Читать книгу Sprach- und Schriftsprachförderung wirksam gestalten: Evaluation umgesetzter Konzepte - Группа авторов - Страница 7
Kapitel 1:
Evaluation im Bund-Länder-Programm »Bildung durch Sprache und Schrift« Sarah Gentrup, Sofie Henschel & Petra Stanat Einleitung
ОглавлениеGute alltags- und bildungssprachliche Fähigkeiten sind nicht nur wesentlich für den fachlichen Kompetenzerwerb (z. B. Chudaske, 2012; Paetsch, Felbrich & Stanat, 2015), sondern bilden auch eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe (z. B. Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016; Hasselhorn & Sallat, 2014). Großangelegte Studien zeigen jedoch, dass ein bedeutsamer Anteil von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nicht über ausreichende sprachliche Kompetenzen verfügt, die für erfolgreiches Lernen erforderlich sind. Im Alter von drei bis fünf Jahren hat bislang etwa jedes fünfte Kind einen Sprachförderbedarf, wobei der Anteil bei Kindern aus Familien, in denen die Eltern ein niedrigeres Bildungsniveau aufweisen oder in denen häufiger eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird, fast doppelt so hoch ist (Arbeitsgruppe Bildungsberichterstattung, 2016). Ebenso verfehlt im Lesen ein Achtel der Viertklässlerinnen und Viertklässler den Mindeststandard der Kultusministerkonferenz (Stanat, Schipolowski, Rjosk, Weirich & Haag, 2017) und mehr als ein Fünftel der Fünfzehnjährigen (Weis et al., 2019) erreicht in PISA nicht die Kompetenzstufe II. Diese Schülerinnen und Schüler dürften unzureichend darauf vorbereitet sein, lesebezogene Anforderungen im Alltag erfolgreich zu bewältigen.
Die Bedeutung guter sprachlicher und schriftsprachlicher Fähigkeiten für den Kompetenzerwerb und die gesellschaftliche Teilhabe sowie der weiterhin zu hohe Anteil von Kindern und Jugendlichen, die in diesen Bereichen Schwierigkeiten haben, veranlassten Bund und Länder seit Beginn der 2000er Jahre dazu, vielfältige Maßnahmen zur Verbesserung von Sprachbildung, Sprach- und Leseförderung anzustoßen. Dies ist zunächst eine positive Entwicklung, die darauf abzielte, die Sprachförderkompetenzen der Fach- und Lehrkräfte weiterzuentwickeln und letztlich die sprachlichen und schriftsprachlichen Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Inwieweit die Maßnahmen in der Praxis umgesetzt und ihre Ziele erreicht werden konnten, war aber weitgehend ungeklärt. Aus diesem Grund initiierten das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) im Jahr 2013 das Programm »Bildung durch Sprache und Schrift« (BiSS). Das Programm zielte darauf ab, vielfältige Ansätze zur Verbesserung der Sprachbildung, Sprach- und Leseförderung in Deutschland weiterzuentwickeln und deren Qualität und Wirksamkeit zu überprüfen. Dabei war es Bund und Ländern wichtig, diejenigen Ansätze in den Blick zu nehmen, die in den Bildungseinrichtungen bereits umgesetzt und oft auch dort entwickelt worden sind. Es sollte also weniger eine Top-down-Strategie verfolgt werden, bei der von der Wissenschaft entwickelte Maßnahmen durch die Praxis nach relativ präzisen Vorgaben umgesetzt werden sollen, um ihre Wirksamkeit möglichst genau überprüfen zu können. Stattdessen sollte eher eine Bottom-up-Strategie angewendet werden, bei der bestehende Praxisansätze von der Wissenschaft aufgegriffen, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierend beurteilt und gemeinsam mit den Praktikerinnen und Praktikern weiterentwickelt werden. Aufgrund der Vielfalt an Maßnahmen, die von Bund und Ländern bereits angestoßen worden waren, war das Anliegen, bestehende Ansätze zu fokussieren, um Hinweise auf ihre Wirksamkeit zu erlangen, nachvollziehbar. Für die Planung und Durchführung aussagekräftiger Evaluationen war dieses Vorgehen jedoch mit einer Reihe von Herausforderungen verbunden.
Im Folgenden soll zunächst das Evaluationskonzept des BiSS-Programms vorgestellt werden. Hierbei werden einerseits die Rahmenbedingungen und Anforderungen zusammengefasst, denen die Evaluationen in BiSS gerecht werden sollten. Andererseits wird ihre konkrete Ausgestaltung beschrieben. Einen Schwerpunkt der Evaluationen im BiSS-Programm bildeten externe Evaluationsprojekte, die im Fokus des vorliegenden fünften Bands der Publikationsreihe »Bildung durch Sprache und Schrift«1 stehen. Die strukturellen Ausgangslagen dieser Vorhaben und ihre thematischen Schwerpunktsetzungen sollen daher genauer dargestellt werden. Anschließend werden Herausforderungen reflektiert, die sich in der konkreten Arbeit der Projekte ergaben. Das Kapitel schließt mit einer Gesamtreflexion der Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Arbeit der externen Evaluationsprojekte und einem Ausblick, was bei zukünftigen Vorhaben der Evaluations- und Implementationsforschung berücksichtigt werden sollte.