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Eine philosophisch begründete Antwort

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Jenseits dieser beiden Positionen hat Jürgen Habermas eine grundsätzliche Gegenposition formuliert, die auch jenseits theologischer Einwände liegt und die den Titel trägt „Die Zukunft der menschlichen Natur. Auf dem Weg zu einer liberalen Eugenik?“ (Habermas 2001).

Habermas geht von einem modernen Freiheitsverständnis aus, zu dem er aber einräumend feststellt, dass es auf einer „bisher unthematisch hingenommenen Unverfügbarkeit eines kontingenten Befruchtungsvorgangs mit der Folge einer unvorhergesehenen Kombination von zwei verschiedenen Chromosomensätzen beruhe“. Diese Erkenntnis sei erst heute angesichts der Möglichkeiten der genetischen Medizin insgesamt klar zutage getreten. Er räumt damit ein, dass er sich als Mensch, aber auch die Philosophie als Wissenschaft insgesamt relativ spät um die neuen Erkenntnisse der Biologie gekümmert und diese in sein Denken integriert habe. Die Kontingenz, das zufällige Zusammentreffen einer bestimmten Eizelle und einer bestimmten Samenzelle sei aber, so Habermas weiter, die notwendige Voraussetzung für das Selbst-Sein können und die egalitäre Natur unserer interpersonalen Beziehungen. Die Nicht-Programmierung durch andere Menschen sei die Voraussetzung dafür, „dass wir einmalig sind, von allen unterschiedlich und darin gleich“. Die ungeteilte Autorenschaft unserer Lebensgeschichte müsse bei uns selbst liegen. Nur das wäre die Basis einer gleichberechtigten Teilhabe am Diskurs und einer Teilhabe an der Gesellschaft.

Zwei Grundgedanken an dieser Argumentation sind hervorzuheben: Die Argumentation von Habermas hat gewollt oder ungewollt eine individualpsychologische Basis. Diese besteht in der Annahme, dass eine pränatale Merkmalsveränderung ein Eingriff in die „naturalen Voraussetzungen für Autonomie und Verantwortlichkeit“ sei und die Mitautorenschaft des Designers den betroffenen Personen die Möglichkeit nehme, für ihr Leben retrospektiv die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Die Bestimmungsmacht der vorangegangenen Generation würde dann verhindern, dass sich die betroffene Person als uneingeschränkt ebenbürtig ansehen kann. Die betroffene Person könne ihre Genzusammensetzung als Folge einer Handlung, die sie den Akteuren auch vorwerfen kann, begreifen. Auch pränatale Eingriffe in die Keimbahn zur Verhinderung schwerer Erkrankungen verwirft er, da die dafür oft herangezogene erwartete Zustimmung der später Geborenen nur kontrafaktisch angenommen werden könne. Die rechtsphilosophische Basis dieser Argumentation hat den Ausgleich zwischen den vertikalen und horizontalen Rechtsbeziehungen im Blick. In der liberalen Tradition gebe es die Wahlfreiheit der individuellen Rechtsperson gegen staatliche Eingriffe. Hier stünde die Abwehr der Gefährdung der vertikalen Beziehung im Hintergrund. Die Freiheitserweiterung durch die humangenetischen Fortschritte, beispielweise in Form eines erweiterten Elternrechts und dem Recht auf die genetische Gestaltung der Kinder, würden aber die Elternbeziehungen zu ihren Kindern vollständig verändern. Aus dieser ursprünglich horizontalen Rechtsbeziehung würde eine vertikale werden, gegen die – ähnlich wie bei staatlichen Eingriffen – die objektive Rechtsordnung das subjektive Recht des Kindes gegen die Eltern verteidigen müsste. Aus dieser einseitigen Verlagerung von horizontalen in vertikale Rechtsbeziehungen schließt Habermas auf das Recht des Einzelnen auf den genetischen Zufall und somit auch auf die Unvollkommenheit als Basis der Freiheit und des subjektiven Rechts des Einzelnen.

Ob die Position von Habermas dem zunehmenden Trend der Legitimierung keimbahnverändernder Eingriffe nachhaltig etwas entgegensetzen kann, muss sich noch im Diskurs erweisen. Sie ist zwar die einzige Position, die sich wohltuend von Technikgläubigkeit, theologisch begründeter Fundamentalopposition und pragmatisch sich ständig anpassenden Regulierungsvorstellungen abhebt, auf der anderen Seite an bestimmten Stellen aber unklar oder zumindest offen bleibt. So geht Habermas nicht weiter auf die Frage der Forschungsfreiheit ein. Wenn diese aber weiterhin uneingeschränkt gilt – wovon gerade bei und mit Habermas auszugehen ist – dann läuft dies bei einer Ablehnung der merkmalsverändernden genetischen Keimbahneingriffe irgendwann auf weitreichende Anwendungsverbote hinaus, deren große Probleme der Abgrenzung und der Kontrolle er aber nicht weiter thematisiert.

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