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ОглавлениеEinführung, Adaptierung und Implementierung von ACT im voll- oder teilstationären Kliniksetting
Nina Romanczuk-Seiferth, Albert Diefenbacher und Ronald Burian
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) ist ein modernes psychotherapeutisches Verfahren, welches auf Basis jahrzehntelanger Forschung im Bereich der kontextuellen Verhaltenswissenschaften von Steven Hayes und anderen Kolleginnen und Kollegen (Hayes et al. 1999) entwickelt wurde. Übergeordnetes Ziel ist es, therapeutische Interventionen gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten so zu nutzen, dass mehr psychologische Flexibilität entsteht, die es Menschen in Belastungssituationen erlaubt, an die jeweilige Situation zu adaptieren bzw. mit dieser anders als bisher umzugehen. Hierzu steht die Förderung von Akzeptanz- und Achtsamkeitsprozessen, Werteorientierung sowie Verhaltensänderungsprozessen im Fokus der ACT.
Die ACT als psychotherapeutischer Ansatz wird zumeist der sogenannten »dritten Welle« der Verhaltenstherapie zugerechnet. Verhaltenstherapeutische Methoden »erster Welle« umfassen dabei klassisch behaviorale Ansätze, die vorwiegend auf die Modifikation von Verhalten mit psychologischen Mitteln abzielen. Als Methoden der kognitiven Wende oder der »zweiten Welle« werden solche bezeichnet, welche psychische Erkrankungen zudem durch die Veränderungen von kognitiven Inhalten, wie Gedanken, anstreben. Aktuelle Weiterentwicklungen der Verhaltenstherapie, die zudem emotionale, soziale sowie motivationale Prozesse in die psychotherapeutische Behandlung psychischer Erkrankungen einbeziehen, werden unter dem Begriff der Methoden »dritter Welle« subsumiert. Hierzu zählen einige Methoden, die auf ähnliche Konzepte wie die ACT und deren psychotherapeutische Anwendung, wie z. B. das der Achtsamkeit, zurückgreifen. Beispielhaft genannt sei hier die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT; Linehan 1993) für die Behandlung von Menschen mit sogenannter Borderline-Persönlichkeitsstörung. Vereinzelt wird diskutiert, ob beispielsweise achtsamkeitsbasierte Verfahren der »dritten Welle« überhaupt als eigenständige »Welle« abzugrenzen sind, oder nicht eher als eine Erweiterung der klassischen kognitiven Verhaltenstherapie zu begreifen sind (z. B. Hofmann und Asmundson 2008). Ein zentraler Hauptunterschied zwischen der KVT der »zweiten Welle« und ACT wird jedoch deutlich, wenn wir beispielsweise den Behandlungsfokus im Zusammenhang mit Gedanken betrachten, welche als belastendend oder problematisch erlebt oder als »dysfunktional« eingeordnet werden. Während bei der KVT die kognitive Einsicht und eine inhaltliche Veränderung von Gedanken und Glaubenssätzen eine zentrale Rolle spielen, stellt die ACT eine erfahrungsfokussierte Methode dar, welche in diesem Beispiel das Verhältnis zu den eigenen Gedanken und den Umgang mit ihnen als relevant und daher im Vordergrund der Behandlung sieht.
Die ACT basiert in ihren philosophischen Grundlagen auf dem sogenannten Funktionalen Kontextualismus (siehe z. B. Gifford und Hayes 1999) und ist als therapeutischer Ansatz aus den kontextuellen Verhaltenswissenschaften heraus entstanden. Hier besonders auf Basis der sogenannten Bezugsrahmentheorie (https://contextualscience.org/what_is_rft, Zugriff am 20.08.2020). Die ACT ist entsprechend tief wissenschaftlich verwurzelt und gilt als die am stärksten evidenzbasierte Therapieform der dritten Welle (Hayes et al. 2005). Inzwischen existieren umfassende Studien zur Wirksamkeit von ACT bei Menschen mit verschiedenen psychischen Erkrankungen sowie bei anderen Zielgruppen (https://contextualscience.org/state_of_the_act_evidence, Zugriff am 20.08.2020).
Die ACT bietet sich gleichzeitig ganz besonders für eine Verwendung in stationären oder teilstationären Behandlungskontexten an: sie stellt ein transdiagnostisches Ätiologie- und Behandlungsmodell dar und ist daher auch auf sehr heterogene Zielgruppen und in der klinischen Alltagsversorgung anwendbar (z. B. Pleger et al. 2018). Die ACT umfasst zudem ein breites, flexibel handhabbares und primär auf die Förderung von Kernkompetenzen fokussiertes Methodenspektrum, was sich daher gut für eine teamweite oder -übergreifende Anwendung in multiprofessionellen Behandlungskontexten eignet. Ganz besonders relevant ist aber, dass die Arbeit mit der ACT in Kliniksettings auch die Chance auf einen Wechsel der Perspektive auf psychische Erkrankungen und deren Therapie birgt: in institutionellen Settings herrscht häufig eine eher defizit- bzw. symptom-fokussierte Sicht auf die Patientinnen und Patienten vor, entsprechend ist das Ziel der Behandlung die Beseitigung oder Linderung der Symptome einer Erkrankung. Die ACT hingegen legt den Fokus darauf, dass alle Menschen gleichermaßen von der Förderung jener Kernkompetenzen profitieren können, die mehr psychische Flexibilität im Umgang mit unterschiedlichsten Situationen ermöglichen, und so letztlich ein wertorientiertes Leben erlauben.
Ein weiterer Aspekt, der für die Implementierung von ACT spricht, ist, dass die Arbeit in Kliniksettings in der Regel durch eine hohe Arbeitsbelastung für das Behandlungsteam gekennzeichnet ist (z. B. Drupp und Meyer 2019). Studien konnten zeigen, dass die Förderung psychischer Flexibilität am Arbeitsplatz unter anderem dazu beiträgt, das Wohlbefinden des Personals zu steigern (vgl. Flaxman et al. 2013). ACT-basierte Behandlungsansätze für Patientinnen und Patienten kommen daher indirekt auch dem Gesundheitsfachpersonal zugute ( Kap. 14).
Die ACT zeichnet sich also sowohl durch eine starke empirische Befundlage als auch durch Grundprinzipien aus, die insbesondere in Kliniksettings einen vielversprechenden Perspektivwechsel in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit sich bringen können. Entsprechend werden ACT-basierte therapeutische Konzepte zunehmend im Bereich der Versorgung psychischer Erkrankungen angewandt und auch für die Angebote in psychiatrischen Krankenhäusern und Fachabteilungen adaptiert (Dambacher und Samaan 2020). Allerdings fehlt es noch an entsprechender Literatur, die den Besonderheiten dieses Behandlungssettings in der Anwendung der ACT Rechnung trägt und klinischen Teams wertvolle Hilfestellung bei der Entwicklung und Umsetzung ACT-orientierter Konzepte in Kliniksettings gibt. Dieses Buch möchte hier Abhilfe schaffen. Es richtet sich entsprechend an Personal in Gesundheitsfachberufen, welches im stationären und teilstationären Versorgungssystem arbeitet. Es beleuchtet die Anwendung der ACT in klinischen und tagesklinischen Bereichen aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Schwerpunkten und kombiniert dabei theoretische Erläuterungen mit konkreten, praktischen Anregungen für die eigene klinische Tätigkeit.
Wir haben unser Buch zu »ACT in Klinik und Tagesklinik« in drei Teile gegliedert. In einen ersten Teil mit Beiträgen zur Einführung, Adaptierung und Implementierung der Akzeptanz- und Commitment-Therapie in Kliniksettings, einen zweiten Teil zur konkreten multiprofessionellen Arbeit mit der ACT im voll- oder teilstationären Setting sowie einen dritten Teil mit Beiträgen zur Verwendung von ACT bei verschiedenen klinischen Indikationen und Zielgruppen.
In diesem ersten Teil wird es also um eine Einführung ins Thema »ACT in Klinik und Tagesklinik« und hilfreiche Perspektiven für die Adaptierung und Implementierung der Akzeptanz- und Commitment-Therapie in multiprofessionellen voll- oder teilstationären Kliniksettings gehen. Hierzu haben wir Beiträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammengestellt. Im Detail geht es dabei um eine Einordnung der ACT im Kanon der prozessorientierten und evidenzbasierten Psychotherapien ( Kap. 1), um die Vermittlung der Grundprinzipien von ACT an klinische Teams ( Kap. 2), um die Implementierung von ACT als berufsgruppen-übergreifendes Therapiekonzept in klinischen Teams ( Kap. 3) sowie die therapeutische »InterACTion« im Klinikalltag ( Kap. 4). Viel Freude beim Lesen und Umsetzen!
Literatur
Dambacher C, Samaan M (2020) Akzeptanz- und Commitmenttherapie in der Gruppe. Weinheim: Beltz.
Drupp M, Meyer M (2019) Belastungen und Arbeitsbedingungen bei Pflegeberufen – Arbeitsunfähigkeitsdaten und ihre Nutzung im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A (Hrsg.) Pflege-Report 2019. Berlin, Heidelberg: Springer.
Flaxman PE, Bond FW, Livheim F (2013) The mindful and effective employee: An acceptance and commitment therapy training manual for improving well-being and performance. Oakland, CA, USA: New Harbinger Publications.
Gifford EV, Hayes SC (1999) Functional contextualism: A pragmatic philosophy for behavioral science. In: O’Donohue W, Kitchener R (Hrsg.) Handbook of behaviorism. San Diego: Academic Press. S. 285–327.
Hayes SC, Masuda A, Bissett R, Luoma J, Guerrero LF (2005) DBT, FAP, and ACT: How empirically oriented are the new behavior therapy technologies? Behav Ther 35(1): 35–54.
Hayes SC, Strosahl KD, Wilson KG (1999) Acceptance and commitment therapy: An experiential approach to behavior change. New York, NY, USA: Guilford Press.
Hofmann SG, Asmundson GJG (2008) Acceptance and mindfulness-based therapy: new wave or old hat? Clin Psychol Rev 28(1): 1–16.
Linehan MM (1993) Cognitive-behavioral treatment of borderline personality disorder. New York, NY, USA: Guilford Press.
Pleger M, Treppner K, Diefenbacher A, Schade C, Dambacher C, Fydrich T (2018). Effectiveness of Acceptance and Commitment Therapy compared to a combination of CBT+: Preliminary Results. Eur J Psychiatry 32(4): 159–196.