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Ist die Eugenik ein Tabu?

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Der Begriff Eugenik wird von Francis Galton, dem Vetter von Charles Darwin, 1883 erstmals mit seiner Schrift „Inquiries into Human Faculty and its Development“ eingeführt. Er definiert Eugenik als „the study of agencies under social control, that may improve or impair the racial qualities of future generations either physically or mentally”. Am Inhalt dieser Definition hat sich über 100 Jahre nichts geändert. Auch Daniel Kevles, der US-amerikanische Historiker und Wissenschaftsjournalist, definiert Eugenik als die „Gesamtheit der Ideen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Qualität der menschlichen Rasse durch die Manipulation des biologischen Erbguts zu verbessern“ (Kevles 1985).

Eugenik war stets mehr als die Anwendung biologischen Wissens auf das Erbgut oder seine Manipulation, Eugenik stand stets auch für die Vision, mit dieser Methode gesellschaftliche und soziale Ziele zu erreichen. Hauptakteure dabei waren immer wieder Wissenschaftler, insbesondere Mediziner. Deshalb ist es auch interessant, dass die Eugenik in der Debatte der deutschen Ärzteschaft durch die zwar lange beschwiegenen, aber durchaus bekannten Medizinverbrechen im Nationalsozialismus über Jahrzehnte vollständig tabuisiert wurde, und dieses Tabu auch für die Ablehnung gentechnischer Verfahren in der Medizin in Dienst genommen wurde. Dabei ist mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Nationalsozialismus und dem Nürnberger Ärzteprozess eine Auflösung dieses Tabus sowie eine Annäherung an eine Position, die die genetische Verbesserung des Menschen ethisch nicht mehr prinzipiell ausschließt, festzustellen.

Interessant ist, dass in der Geschichtsforschung eine fast gegenläufige Entwicklung zu beobachten ist: Das Isolationsparadigma, das die Einmaligkeit der NS-Eugenik betont, diese als Irrweg der ansonsten seriösen internationalen Eugenik-Bewegung sieht und damit einer vollständigen Tabuisierung der gentechnischen Veränderung des Menschen eher entgegensteht, wird zunehmend von einem Kontinuitätsparadigma abgelöst, mit dem eine kritische Bestandsaufnahme des Weiterlebens gedanklicher Grundlagen der Menschenzüchtung und -verbesserung verbunden ist. Einer Annäherung an den Einsatz von keimbahnverändernden Eingriffen steht dieses Paradigma eher entgegen.

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