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4. „Erinnern bedeutet offenlegen, ans Licht bringen“ – Gedenkgottesdienst in der Friedenskirche am Vorabend der Stolpersteinverlegung

Manfred Stoffel/Jochen Wagner

Musikstück

Einzug der Liturgen

Begrüßung – Thema – Ablauf – liturgischer Beginn

Wir erinnern in diesen Tagen an jüdische Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt. In Vorträgen, in Diskussionen und auch in diesem Gottesdienst.

Kirchberg – ihr Geburts- und Heimatort hatte seinen jüdischen Bürgern weder Schutz noch Zuflucht gewährt.

Und die Kirche – ich bleibe bei der evangelischen Kirche: sie hatte mit ihrem allgegenwärtigen Antijudaismus dem national-sozialistischen Rassenwahn kaum etwas entgegenzusetzen.


Erinnern bedeutet offenlegen, ans Licht bringen. Das Leben und Leiden unserer jüdischen Mitbürger ist lange im Dunkel unserer Geschichte seltsam verborgen geblieben.

Hier in diesem Gottesdienst wollen wir ihre Geschichte nicht ins rechte Licht rücken. Dieser Anspruch wäre zu vermessen.

Aber wir nennen ihre Namen. Heute 22 Namen. Sie stehen für Lebensgeschichten, für immer verwoben mit unserer eigenen Geschichte hier in Kirchberg. Wir erinnern uns an jüdische Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt in diesem Gottesdienst – so hatte ich begonnen.

Wir tun dies in diesem Gottesdienst auf der einen Grundlage, auf der wir jeden Gottesdienst feiern. Es ist die Liebe Gottes zu uns Menschen.

Und fester Bestandteil dieser Liebe Gottes ist seine Bundeszusage an sein Volk Israel.

Von dieser Bundeszusage Gottes an sein Volk Israel kommen wir Christen her. Ja, sie ist fester Bestandteil der frohen Botschaft unseres christlichen Glaubens.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.

Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der Bund und Treue hält und nicht preisgibt das Werk seiner Hände.

Der Herr sei mit euch. (…)

„Wie sich im Wasser das Angesicht spiegelt, so ein Mensch im Herzen des anderen.“ So heißt es im Buch der Sprüche Salomos (27,19)…

Gebet

Wir beten:

Gott, voller Erschrecken schauen wir auf die Geschichte unseres Volkes.

Deutsche, unter ihnen viele Christen, haben ihre Mitmenschen erniedrigt, verfolgt und getötet: Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Menschen mit Beeinträchtigungen, Menschen, die widersprochen haben.

Bitte lehre uns, diejenigen, die anders sind als wir, zu tolerieren und ihr Anderssein als Bereicherung zu erfahren.

Schenke uns selber Kraft, denen zu folgen, die den Mut zum Widerstand hatten und haben.

Lass uns mit allen Menschen guten Willens Wege der Hoffnung und des Friedens gehen.

Gib uns, Gott, dazu deinen Segen. Amen.

Lesung

Man hat meinem Gott das Haus angezündet

– und die Meinen haben es getan.

Man hat es denen weggenommen, die mir den Namen Gottes schenkten

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen ihr eigenes Haus weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen ihr Hab und Gut, ihre Ehre, ihren Namen weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Man hat ihnen das Leben weggenommen

– und die Meinen haben es getan.

Die den Namen desselben Gottes anrufen, haben dazu geschwiegen

– ja, die Meinen haben es getan.

Man sagt: Vergessen wir’s und Schluss damit.

Das Vergessene kommt unversehens, unerkannt zurück.

Wie soll Schluss sein mit dem, was man vergisst?

Soll ich sagen: Die Meinen waren es, nicht ich?

– Nein, die Meinen haben so getan.

Was soll ich sagen?

Gott sei mir gnädig!

Was soll ich sagen?

(Bischof Klaus Hemmerle, Aachen, († 1994), Ansprache am 9. November 1988)

Musikstück

Stolpersteine

Die 22 Stolpersteine werden einzeln von Schülerinnen und Schülern, Vertretern der Stadt Kirchberg sowie der Kirchen aus dem Dunkel des Chorraums vor den Altar gebracht. Die Namen auf den Steinen werden verlesen. Für jeden Namen wird eine Kerze entzündet.

Fürbitten

Gott, unser Vater, Du Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, Du Gott Saras, Rebekkas und Rahels. Du hast dich in Jesus Christus als der gezeigt, der den Leidenden nahe ist und sich der Opfer erinnert, damit heil wird, was unheil ist. Dich bitten wir:

Ungezählt sind die Toten, die der Wahn des Nationalsozialismus gefordert hat, unvorstellbar sind die Grausamkeiten, die Menschen durch Menschen angetan wurden.

Wir bitten Dich für die Opfer, gleich welcher Religion, welcher politischen Überzeugung, welcher gesellschaftlichen Gruppe, welcher nationalen Herkunft.

Alle: HERR, Unser Gott: wir bitten Dich, erhöre uns.

Das Grauen des Nazi-Terrors ist für viele längst Geschichte – doch manche Opfer leben noch unter uns.

Wir bitten dich um Rettung und Trost für die Leidenden, wir flehen um deine Gerechtigkeit, die allein das Unheil der Geschichte überwinden kann.

Alle: HERR, Unser Gott: wir bitten Dich, erhöre uns.

Oft stehen wir in der Versuchung, die Vergangenheit vergessen zu wollen. Manchmal verdrängen wir das Gestern, um allein im Heute zu leben.

Wir bitten dich, uns den Mut zur Erinnerung zu bewahren, damit aus der Geschichte Widerstand erwächst gegen alle Not und Ausgrenzung in der Gegenwart.

Alle: HERR, Unser Gott: wir bitten Dich, erhöre uns.

Terror, Verfolgung, Mord sind auch heute noch für viele Menschen grausamer Alltag. „Menschenwürde“ ist für viele ein Fremdwort.

Wir bitten Dich um Frieden und Gerechtigkeit in Fülle für alle Menschen.

Alle: HERR, Unser Gott: wir bitten Dich, erhöre uns.

Alles, was uns sonst beschäftigt und bewegt, bringen wir vor dich mit den Worten, die Jesus selbst uns gelehrt hat: Vater unser im Himmel…



Informationen

Hinweis auf die ausgelegte Broschüre „Stolpersteine in Kirchberg. Erstverlegung am 7.11.2017“ Hinweis auf die Veranstaltungen am Dienstag (Verlegung der Stolpersteine)

Segen

Am Ende dieses Gottesdienstes sprechen wir Ihnen noch den Segen Gottes zu.

Ich bitte Sie, dazu aufzustehen:

Der Herr segne dich und behüte dich,

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.

Der Herr wende sein Angesicht dir zu und gebe dir Frieden.

So segne euch der barmherzige Gott. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.

Amen.


Musikstück

Im Anschluss an den Gottesdienst wurden die Kerzen in stillem Gedenken an die Orte in Kirchberg gebracht, wo am nächsten Tag die Stolpersteine verlegt wurden.

Mitwirkende

Liturgen: Dechant Ludwig Krag (Dekanat Simmern-Kastellaun, Bistum Trier), Dave Sindhu (Christliches Zentrum Hunsrück), Pfarrer Manfred Stoffel (Evangelische Kirchengemeinde Kirchberg), Pastor Dr. Jochen Wagner (Freie Evangelische Gemeinde Kirchberg), Sonja Wendling (Lehrerin an der Kooperativen Gesamtschule Kirchberg)

Schülerinnen und Schüler: Lea Bast, Christin Fischer, Djulia Frickel, Karina Knaus, Sabrin Ramadan, Melissa Schneider, Jessica Stehmetz

Musik: Joachim Schreiber (Kantor, Evangelischer Kirchenkreis Simmern-Trarbach)

Für wichtige Hinweise danken wir Herrn Dr. Thomas Stubenrauch, Bistum Speyer. Impulse und Texte sind zum Teil in überarbeiteter Weise entnommen aus: Erinnern, Gedenken, Mahnen, Bistum Speyer (https://www.bistum-speyer.de)

Die Auslöschung jüdischen Lebens in Kirchberg/Hunsrück in der Zeit des Nationalsozialismus

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