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4. Methodisch-didaktische Implikationen für einen kritisch orientierten Fremdsprachenunterricht
ОглавлениеAusgehend von den theoretischen Bezügen mag die Frage gestellt werden, ob die mit ihnen verbundenen Überzeugungen und Ziele nicht zum einen sehr ambitionierten sowie ideologisch aufgeladenen Fremdsprachenunterricht führen (vgl. Jeyaraj/Harland 2016), zum anderen, ob sie in methodisch-didaktischer Hinsicht möglicherweise utopisch und kaum umsetzbar sind. Die einfache Antwort darauf ist: Wahrscheinlich. Gleichzeitig hat Paulo Freire immer wieder herausgestellt, dass das Gegenteil eines kritischen Bewusstseins immer Stillstand, wenn nicht sogar Rückschritt wäre, Akzeptanz des Status quo unbegrenzter Gehorsam vor der Autorität (vgl. Freire 1976, Giroux 1983). Einen kritischen Geist zu entwickeln bzw. diese Kritikfähigkeit in Lernenden anzuregen, muss als ein Prozess gesehen werden, der nie abgeschlossen ist. Es ist kein Prozess, der wie fremdsprachliche Fertigkeiten standardisiert messbar oder anhand eines Referenzrahmens kompetenzorientiert abgebildet werden könnte. Es sind vielmehr humanistische, politische und gesellschaftlich-soziale Überzeugungen sowie Reflexivität, die kritisches Denken anregen und damit im Fremdsprachenunterricht fruchtbar integriert werden können, um Demokratieerziehung und Partizipation zu ermöglichen. Es ist eine mit dem Ziel der Partizipation ausgerichtete Fremdsprachendidaktik mit methodischer Umsetzung zur Förderung von „competencies and skills that have value in a culture, and at the same time provide the basis for critical change“ (Hallet/Legutke 2013: 9). Damit steht eine Kritische Fremdsprachendidaktik der von Plikat (2017) entworfenen „fremdsprachlichen Diskursbewusstheit“ sehr nahe, zumal er neben diskurstheoretischen Aspekten eine „Bewusstmachung der affektiven, machtbezogenen und sprachstrukturellen Domänen“ (ebd.: 299) als nötig erachtet und diese mit universellen Menschenrechten sowie dem Anspruch transformatorischer Bildungsprozesse ins Verhältnis setzt.
Das notwendigerweise anzuerkennende politische Moment eines derart an Demokratie und Menschenrechten orientierten Unterrichts ist in dem Zusammenhang nicht parteipolitisch zu verstehen, es lässt sich nicht in „links“ und „rechts“, „konservativ“ oder „liberal“ einordnen. Es geht vielmehr um Machtkonstellationen und die Konstruktion von Macht und Ungerechtigkeit (und ihre Entlarvung) durch Sprache (vgl. Foucault 1980, Pennycook 1999). Damit ist, wie auch Fäcke et al. (2017) herausstellen, jeder Unterricht politisch, da „Bildung inhärent politisch ist“ (ebd.: 5). Ein unkritischer, d.h. apolitischer Fremdsprachenunterricht, der lediglich möglichst neutrale Themen einzubeziehen versucht (s. auch Anmerkungen zu Lehrwerken unten), verkommt laut Pennycook (1990) zu einer technologisierten und rein prozessierenden Praxis. Ein kritisch-pädagogischer Ansatz soll Grundprinzipien des Fremdsprachenunterrichts in funktional-pragmatischer, diskurs- und genretheoretischer sowie interkultureller Hinsicht keinesfalls ersetzen, ihn aber möglicherweise sinnvoll ergänzen und wertvolle neue Themen und Praktiken einführen (vgl. Morgan 1998).
Entsprechend soll es im Folgenden darum gehen, mögliche didaktische wie auch methodische Überlegungen im Zusammenhang mit den oben vorgestellten kritischen Aspekten zu skizzieren, welche darüber hinaus in diesem Sammelband vertiefend anhand von Beispielen und fremdsprachendidaktischen Unterrichtsgegenständen durchgespielt werden.