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Zu den Anfängen der Vision vom optimierten Menschen1

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Schon Charles Darwin legt in seinem Werk „The Descent of Man“ 1871 die Grundlage für eine Unterscheidung zwischen einer positiven Selektion durch die Natur selbst und der Außerkraftsetzung dieser positiven Selektion und die Verbreitung der negativen Selektion durch die Kultur und Zivilisation. Charles Darwin ist aber, den Thesen Lamarcks folgend, noch der Ansicht, dass auch erworbene Fähigkeiten des Menschen vererbt und somit die negativen Selektionseffekte der Kultur und der Zivilisation wieder ausgeglichen werden können. Erst sein Vetter Francis Galton widerspricht dem und setzt dagegen, dass sich der Erbanlagenfaktor auf jeden Fall durchsetze. Mit eigenen Familienuntersuchungen und Zwillingsforschungen kommt er zu dem Schluss, dass sich die „Erbminderwertigen“ schneller, die „Erbhochwertigen“ dagegen langsamer vermehren würden. Damit ist der Grundstein für die Eugenik gelegt, und auch für ihr frühes Paradigma, dass die Gesellschaft durch Kultur und Zivilisation degenerieren würde, wenn nicht gegensteuernde eugenische Maßnahmen zur Verbesserung des menschlichen Erbguts unternommen würden. Auch wenn Galton als einer der Stichwortgeber für die nun folgende, sich internationalisierende Eugenik-Debatte gelten kann, sind seine eigenen Vorschläge zur eugenischen Programmatik vage und enden in Eheberatung, Ehebeschränkung für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischer Erkrankung sowie der Absonderung von „Gewohnheitsverbrechern“.

Weiter geht Alfred Ploetz, der in seinen „Grundlinien einer Rassen-Hygiene“ 1895 eine Gesellschaft entwirft, in der das Existenzrecht des Einzelnen dem Maßstab seiner rassischen Erbwertigkeit unterworfen wird (Ploetz 1895). Nur „rassisch hochwertige“ Paare sollten eine staatliche Lizenz erhalten, sich zu vermehren, sogenannte Erbminderwertige sollten von der Fortpflanzung durch Sterilisation ausgeschlossen werden. Schwächliche Neugeborene sollten „ausgejätet“ werden. Dies alles, so Ploetz fast hellseherisch, bis die Genetik die Verlagerung der Selektion auf die Keimzellen ermöglichen würde.

Ab Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts kann man von einer internationalen Eugenik-Bewegung sprechen. 1896 erlässt der Bundesstaat Connecticut das erste Heiratsverbotsgesetz für Menschen mit Epilepsie, geistiger Behinderung oder psychischer Erkrankung. 1907 wird im Bundesstaat Indiana das erste Gesetz zur Zwangssterilisation aus eugenischen Gründen eingeführt, 1911 der erste Lehrstuhl für Eugenik in London besetzt.

1923 entwirft der britische Genetiker John Burdon Sanderson Haldane in seinem Buch „Daedalus or Science and the Future“ das Bild einer biologischen Revolution, in der die genetische Wissenschaft die Herrschaft über die Reproduktion des Menschen übernimmt und indem er visionär die In-vitro-Fertilisation und die Ektogenese, also die künstliche Gebärmutter, bereits vorhersagt. 1925 legte der spätere Nobelpreisträger Hermann Joseph Muller erstmals sein später immer wieder überarbeitetes Manifest „Out of the Night – a Biologist’s View of the Future“ vor, das eine gerechtere Gesellschaftsordnung durch den Einsatz wissenschaftlich gelenkter Reproduktion fordert.

Die deutschen rassenhygienisch argumentierenden Populationsgenetiker, wie Alfred Ploetz, Ernst Rüdin und andere, auf deren Arbeiten aufbauend die Nationalsozialisten 1933 beispielsweise das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses und die nachfolgenden Nürnberger Rassegesetze erließen, waren bis Ende der dreißiger Jahre integraler Bestandteil dieser internationalen Debatte der Genetiker.

Eine Distanzierung der weltweit führenden Genetiker von der deutschen Rassenhygiene erfolgte erst im August 1939 kurz vor dem deutschen Überfall auf Polen, anlässlich eines Treffens in Edinburgh, bei dem ein Manifest unter dem Titel „Social Biology and Population Improvement“ vorgelegt wurde. In diesem Manifest wird die Vision einer zukünftigen Weltgesellschaft gezeichnet, die Krieg, Hass und den Kampf um elementare Subsistenzmittel überwunden hat und sich deshalb ohne staatlichen Zwang, nur aufgrund von Einsicht und Freiwilligkeit einem biologischen Programm zur genetischen Verbesserung unterwirft, wobei betont wird, dass die Menschheit gegenwärtig dazu noch nicht bereit sei. Die nationalsozialistische Eugenik wird als Rückfall in die Unwissenschaftlichkeit zurückgewiesen.

Dieses Manifest kann heute als der Schlüssel für die Antwort gewertet werden, warum die Idee der Eugenik, den Menschen genetisch zu optimieren, so unangefochten überdauern konnte. Die darin enthaltene Gedankenfigur, die Eugenik der NS-Zeit als Rückfall in die Unwissenschaftlichkeit abzutun, ohne die Grundidee der genetischen Verbesserung des Menschen aufzugeben, wurde nach 1945 immer wieder bemüht.

Mit der von James D. Watson und Francis H. C. Crick erstmals 1953 beschriebenen molekularen Struktur der DNA und der damit begründeten Epoche der molekularen Genetik erhielten die sozialutopischen Visionen der Genetiker einen erneuten Aufschwung. 1962 diskutierten die führenden Humangenetiker auf dem sogenannten Ciba-Symposium in London, wie die Folgen von Bevölkerungsexplosion, Hungersnöten und der durch die atomare Strahlung noch verschärfte genetic load durch genetische Eingriffe abgewehrt werden könnte. Human betterment war das Stichwort, das Hermann Joseph Muller in die Runde warf. Er verstand darunter die kontrollierte Zeugung des Menschen durch Verwendung ausgesuchter Keimzellen. Der spätere Nobelpreisträger Joshua Lederberg bezeichnete diese Methode als „erbärmlich plumpe Methode der Tierzucht“ und forderte den mit der Molekulargenetik in Realisierungsnähe gerückten, direkten selektiven Eingriff in die Gensequenzen der Keimzellen. Lederberg leitete damit frühzeitig die Ablösung des Begriffs des human betterment durch den heute eingeführten Begriff des genetic enhancement engineering ein.

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