Читать книгу DIAGNOSE F - Группа авторов - Страница 8

Monika Niehaus: Der Fall Häwelmann

Оглавление

»Hohes Gericht! Ich werde scheußlicher Verbrechen beschuldigt, und ich gebe freimütig zu, dass ich sie begangen habe, aber bin ich deshalb auch schuldig?«

Der Angeklagte mochte Mitte zwanzig sein, wirkte aber noch immer recht kindlich mit seinem blonden Haarschopf und den großen blauen Augen, die ein wenig verwundert in die Welt zu blicken schienen.

»Sie sind mir entgegengekommen und haben die Verhandlung in die Nacht verlegt, und im Gegenzug habe ich Ihnen völlige Offenheit versprochen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren. Seht Ihr den guten alten Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seinem freundlichen Gesicht? Nun, ich habe seine andere, ich habe die böse Seite des Mondes kennengelernt. Meine Mondhörigkeit, hohes Gericht, wurzelt in meiner Kindheit.

Damals, ich war kaum drei Jahre alt, entführte mich der Mond auf einem Strahl, den er durchs Schlüsselloch schickte, aus meinem Zimmer. Er lotste mich aus eitler Lust quer durch die Stadt, den Wald und schließlich bis in den Himmel, wo ich mich nur dadurch aus seinem Bann befreien konnte, dass ich ihm quer übers Gesicht fuhr, was, das gebe ich freimütig zu, einige Narben hinterließ. Daraufhin schleuderte er mich voll Zorn ins Meer.

Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond schon viel größer geworden ist, fast ein Viertel des Himmels einnimmt?

Ich wurde durch einen glücklichen Zufall gerettet, aber seitdem verfolgt mich der Mond, der gute alte Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seiner Rache. Zunächst waren es Katzen, deren Augen bekanntlich im Mondlicht illuminieren, die er mich umzubringen zwang. Dann hetzte er mich auf größere Beute wie Mondkälber, noch feucht von der Milch ihrer Mutter. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond jetzt gut die Hälfte des Himmels einnimmt?

Doch bald genügte ihm auch das nicht mehr, ihn gelüstete nach jungen Mädchen, und gehorsam schnitt ich ihnen mit einer Mondsichel die Kehle durch, sodass er ihr silbernes Blut trinken konnte. Ihr müsst mir glauben, Euer Ehren, es war nicht mein freier Wille, der gute alte Mond, wie ihr ihn nennt, hat mich dazu gezwungen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond noch viel größer geworden ist und nun den ganzen Himmel einnimmt?

Die Männer dort mit der Zwangsjacke werdet Ihr nicht brauchen, Euer Ehren. Seht Ihr denn nicht, dass der gute alte Mond im Begriff ist, sich auf die Erde zu stürzen … stürzen … stürzen … stürzen … stürzen …«

DIAGNOSE F

Подняться наверх