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Kritisches Denken

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Als streng genommen keine (kritische) Theorie, sondern vielmehr schwammiges Konstrukt, gilt das kritische Denken in vielen Disziplinen und Fächern als überfachliches Ziel im Nachgang zu den PISA-Erhebungen, obwohl mittlerweile genau diese vermeintliche Überfachlichkeit als Transferkompetenz durch empirische Erkenntnisse in Zweifel gezogen wird (vgl. Willingham 2007). Die Argumentation geht dahin, dass kritisches Denken nicht überfachlich angelegt, vermutlich gar nicht explizit unterrichtet werden kann. Es findet nur basierend auf entsprechend ausgeprägtem Fachwissen kontextgebunden Anwendung (ebd.), was zudem je nach fachkultureller Prägung unterschiedliche Erkenntnistheorien nach sich zieht. Es gibt Anzeichen dafür, dass das grobe Erkennen von Problemstellungen als Oberflächenstrukturen tatsächlich lernbar ist, das letztendliche Lösen eines fachlich orientierten Problems auf tieferliegenden Ebenen jedoch komplexeres, disziplinspezifisches Wissen benötigt (vgl. Barnett/Ceci 2002).

Im Gegensatz zu Kritischer Pädagogik ist kritisches Denken folglich auf einer stärker rationaltheoretischen und vor allem apolitischen Ebene zu verorten, die darauf abzielt, Lösungen bzw. differenzierte, mehrperspektivische Antworten auf Fragen zu finden, welche nicht notwendigerweise sozialer oder gesellschaftlicher Natur sein müssen (aber sein können). Es kann daher auch eine sprachliche Herausforderung darstellen, sich sowohl die nötigen Informationen zur Lösung der Problemstellung zu erarbeiten, als auch eine Antwort differenziert zu formulieren und in eine Form zu bringen, welche gegenteiligen Meinungen standhält. Kritik an diesen (vermeintlich einfachen und in sich logischen) Antworten zu üben, ist einer der Kernansprüche kritischen Denkens, was dieses mit der Kritischen Theorie gemein hat. In diesem Feld ist zudem der Einsatz metakognitiver Strategien zu verorten, die auch für das Fremdsprachenlernen bedeutsam sind und eine entsprechende „Kritikfähigkeit“ wahrscheinlicher machen (vgl. Willingham 2007).

Kritisches Denken wird als eines der 21st century skills angesehen und dabei nicht selten mittels der Taxonomie von Benjamin Bloom et al. (1956) bzw. ihrer Revision (vgl. Krathwohl 2002) konstruiert. Blooms Überzeugung seinerzeit war, die Taxonomie könne Folgendes bieten:

 common language about learning goals to facilitate communication across persons, subject matter, and grade levels;

 basis for determining for a particular course or curriculum the specific meaning of broad educational goals, such as those found in the currently prevailed national, state, and local standards;

 means for determining the congruence of educational objectives, activities, and assessments in a unit, course, or curriculum; and

 panorama of the range of educational possibilities against which the limited breadth and depth of any particular educational course or curriculum could be contrasted. (Krathwohl 2002: 212)

Dabei wurde Wissen bzw. der Umgang mit ihm in sechs wesentliche Ebenen unterteilt von Wissen, Verstehen, Anwendung, Analyse, Synthese bis hin zur Evaluation mit jeweils ausdifferenzierten Unterkategorien. Wie jedes Stufenmodell, das zudem offensichtlich einen gewissen Gültigkeitsanspruch der Evaluierbarkeit von Kompetenz bzw. Performanz, also eine gewisse Standardorientierung, vertrat, jedoch kaum dezidiert empirisch überprüft wurde, blieb es nicht ohne Kritik. Die revidierte Fassung bezieht dementsprechend zusätzlich zu einer kognitiven auch eine metakognitive Dimension ein, die einzelnen Kategorien der ersteren wurden begrifflich stark angepasst: Erinnern, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Evaluieren und Kreieren sind die mittlerweile gängigen Formate, nach denen Aufgaben im Sinne einer revidierten Bloom’schen Taxonomie konstruiert werden.

Die Taxonomie findet ihren Niederschlag mittlerweile in zahlreichen internationalen Fremdsprachenlehrwerken, obwohl sie nicht unproblematisch ist aufgrund der bereits angesprochenen, mangelhaften empirischen Fundierung – auch bezüglich des tatsächlichen Niederschlags kritischen Denkens in fremdsprachenunterrichtlichen Settings. Es wird gleichsam angenommen, dass das stufenweise Abarbeiten von hierarchieniedrigen hin zu hierarchiehöheren „Thinking skills“, wie sie Bloom angelegt hat, kritisches Denken am fremdsprachendidaktischen Gegenstand quasi-automatisch fördert. Dies ist nicht nur vor dem Hintergrund des nur wenig ausdifferenzierten Konstrukts problematisch, sondern auch, wenn man bedenkt, dass in der Taxonomie höher angelegte Prozesse wie „Evaluieren“ durchaus sprachliche Herausforderungen für Lernende auf Niveau A1 oder A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens darstellen dürften.

Zusammenfassend muss noch einmal betont werden, dass kritisches Denken in der Regel keine transformatorischen Ziele verfolgt im Sinne der Bildung zu sozialer Gerechtigkeit und der kritischen Diskussion bestimmter Brennpunktthemen wie es die Kritische Pädagogik tut (vgl. Burbules/Berk 1999). Das kritische Denken ist vielmehr ein methodischer Ansatz, der das mehrperspektivische Betrachten dieser Fragestellungen befördern kann, und ist daher von Bedeutung.

Kritische Fremdsprachendidaktik

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