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Können wir aus der Geschichte lernen?
ОглавлениеAnton Leist, der langjährige Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie in Zürich, bejaht diese Frage – natürlich könnten wir aus der Geschichte lernen.2 Die Medizin habe aber ihre Lektion gelernt. Heute würde die Selbstbestimmung der Patienten geachtet und es bestünden keine rassistischen Ressentiments mehr in der Medizin. Das Problem der Medizin sei heute ein anderes: „Die Medizin kann den Menschen mit Hilfe der Genetik und der modernen Neurologie verändern, bei zunehmender Ungewissheit, was den Menschen eigentlich ausmacht.“ Ob dies wirklich eine Frage ist, die unabhängig von der Geschichte zu beantworten ist, sei dahingestellt.
Eine ganz andere Antwort gibt Richard Schröder, emeritierter Philosoph und Theologe der Humboldt-Universität. Er sagt, das „einfache Lernen“ aus der Geschichte sei nicht möglich, eine einfache Wiederholung gebe es nicht. Wer sich zu sehr auf die vorige Geschichte konzentriere, bemerke die nächste Geschichte womöglich zu spät. Von ihm stammt im Hinblick auf die Aufarbeitung von Faschismus und DDR-Sozialismus auch der Gedanke, dass es nicht um Gleiches geht, sondern vielmehr um Ungleiches, um Unterschiedlichkeiten, die wir zwischen gestern und heute erfassen sollten, um Fragen zu stellen, um etwas zu verstehen, und um Schlussfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen. Schröder wirbt damit für eine Sorgfalt in der Beachtung der Geschichte – erst, wenn man die Geschichte genau kenne, könne man die Unterschiedlichkeit und damit auch die Gefahr der Wiederholung von Risiken erkennen. Nimmt man die derzeitige Entwicklung der neo-eugenischen Debatte in den Blick, fallen gleichermaßen Ungleichheit wie Gleichheit, besser Ähnlichkeit, mit den früheren Debatten und ihrem Verlauf auf.
Different zur früheren Entwicklung ist sicherlich die enorme Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung, der ethische Entscheidungen halb zustimmend, halb abbremsend, quasi hinterherhinken. Dabei erscheint die ethische Debatte oft hilflos, lediglich nachformulierend oder nachjustierend. Gute Beispiele hierzu sind der Verlauf der Debatte über den Embryonenschutz in Deutschland oder die Ausweitung pränataler und präimplantiver Diagnostik.
Eine Ähnlichkeit zur früheren Entwicklung besteht in einer zumindest insinuierten Teleologie der Entwicklung. War es früher die kulturpessimistisch eingefärbte Ansicht, dass die Menschheit nur durch eugenische Eingriffe vor Degeneration bewahrt werden und überleben könne, so ist es heute die Ansicht, dass der Mensch durch Optimierung noch mehr Glück erleben und mehr leisten und – auch diese Ansicht greift zunehmend Raum – gegen die neuen Umweltgefahren besser geschützt werden könnte.