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Methodische Überlegungen
ОглавлениеDer Fremdsprachendidaktik bietet sich in ihrem post-methodischen Zeitalter eine Vielzahl von Techniken, Prinzipien und Ansätzen, um Unterricht zu gestalten. Letztlich gilt bei der methodischen Umsetzung kritisch-didaktischer Prinzipien wie unter allen anderen didaktischen Vorbedingungen die Methodenangemessenheit: Die Methode muss zum Ziel passen, das didaktisch begründet vorliegt. Wenn also eines der Ziele einer Kritischen Fremdsprachendidaktik ist, ein Bewusstsein für soziale Ungleichheit zu entwickeln, muss sich dies in der Methodenwahl niederschlagen. Es müssen partizipativ orientierte Ansätze gewählt werden, die den in der Kritischen Pädagogik immer wieder betonten Dialog fördern. Eine Kritische Fremdsprachendidaktik berücksichtigt dabei in besonderem Maße auf Interaktion zielende Sprachlerntheorien wie z.B. die soziokulturelle Theorie, die basierend auf den Überlegungen von Wygotski (1978) besonders durch Lantolf und Thorne (2006) für das Fremdsprachenlernen ausdifferenziert wurden. In diesem auf soziale Interaktion ausgelegten Unterricht müssen Dialogisierung und mit Kritikfähigkeit verbundene Diskussionen mit einem entsprechenden Scaffolding entlastet bzw. geübt werden. In jüngeren Lerngruppen bieten sich hier Modelltexte oder -videos an, um sprachliche und inhaltliche Charakteristika von dialogisierter Kritik transparent zu machen (vgl. Crookes 2013). Dazu gehört auch, das Stellen von relevanten Fragen zu ermutigen: Was sind die Folgen unseres Handelns? Was sind Konsequenzen, was Ergebnisse?
Freire (1976), Crawford (1978), Crookes (2013) und andere betonen, dass Lernende ihr Material selbst erstellen sollen. Dabei ist nicht gemeint, dass sie Arbeitsblätter erstellen, mit denen die Gruppe dann üben soll. Vielmehr geht es darum, dass Lernende ermutigt werden, Realia, Texte, Interessen usw. in den Unterricht einzubringen, sodass die Schwerpunktsetzung des Unterrichts stärker von den Lernenden aus erfolgt. Die Rolle der Lehrkraft ist dabei, methodisch und sprachlich flexibel ein Scaffold zur Verfügung zu stellen, das die Bearbeitung des Lernmaterials ermöglicht. Dabei spielt das Lehrwerk weiterhin eine wichtige Rolle, es muss allerdings einer kritischen Würdigung unterzogen werden, was die ausgewählten Themen und sprachlichen Anforderungen angeht (s.u.). Weiter unten wird der kritische Umgang mit Fremdsprachenlehrwerken noch angerissen werden, gleichwohl würde ich nicht so weit gehen wie Meddings und Thornbury (2009), die den Gebrauch von Lehrwerken grundlegend verteufeln und skeptisch „an over-reliance on materials and technical wizardry in current language teaching“ (ebd.: 6) beäugen. Ganz ähnlich wie der Kritischen Pädagogik geht es ihnen darum: „The emphasis on the here-and-now requires the teacher to focus on the actual learners and the content that is relevant to them.“ (ebd.) Ihr als „Dogme“ bekannt gewordener (und heftig kritisierter) Ansatz soll primär auf die Sprachentwicklung der Lernenden eingehen, vernachlässigt dabei allerdings – in meinen Augen – die Förderung jener Kritikfähigkeit, die hier bereits breit diskutiert wurde. Lehrwerke bieten hingegen eine methodische Integration besonders der sprachlichen Fertigkeiten und gleichzeitig mit ihren Themen eine Reflexionsfläche, die von den Lehrkräften (und ihren Lernenden) kritisch genutzt werden kann.
Diese Anforderungen können prozess- und produktorientiert im Unterricht integriert werden, Prinzipien von Handlungs- und Problemorientierung sind hinlänglich bekannt und werden wiederholt aufgegriffen. Auch in der Fremdsprachendidaktik aktuell dominante methodische Ansätze wie die Aufgaben- oder Genreorientierung (vgl. Hallet 2016) bieten sich an, kritisch angereichert zu werden. Im Sammelband Pedagogy and Practice in Second Language Teaching (Burns/Richards 2012) gehören zu den pädagogisch-methodischen Ansätzen im Besonderen Aufgabenorientierung, textbasiertes Lernen und Lehren, inhaltbasiertes Lernen und Lehren (CLIL), outcome-basiertes Lernen und Lehren sowie Literacy-basiertes Lernen und Lehren. Die verschiedenen Stufen des kritischen Denkens, selbst wenn es oben als zunächst apolitisch charakterisiert wurde, können Anhaltspunkte für die Aufgabengestaltung in diesen verschiedenen Ansätzen bieten. Breidbach et al. (2014) schlagen z.B. eine Unterscheidung nach „language curriculum“ und „curriculum of discourse“ (ebd.: 99) vor, wobei an Ersteres hierarchieniedrige Aufgaben im Sinne des Aufbaus sprachlicher Fertigkeiten geknüpft werden können, während Letzteres stärker das hierarchiehöhere, reflexive Potenzial im Sinne einer Critical Literacy berücksichtigt (vgl. auch Breidbach 2011).
Die zu stellenden und zu diskutierenden Probleme in einem kritisch orientierten Fremdsprachenunterricht sollten dabei natürlicherweise nicht Probleme um ihrer selbst willen sein, sondern vor dem Hintergrund des didaktisch-kritischen Anspruchs methodisch aufbereitet werden.