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2.2.2 Das Modell des »Hexaflex«
ОглавлениеEin Grundmodell des ACT-Ansatzes lässt sich mit der Form eines Hexagons beschreiben (vgl. Hayes et al. 2014; Abb. 2.2). Innerhalb des Hexagons sind die sechs Kernaspekte oder -prozesse miteinander verbunden und wirken im Sinne eines Netzwerkes wechselseitig auf- und miteinander – daraus ergibt sich der Begriff des »Hexaflex«. Sechs Prozesse bilden einen Rahmen für Erleben und Verhalten eines einzelnen Menschen oder auch eines menschlichen Systems (z. B. eines Behandlungsteams, einer Familie o. ä.). Mit Hilfe dieses Modells lassen sich menschliches Erleben umfassend beschreiben und Ansatzpunkte für Veränderung im Sinne von Behandlung und Therapie definieren. Zudem lassen sich verschiedenen Aspekte der Veränderung im Laufe eines therapeutischen Prozesses abbilden.
Abb. 2.2: Das »Hexaflex«
Im Zentrum, als übergeordnete Orientierung, und leitend für das therapeutische Vorgehen mit der ACT steht »Psychische Flexibilität«, d. h. »vollständigen Kontakt zum gegenwärtigen Augenblick als bewusstes menschliches Wesen und des Beibehaltens oder Veränderns von Verhalten im Dienste gewählter Werte« (Luoma et al. 2009, S. 466–467) – ohne Abwehr und Vermeidung. Dabei steht der Mensch voll im Leben so wie es ist – und nicht wie der Kopf sagt, dass es ist.
Das Konzept der psychischen Flexibilität lässt sich in der Arbeit in Kliniken und Tageskliniken auf verschiedenen Ebenen weiter ausdifferenzieren. Die mit dem Begriff verbundene humanistische Haltung kann als übergeordnetes Klinik-spezifisches Motto oder Leitmotiv ausformuliert werden. In spezifischen therapeutischen Settings wird psychische Flexibilität dann konkretisiert. Bspw. werden Einrichtungen zur Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen Abstinenz als Teil der Zielorientierung formulieren oder in Settings mit depressiven Patientinnen und Patienten wird Aktivierung zur Verbesserung von Lebensqualität angestrebt. Psychische Flexibilität wird in jedem Fall individualisiert: die Patientin oder der Patient formuliert (ggf. mit Unterstützung durch die Bezugstherapeutinnen und -therapeuten), was für sie oder ihn psychische Flexibilität ganz persönlich bedeutet und beinhaltet.
Wie psychisch flexibel jemand ist, wird dabei auf sechs Dimensionen beschrieben: Präsenz im Hier & Jetzt, Selbst-als-Kontext, Werteorientierung, engagiertes Handeln, Akzeptanz und Defusion. Ausprägungen von individueller Flexibilität lassen sich auf jeder dieser sechs Ebenen beschreiben:
Präsenz im Hier & Jetzt: Wie kann jemand bewusst wahrnehmen, wo die eigene Aufmerksamkeit gerade ist? Kann sie oder er die Aufmerksamkeit auf den aktuellen Moment in einer bestimmten Situation halten und diese mit allen Aspekten wahrnehmen?
Selbst-als-Kontext: Wie flexibel ist jemand darin, eigene Selbst-Konzepte wahrzunehmen und zu beschreiben? Wie bewusst darüber, dass es immer wieder auf die Perspektiven ankommt, aus denen wir diese Konzepte betrachten können und dass wir die Perspektiven wechseln können? Diese beiden Aspekte bilden eine Basis für das therapeutische Vorgehen, auf die im Behandlungsprozess immer wieder zurückgekehrt werden kann: Achtsamkeit. Ohne achtsame Präsenz und Selbst-als-Kontext können Werte und Handlungen nicht der aktuellen Situation, so wie sie ist, zugeordnet werden. Genauso müssen Gefühle, körperliche Empfindungen, Gedanken zunächst einmal bewusst wahrgenommen und benannt werden, bevor ihnen anhaltend und wirkungsvoll mit Akzeptanz begegnet werden kann oder das eigene Verhalten auf Veränderung ausgerichtet werden kann.
Werteorientierung: Sind jemandem die persönlichen Werte bekannt? Kann sie oder er Situationen und Handlungen nach individuellen Werten wählen? Und kann sie oder er immer wieder den Bezug dazu herstellen? Kann sie oder er Werte wählen und wechseln – je nach Situation, und sich gleichzeitig über das eigene Wertesystem bewusst bleiben?
Engagiert Handeln: Hat jemand ein ausreichend großes Verhaltensrepertoire, aus dem sie oder er konkrete Verhaltensweisen wählen kann – je nach Situation und Wert? Diese beiden Aspekte bilden den Commitment-Teil des Modells: Es geht um Orientierung, Motivation und Verhalten. Therapeutisch begleitet wird dies vor allem durch Werteklärung, Zielformulierung und Konkretisierung von Handlungsschritten im Rahmen von Plänen. In diesem Teil des Modells sind auch der Erwerb und das Training von Fertigkeiten verortet: soziale Fertigkeiten, Fertigkeiten im Umgang mit bestimmten Situationen, bis hin zu Expositionen, die ja vor allem die Hinwendung zur und Auseinandersetzung mit der angstbesetzten Situation beinhalten: aktiv und für andere sichtbar.
Bereitschaft, Offenheit: Wie zeigt sich Flexibilität in der Bereitschaft, Empfindungen und Gefühlen Raum zu geben, sie zu erleben, ohne dem Impuls nachzugeben, sie verändern zu wollen, sie zu kontrollieren oder zu bekämpfen?
Defusion: Wie flexibel kann jemand mit seinen Gedanken umgehen: sie wahrnehmen, ohne sofort auf sie zu reagieren, ohne ihnen zu folgen, sie sich abzukaufen? Wie sehr ist es einem Menschen möglich, sich von den eigenen Gedanken zu lösen, ohne sie zu bekämpfen oder zu kontrollieren? Wie sehr ist jemand in der Lage zu wählen, welchen Gedanken sie oder er folgt oder auch nicht? Bereitschaft und Defusion bilden den Akzeptanz-Teil der ACT. Hier kommen Menschen in Kontakt mit ihren inneren Barrieren. In der Behandlung geht es um einen hilfreichen Umgang mit diesen Barrieren, der dazu dienen kann, anzunehmen, was wir nicht verändern können, um dem folgen zu können, was wichtig für uns ist.
Alle sechs Kernaspekte bilden im Hexaflex ein Netz; keiner steht allein; alle Kernaspekte interagieren mit den anderen. Wenn ein Prozess in der Behandlung angestoßen wird, ist davon auszugehen, dass sich auch bei mindestens einem anderen Kernaspekt eine Veränderung einstellt. Daher ist es sinnvoll, alle gleichermaßen im Blick zu behalten und auch dazu ist das ACT-Hexaflex ( Abb. 2.2) ein hilfreiches Instrument.
Es kann zudem für das therapeutische Team hilfreich sein, dieses Grundgerüst der ACT immer vor dem eigenen inneren Auge zu haben, um selbst flexibel im Kontakt mit den Patientinnen und Patienten bleiben zu können – vielleicht sogar, es im Einzelkontakt oder in der Gruppe Prozess für Prozess zu erarbeiten. So steht ein gemeinsames Arbeitsmodell zur Verfügung, dass sowohl mit Kolleginnen und Kollegen als auch mit den Patientinnen und Patienten genutzt werden kann.