf die Differenz C beschränkt bleibt; der Ausgangspunkt A wird dabei nicht genannt, er kann allerdings aus den beiden anderen Werten erschlossen werden.

Wir gehen nun zur Analyse eines semantischen Feldes über, das mit den quantitativen Ausdrücken verwandt ist und bei dem sich die Sport- und die Wirtschaftssprache treffen.

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