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Busklau in Brauweiler
Adolf Witte glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Es ist Samstagmorgen und Borussias Busfahrer ist gerade aufgestanden, er will noch vor dem Frühstück nach dem Mannschaftsbus schauen, den er am Freitagabend auf dem Parkplatz des Hotels in Brauweiler abgestellt hat. Am Nachmittag steht das Bundesligaspiel beim 1. FC Köln auf dem Programm. Das prestigeträchtige rheinische Derby, das Spiel, vor dem Trainer Hennes Weisweiler aufgrund seiner Kölner Herkunft immer ganz besonders angespannt ist. Adolf Witte geht also hinaus auf den Hotelparkplatz und sieht – nichts. Der Bus ist weg.
„Das muss ein Fachmann gewesen sein“, sagt Witte zu Manager Helmut Grashoff. „Den Bus aufbrechen, kurzschließen und dann vor allem aus der engen Parklücke herausrangieren, das kann nur jemand, der schon mal einen Omnibus gefahren hat.“ Bei der Mannschaft ist das Gefeixe zuerst groß, aber dann wird allen klar, dass nicht nur der Bus weg ist, den der Verein vor der Saison für 157.000 Mark angeschafft hat, sondern auch die gesamte Ausrüstung für das Spiel in Köln. Trikots, Fußballschuhe, alles ist im Bus.
Die Borussen glauben erst noch an einen Scherz, einen Streich vielleicht von Kölner Fans, doch je später es wird, desto nervöser wird man. Auch die Großfahndung der inzwischen verständigten Polizei bringt kein Ergebnis, und als um 11.30 Uhr noch immer keine Spur vom Mannschaftsbus festgestellt ist, wird Co-Trainer Rudi Schlott in Mönchengladbach angerufen. Der ist noch am Bökelberg, weil er dort mit den Nachwuchsleuten trainieren soll. Grashoff weist ihn an, Ersatztrikots nach Brauweiler zu bringen und vor allem alle Schuhe zusammenzukratzen, die er in der Kabine finden kann.
SAISONVERLAUF
NACH ZWEI TITELN DIESMAL DRITTER Nach zwei Deutschen Meisterschaften 1970 und 1971 verliert Borussia vor der Saison 1971/72 drei wichtige Spieler. Herbert Laumen und Peter Dietrich schließen sich der „Millionentruppe“ von Werder Bremen an, Horst Köppel geht zurück zum VfB Stuttgart in seine schwäbische Heimat. Obwohl am Bökelberg überaus erfolgreich Fußball gespielt wird, ist Manager Helmut Grashoff noch immer nicht in der Lage, mit den Angeboten der Konkurrenz mitzuhalten, und Präsident Dr. Helmut Beyer verkündet: „Mit Gewalt wird keiner gehalten. Dann fangen wir eben wieder mit jungen Spielern an.“
Die Mannschaft hält trotzdem gut mit und belegt ständig einen Platz in der Spitzengruppe. Zuweilen sehen die Fans Traumfußball, wie beim 7:1 im Europapokal gegen Inter Mailand und beim 7:0 gegen Schalke 04 drei Tage später. Doch es fehlt die Konstanz der beiden Vorjahre, und so ist spätestens nach einer 0:2-Auswärtspleite beim Tabellenletzten Hannover 96 klar, dass es mit der dritten Meisterschaft hintereinander nichts wird. Am Ende springt Platz drei heraus, hinter Bayern München und Schalke 04.
Die Vorsichtsmaßnahme erweist sich als richtig, denn der verschwundene Bus taucht erst wieder auf, als das Spiel beim 1. FC Köln längst angepfiffen ist. Fündig wird die Polizei in Großkönigsdorf, einem Dorf in der Nähe von Brauweiler. Dort steht das gute Stück mit dem Kennzeichen MG-M 11, nahezu unversehrt, nur ein paar Kratzer sind am Heck und eine Decke fehlt. Wie der Fahrtenschreiber später aufklärt, sind die Diebe zwischen halb zwei und fünf Uhr nachts unterwegs gewesen, eine längere Strecke gefahren und haben auch tüchtig aufs Gaspedal gedrückt. 120 Stundenkilometer schnell sind sie in der Spitze gefahren, schneller, als mit dem Bus erlaubt.
Mit Bus fahren die Borussen am Abend also wieder nach Mönchengladbach, aber ohne Punkte, denn das Spiel in Köln ging 3:4 verloren. Entsprechend ist die Stimmung im Bus, und die Spieler grübeln über Sinn und Zweck der nächtlichen Spritztour. Ein Jux? Ein Diebstahl? Die Sache wird trotz der von Helmut Grashoff ausgesetzten 5.000-Mark-Prämie nicht aufgeklärt, aber eins steht fest: Die Gladbacher Karnevalisten haben ein Thema für den nächsten Veilchendienstagszug!
Luxuskarosse: Borussia verfügte als einer der ersten Bundesligaklubs über einen eigenen Mannschaftsbus.
„Was sagt der Hund von Sepp Maier auf die Frage, wer Deutschlands bester Torwart ist? Kläff, Kläff!“
Witz von VfL-Keeper Wolfgang Kleff, in der Nationalmannschaft die Nummer zwei hinter Bayerns Sepp Maier.
PERSONALIE
SPIELER DES JAHRES Deutschlands Sportjournalisten wählen Borussia zur „Mannschaft des Jahres 1971“. Und auch der „Spieler des Jahres“ kommt aus Mönchengladbach. Verteidiger Berti Vogts setzt sich bei der Wahl durch, gewinnt mit 225 Stimmen klar vor Franz Beckenbauer (154) und Günter Netzer (133). Damit habe ich bestimmt nicht gerechnet, sagt Vogts, als er bei der Ehrung in Baden-Baden gemeinsam mit seinem Mannschaftskameraden Hartwig Bleidick stellvertretend für den Rest des Teams von Innenminister Hans-Dietrich Genscher geehrt wird. Wie wichtig „Berti“ für Borussia ist, weiß man am Bökelberg genau und bekommt es in dieser Saison zu spüren. Wochenlang fällt der bissige Abwehrspieler nämlich wegen einer Fußverletzung aus, nachdem er zuvor in 212 Bundesligaspielen am Stück dabei gewesen ist. Nur 19 Saisonspiele macht er mit und sagt am Schluss: „Ich bin froh, dass diese verkorkste Saison endlich vorbei ist.“ Trotz Wahl zum „Spieler des Jahres“ …