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Die Beiträge im Einzelnen

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Die ersten Beiträge in diesem Sammelband beschäftigen sich mit möglichen Gegenständen eines kritisch konzeptualisierten Fremdsprachenunterrichts und fokussieren auf literatur- bzw. kulturdidaktische Gegenstände. Den Auftakt geben Jan-Erik Leonhardt und Britta Viebrock, indem sie am Beispiel von aktueller Jugendliteratur mit Transgender-Thematik exemplarisch herausstellen, wie diese für einen emanzipatorisch gedachten Literaturunterricht in der Fremdsprache genutzt werden kann. Dabei spielen nicht nur inhaltliche Erwägungen eine besondere Rolle, sondern auch die jeweiligen sprachlichen Mittel, die das Anliegen der literarischen Texte zu besonders lohnenswerten Gegenständen und Diskussionsanlässen im Unterricht werden lassen.

Frauke Matz sieht fremdsprachliche Bildung als politische Aktivität und moralischen Akt, die – eingebettet in eine moderne(re) Sicht auf allgemeine Bildungsziele – unter sich ändernden Vorzeichen wie der Globalisierung ständig neu gedacht werden muss. Allerdings stößt das häufig bemühte Konstrukt von interkultureller kommunikativer Kompetenz hier schnell an seine Grenzen. Die Diskursfähigkeit der Schülerinnen und Schüler muss vielmehr dazu beitragen, ein Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit nach außen zu tragen und eine Haltung einzunehmen. Am Beispiel von Young Adult Climate Fiction zeigt sie, wie dies unterrichtspraktisch und lerner*innenorientiert gelingen kann.

Zwei weitere englischsprachige Beiträge beschäftigen sich mit Fragen der Digitalisierung im Zusammenhang mit kritischen Perspektiven. Ivo Steininger geht von der Prämisse aus, dass es nicht darum gehen kann, Lehren und Lernen an sich zu digitalisieren, sondern darum, die Mittel für Interaktions- und Kommunikationsprozesse ins Zentrum solcher Vorhaben zu stellen: Es müsse um ein neues Verständnis von kulturellen Praktiken gehen, die digital gedacht, gefördert und ausgeführt werden. Interessanterweise steigt er mit einem Fallbeispiel ein, in dem einer seiner Schüler*innen sich zum ersten Mal selbstwirksam als sprachkompetent erleben kann, indem er seiner Englischlehrkraft von seinen „digitalen kulturell-sprachlichen Praktiken“ beim Spielen eines Videospiels berichtet.

Hier knüpfen Carolyn Blume und Jonathon Reinhardt an, wenn sie in ihrem Beitrag fragen, wie im Fremdsprachenunterricht Authentizität hergestellt werden kann, um auf ihrer Grundlage und mittels Gameplaying eine Critical Multiliteracy Competence zu fördern. Während der Einbezug von Games im Fremdsprachenunterricht im Allgemeinen noch keine größere Rolle zu spielen scheint, stellen sie heraus, welche Bedeutung Games für Kinder und Jugendliche haben und wie dieses Potenzial für die Förderung einer kritischen Literalität in den Fremdsprachenunterricht integriert werden kann.

Im Anschluss diskutieren zwei Beiträge, wie z.B. seitens von Lehrwerken gesetzte Normen oder mangelhafte Darstellungen von Diversität für den Fremdsprachenunterricht kritisch-produktiv transformiert werden können. Thorsten Merse versteht Queer Theory als notwendige Bezugswissenschaft für eine kritisch orientierte Fremdsprachendidaktik, die Heteronormativität überwinden und den Einbezug von LGBTQ-Identitäten in den Unterricht normalisieren muss. Er sieht neben der Sichtbarmachung dieser Identitäten besonders auch die kritische Auseinandersetzung mit Heteronormativität als einen notwendigen Unterrichtsgegenstand und überträgt diese Überlegungen auf typische Themen und Texte des Fremdsprachenunterrichts.

Lotta Königs Beitrag fordert die notwendige Thematisierung der Wirkmächtigkeit von Sprache im Fremdsprachenunterricht ein – und zwar über ihre häufig nur sprachfunktional ausgerichtete Banalisierung in Lehrwerken hinaus. Am Beispiel von Schönheits- und Körpernormen, für Heranwachsende relevante, da auch medial prominent verbreitete, Themen, erarbeitet sie nicht nur das ihnen innewohnende kritisch-fremdsprachendidaktische Potenzial, sondern zeigt auch die Leerstellen der Disziplin auf. Die Überlegungen münden in eine methodisch-didaktisch ausgearbeitete Unterrichtseinheit, die beispielhaft für die Thematisierung potenziell kritischer Normen gesehen werden kann.

Sich scharnierartig an die praxis- bzw. materialtheoretischen Überlegungen anschließend beschäftigen sich die folgenden beiden Beiträge in einer kritischen Erweiterung des Einleitungsartikels mit grundlegenden Fragestellungen mithilfe sozial- und erziehungswissenschaftlicher Bezugstheorien. Ausgehend von gesellschaftlichen Kernmerkmalen wie Beschleunigung und Steigerung – und als Folge dessen für Bildung: Effizienzsteigerungs- und Outputzwang – führt Jochen Plikat in das sozialwissenschaftliche Konzept der Resonanztheorie ein. Primär basierend auf den Arbeiten von Hartmut Rosa, der die Resonanztheorie im deutschsprachigen Diskurs im Wesentlichen geprägt hat, zeigt er, wie Resonanz als Zugang zu gelingendem Fremdsprachenunterricht und für das Herstellen einer bildungsförderlichen Umgebung hilfreich sein könnte.

Andreas Bonnet und Uwe Hericks sehen weniger inhaltliche Herausforderungen für einen kritisch-modernen Fremdsprachenunterricht im Vordergrund (das „Was“), sondern plädieren in einem Umdenken für die Perspektive des „Wie“ und einen solidarisch-pädagogisch ausgerichteten Fremdsprachenunterricht. Allerdings diagnostizieren sie dem Fremdsprachenunterricht in der Folge u.a. von Standardisierung sowie einem konkurrenzorientierten Leistungsprinzip eine zu starke Steuerung und Schließung, während das Lernen von Fremdsprachen mit seinen sprachlichen, kulturellen sowie ästhetischen Inhaltsfeldern eigentlich stärker auf Öffnung und Anbahnung von Bildungsprozessen angelegt sein sollte.

Anschließend an die stärker grundlagentheoretisch orientierten Beiträge von Plikat sowie Bonnet und Hericks, mithilfe derer auch immer mögliche Folgen für die Rolle von Fremdsprachenlehrkräften potenziell mitgedacht werden können, beschäftigen sich die letzten Beiträge stärker mit den Lehrpersonen in einem kritischen Fremdsprachenunterricht. Michael Schart betont zum Beispiel die durchaus nicht ungefährliche Rolle von kritischen Deutsch-als-Fremdsprache-(DaF-)Lehrpersonen, die in diversen Kontexten arbeiten, in denen Freiheit oder Demokratie möglicherweise eingeschränkt sind. Am Beispiel eines universitären Deutschunterrichts in Japan stellt er fünf Prinzipien heraus, wie kritisches Denken zumindest angebahnt und in dialogischen Unterrichtsprozessen produktiv genutzt werden kann. Gleichzeitig betont er die Bedeutung einer Lernkultur, die immer wieder von den beteiligten Personen (also Lehrenden wie Lernenden) neu geschaffen werden muss.

Dagmar Abendroth-Timmer zeigt, wie Fremdsprachenlehrer*innenbildung sowohl individuelle Reflexion seitens der Lehramtsstudierenden anstoßen als auch ein kritisches Bewusstsein fördern kann. Auf der Basis von fallbasierten Konfliktsituationen aus Praxisphasen werden Französisch- und Spanischstudierende in einem dramapädagogischen Setting zur kritischen (Selbst-)Reflexion und gemeinsamen Peer-Reflexion angeleitet, um besonders Kognition, Emotion und Leiblichkeit im Zusammenhang mit dem Konflikt verbalisieren zu lernen.

Gemeinsam mit Kenneth Fasching-Varner stelle ich abschließend Grundüberlegungen dahingehend an, wie eine kritische Fremdsprachenlehrer*innenbildung ausgestaltet werden könnte, welchen Prinzipien sie folgen müsste und wie sie sich – ohne größere Umstürze – in die Strukturen des deutschen Lehrer*innenbildungssystems einbinden lassen könnte. Die vielen Konjunktive sind hierbei gewollt: Entstanden ist ein Papier, das Ideen skizziert und auf internationale theoretische wie empirische Forschung rekurriert, welche erste Versuche unternommen hat, kritische Perspektiven in die Fremdsprachenlehrer*innenbildung einzubringen. Inwiefern diese Maßnahmen im deutschsprachigen Raum auf fruchtbaren Boden treffen, wird die Zukunft zeigen.

Kritische Fremdsprachendidaktik

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