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1 Einführung
ОглавлениеIm Zusammenhang mit der Digitalisierung ist der Arbeitsmarkt seit einigen Jahren tiefgreifenden Veränderungen unterworfen. Neben der Sharing-Economy, in deren Zentrum der Gemeinschaftskonsum steht und die durch das systematische Ausleihen von Gegenständen und das gegenseitige Bereitstellen von Räumen und Flächen gekennzeichnet ist (Gabler 2009)1, prägt die sog. Gig-Economy in immer stärkerem Maße die gegenwärtige Arbeitswelt. Die Anfänge der Gig-Economy sind in den USA und der dortigen Wirtschaftskrise im Jahr 2009 zu suchen. Nach dem Vorbild des amerikanischen Fahrtenvermittlers UBER werden in Unternehmen wie DELIVEROO und FOODORA, meist über eine Online-Plattform, kleinere Aufträge kurzfristig an Freiberuflerinnen und Freiberufler vergeben. Die Arbeitskräfte sind nicht fest angestellt, sie werden je Auftrag (Gig) bezahlt. Sie haben kein festes Einkommen und i.d.R. auch keine Absicherung für den Krankheitsfall oder das Alter. Sie werden daher auch als „digitale Tagelöhner“ bezeichnet.2 Die Vermittlung über eine Online-Plattform hat diesen unternehmerischen Aktivitäten die Bezeichnungen „Plattformisierung der Arbeit“ und „Plattformkapitalismus“ eingebracht.3
Die neuen Geschäftsmodelle gehen einher mit Versprechungen von Flexibilität, Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit. In einem Artikel der Zeit vom 10. November 2017 heißt es: „Die pinken Foodora-Kuriere sind das Sinnbild einer ultraflexiblen Arbeitswelt.“4 Die Relevanz der Argumentation der Flexibilität zeigt sich z. B. auch im Namen des Zusteller-Dienstes von Amazon AMAZON FLEX.5 Allerdings sorgen die „neuen“ Gründer nicht für Wirtschaftswachstum, sondern bleiben stets ihr einziger Angestellter.6 Daher wird auch vom Typus des „einzelkämpfenden Arbeitskraftunternehmers“ gesprochen.7
Im Zusammenhang mit der Bedrohung durch eine neue Form der Prekarisierung haben die Kurierfahrerinnen und -fahrer in Deutschland, aber auch in Italien und Frankreich, bereits den Arbeitskampf aufgenommen und fordern Regulierung. Die Forderungen reichen von einer Erhöhung des Stundenlohnes bzw. überhaupt seiner Einhaltung, über Verschleißpauschalen pro gefahrenem Kilometer, über die Garantie einer Mindestanzahl von Schichten hin zur Ver- und Absicherung.8 Hinsichtlich der Bedeutung und Verbreitung der Gig-Economy gehen die Zahlen weit auseinander. Nur verwiesen sei an dieser Stelle auf eine Studie von McKinsey Global Institutes aus dem Jahr 2016, wonach diese Wirtschaftsform in bestehenden Statistiken stark unterschätzt wird, und 30 % der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Arbeitsform nicht freiwillig gewählt haben.9
Die skizzierten gesellschaftlichen und unternehmerischen Entwicklungen gehen mit einem Wandel des Arbeitnehmerbildes einher und schlagen sich auch in der Sprache nieder. Zum einen haben sich die deonomastischen Ableitungen ubérisation und uberizzazione zur Bezeichnung dieser Wirtschaftsform bereits im Französischen und Italienischen etabliert. So wurde das französische Verb ubériser inzwischen im Robert illustré (2017) aufgenommen, das italienische Nomen uberizzazione wird in der Enzyklopädie Treccani erfasst. Zum anderen wird sprachlich der geringe Grad an Bindung und Verantwortung gegenüber den (Gelegenheits-)Beschäftigten mit Argumenten wie Selbstbestimmung und Autonomie und einer Rhetorik der Vergemeinschaftung kompensiert. Analog zu den Zuschreibungen, wie sie für die political correctness beobachtet werden können, die Trabant (2017) als „Sprachwaschmaschine“, Merle (2001, 8) als art de l’esquive und Canobbio (2009, 40) als abile maquillage linguistico bezeichnen, beobachten wir im Bereich der digitalen Plattformwirtschaft, in der Unternehmen als Vermittler von Dienstleistungen auftreten, ein rimodellamento del lessico e delle sue regole d’uso (Canobbio 2009, 36). Zu bedenken ist jedoch, dass die neuen Begriffe nicht in jedem Fall der eindeutigen Kommunikation zuträglich sind. Vielmehr erfolgt eine Verschleierung, die im Dienste der Euphemisierung steht, und die es näher zu beschreiben gilt. In diesem Sinne versteht sich der Beitrag als Fallstudie, in der die italienischen und französischen Begrifflichkeiten und Benennungsmuster, die im Zusammenhang mit dem digitalen Arbeitsmarkt aufkommen, beleuchtet und systematisiert werden.
Im Zentrum der Untersuchung steht der Sprachgebrauch auf den beiden Plattformen DELIVEROO und FOODORA. Es handelt sich hierbei um Online-Lieferdienste, über die die Kunden mit Gerichten aus verschiedenen Partner-Restaurants beliefert werden können.