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3. Pädagogische Perspektiven auf einen kritisch orientierten Fremdsprachenunterricht

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Neben den fachlichen Gegenständen des Fremdsprachenunterrichts und den dort verwobenen Machtstrukturen sind vor allem pädagogische Perspektiven auf einen kritisch orientierten Fremdsprachenunterricht zu betrachten. Auch diese sollen eher unter Bezugnahme auf fachspezifische Quellen präsentiert werden. Als zentrale Konzepte einer kritischen Pädagogik im Fremdsprachenunterricht nennen Phipps und Guilherme (2004: 3): „reflection, dissent, difference, dialogue, empowerment, action and hope“, die im Folgenden knapp umrissen werden sollen. Im Gegensatz zum Ansatz der Analyse und Interpretation, zumal wenn diese sich auf vermeintliche sprachlich-kulturelle Gewissheiten oder Kollektive beziehen, ermöglicht der Ansatz der Reflexion einen expliziten Rückbezug auf individuelle persönliche Erfahrungen und deren Implikationen in der fremdsprachlichen Interaktion. Eine kritische Reflexion kann somit als grundlegende Strategie zur Schaffung einer umfassenden kritischen Diskursbewusstheit dienen. Kritische Reflexion ist über das Moment des Dialogs mit der Dimension des Handelns verbunden. Den Begriff des ‚kritischen Handelns‘ definieren Phipps und Guilherme nicht im Detail, aber aus ihren Ausführungen wird deutlich, dass sie damit ein politisches Handeln mit dem Ziel gesellschaftlicher Erneuerung und sozialer Transformation meinen (vgl. auch Jeyaraj/Harland 2016). Ihren Ansatz sehen sie als somit als praktische, ethische und intellektuelle Notwenigkeit:

It […] publicly and determinedly articulates the problems that persist in accepting the world as it now is. It refuses to place faith in the status quo of relations forged only in the dominant interests of global capitalism, of white hegemonic power, of world English as a supreme or first language, of a so-called ‘first world’, of patriarchal power and of heterosexuality. (Phipps/Guilherme 2004: 2)

Dieser Ansatz ist vollumfänglich kompatibel mit der Zielvorstellung einer (critical) citizenship bei Byram (1997), der Kombination aus kritischer Haltung bzw. Analyse und hieraus entspringender Handlung, die auch bei Fairclough (1992) schon eine wichtige Rolle spielt. Er erkennt – in Übereinstimmung mit dem im vorigen Abschnitt Gesagten – zudem an, dass Lerninhalte niemals neutral sein können, sondern durch ihre soziale, historische oder politische Situierung und Kontextualisierung bestimmt und damit immer schon ideologisch oder politisch perspektiviert sind. Dieses zu erkennen ist Teil einer Ermächtigung (empowerment) der Lernenden, die damit zu selbstbestimmten, autonomen und verantwortlich handelnden Subjekten werden. Vor diesem Hintergrund sind kritische, pädagogische Ansätze auch als ‚pedagogy of responsibility‘ (Giroux 1983) bezeichnet worden. Jeyaraj und Harland (2016) verweisen auf eine Reihe weiterer im akademischen Diskurs verwendeter Begriffe (z.B. ‚pedagogy of possibility‘, ‚empowering education‘, ‚pedagogy of resistance‘ der ‚emancipatory pedagogy‘) und machen auf das gemeinsame Anliegen aufmerksam: „[…] at the heart of all these varieties is the desire to provoke students to go beyond the world they know and feel comfortable in, to expand their understanding of a range of social possibilities and achieve a more equal and just future “ (ebd.: 4).

Um dieses zu erreichen, sind durchaus Dissens und Differenz auszuhalten. Während bei Phipps und Guilherme (2004: 3f.) der Dissensbegriff auf Meinungsverschiedenheiten abzielt und auch Konflikte nicht ausschließt, die es ehrlich und möglichst ausgewogen zu lösen gilt, geht der Differenzbegriff von einer größeren Diversität als Basis aller Überlegungen aus. Mit der sich ergebenden Perspektivenerweiterung ist auch ein Plädoyer für die Erweiterung von Bildungsinhalten und Lerngegenständen verbunden, das sich beispielsweise in der Zurückweisung kanonischer Literatur zugunsten anderer Stimmen ausdrückt oder in einem riskanteren Unterrichtsansatz, der beispielsweise auch PARSNIP-Themen oder die Darstellung negativer Aspekte nicht auslässt. Das Akronym bezeichnet politics, alcohol, religion, sex, narcotics, isms1 und pornography und damit Themen, die oft als unangemessen angesehen und in (kommerziellen) Unterrichtsmaterialien bereinigt werden, die dann zwar „sanitized“ (Gray 2002: 159) sind, also in gewisser Weise „keimfrei“, damit aber insbesondere in einem kritisch orientierten Ansatz bedeutungslos.

Aus dieser knappen Darstellung der Konzepte einer kritischen Pädagogik im Fremdsprachenunterricht wird deutlich, dass sie eine Reihe sehr positiv konnotierter Eigenschaften und Zielvorstellungen umfasst, die sich um weitere, ebenfalls positiv konnotierte Begriffe (wie z.B. Autonomie, Emanzipation, Demokratie) ergänzen ließe. Damit wird ein kritischer Ansatz durchaus zu einer „utopian imagination in education“ (Crookes 2013: 197), der gleichsam alle gesellschaftlichen Probleme zu thematisieren und möglicherweise zu lösen vermag. Ein solcher Anspruch dürfte einerseits im Zentrum vieler pädagogischer Bemühungen stehen und andererseits zugleich ihre Überforderung bedeuten (vgl. hierzu auch die kritischen Überlegungen Sowdens 2008). Dennoch ist die Hoffnungsbezogenheit eines kritischen Ansatzes auch für den Fremdsprachenunterricht ein wichtiges Merkmal, das jede*n dazu anhalten sollte, der zunehmenden Funktionalisierung von Bildung (einschließlich fremdsprachlicher Bildung) in einer auf ökonomisches Wachstum und Gewinnmaximierung ausgerichteten, von Neoliberalisierung gekennzeichneten, globalisierten Gesellschaft sehr wachsam gegenüber zu stehen:

Critical Pedagogy requires that we detach ourselves from the order of things as they are and that we speak critically unto power. It requires refusing the language of the dominant, the functionalist, the positivist; the ways of essentialising and of simply making our own practice serve the goal of implementing things in ways which serve the smooth running of a safe system, but which never enable change or the questioning of power. (Phipps/Guilherme 2004: 2)

Kritische Fremdsprachendidaktik

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