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1966|67

Schüsse beim Südamerika-Trip

Nach dem Ende der Bundesligasaison unternimmt Borussia eine abenteuerliche Südamerika-Reise. Der Trip ist bereits einige Tage alt, als die Mannschaft auf dem Weg nach Sao Paulo einen ungeplanten Zwischenstopp einlegen muss. Unter der glühenden Sonne steigen die Borussen auf freiem Feld aus ihrem Mannschaftsbus, als Torwart Volker Danner plötzliche eine Pistole zückt und einige Schüsse gen Himmel abfeuert. „Hast du sie noch alle?! Du kannst doch hier nicht einfach rumballern“, rufen seine entgeisterten Teamkollegen und sorgen dafür, dass der Schlussmann seine Waffe schnell wieder in seiner Tasche verschwinden lässt. „Der Volker war ein Pistolenfreak, die Knarre hatte er sich kurz zuvor gekauft und wollte sie dann unbedingt ausprobieren“, erinnert sich Herbert Laumen noch genau an das Szenario.

Beinahe werden Danners Schüsse den Borussen zum Verhängnis, denn nur wenige Minuten später treffen brasilianische Polizisten am „Tatort“ ein. „Ich vermute, dass irgendwelche Einheimische sie alarmiert haben. Aber wir haben alles abgewiegelt, und zum Glück haben sie uns weiterfahren lassen“, berichtet Laumen. Er selbst kommt während des Südamerika-Trips noch in eine weitere unangenehme Situation, als er gemeinsam mit Berti Vogts im Taxi sitzend kurz vor der Stadtgrenze von Santiago de Chile von einigen Wachmännern angehalten wird. „Plötzlich haben wir in drei Gewehrläufe geguckt“, erzählt Laumen. „Da wird einem schon ganz anders.“ Als das Wachpersonal aber erfährt, dass in dem Auto Fußballspieler aus Deutschland sitzen, dürfen sie den Kontrollposten umgehend passieren. Von beiden Aktionen hat Günter Netzer nichts mehr mitbekommen, denn der befindet sich zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in der Heimat – die Hitze und die dünne Luft in den Anden hatten ihm zu sehr zugesetzt.

Meine Damen und Herren, und jetzt begrüßen Sie bitte unsere Mannschaft mit dem gleichen Applaus wie die der Gäste aus Dortmund.“

Borussias Stadionsprecher vor dem Heimspiel gegen Borussia Dortmund – zuvor hatte es aus den ersten drei Partien keinen Sieg gegeben.

Die knapp dreiwöchige Reise beginnt für die Borussen gleich mit einem Hindernis, denn am ersten Tag kommt es zu einem unfreiwilligen, verlängerten Aufenthalt in New York. Während das Gepäck sich schon auf dem Luftweg nach Caracas befindet, verbringt der VfL-Tross die Nacht am Broadway. Die Weisweiler-Schützlinge haben keine Einreisegenehmigung für Venezuela erhalten, da ihnen für diesen kurzfristigen Abstecher die Visa fehlen. Im letzten Moment werden die Formalitäten aber noch geregelt, so dass das erste Spiel in Caracas stattfinden kann. Bei 27 Grad gewinnt Borussia 1:0. Nach einem weiteren 4:2-Erfolg bei einem weiteren Team aus der venezolanischen Hauptstadt geht es weiter in das 2.600 Meter hoch gelegene Bogota, wo Borussia den kolumbianischen Meister Los Millonarios 2:0 bezwingt. Die Zeitumstellung, das tropische Klima und die veränderten Verhältnisse in der Höhenluft sind zu viel für Netzer. Der Spielmacher muss, wie einige Teamkollegen auch, in der Halbzeit mit einer Sauerstoffmaske versorgt werden. Nach dem Spiel ist Netzers Zustand so miserabel, dass die VfL-Führung beschließt, ihn mit der nächsten Maschine nach Hause zu schicken. „Wenn ich die Hindenburgstraße hinaufgehen müsste, ich glaube, ich würde zusammenbrechen“, stöhnt Netzer, der in den Tagen zuvor knapp fünf Kilogramm verloren hatte, nach seiner Rückkehr.


Auf dem Weg nach Sao Paulo legten die Borussen einen ungeplanten Zwischenstopp ein.

SAISONVERLAUF

BORUSSIA WIRD ZUR TORFABRIK Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist für einen Neuling meist das schwierigste – diese Erfahrung muss auch Borussia zu Beginn der Saison 1966/67 machen. Nach drei Spieltagen steht sie mit nur zwei Zählern und einem erzielten Tor erstmals auf einem Abstiegsplatz. Mit dem 4:0 über Borussia Dortmund gelingt dann der Befreiungsschlag. „Ich wusste, dass meine Mannschaft sich steigern würde – und sie wird sich noch weiter steigern“, sagt Trainer Hennes Weisweiler – und behält Recht. In den darauf folgenden Wochen stabilisiert sich sein Team, fährt bis zum Ende der Rückserie fünf Siege – darunter ein 2:1 in Köln – ein und überwintert auf Platz fünf. In die Rückrunde startet Borussia mit einem furiosen 11:0 gegen den FC Schalke 04 – bis heute der zweithöchste Sieg ihrer Bundesligahistorie. Im Anschluss wechseln Licht und Schatten bei der Weisweiler-Elf. Offensiv brilliert sie und erzielt am Ende gemeinsam mit Borussia Dortmund die meisten Treffer (70), so dass der VfL den Beinamen „Torfabrik“ erhält. Demgegenüber stehen die Defensivprobleme der Mannschaft. Zwar erweist sich der neue Torwart Volker Danner als Verstärkung, doch auf Grund der offensiven Ausrichtung muss Borussia zu viele Gegentreffer hinnehmen. Die Fußballfans erfreuen sich an den Torfestivals wie dem 4:2 gegen den Hamburger SV, dem 2:3 bei Borussia Dortmund, dem 3:3 beim Karlsruher SC, dem 4:3 gegen RW Essen oder dem 3:4 bei 1860 München. Unter dem Strich verhindern die 49 Gegentreffer allerdings eine bessere Platzierung als Rang acht.

„Hoffentlich überstehen die anderen Spieler die Reise gut“, sagt Netzer. Das tun seine Mannschaftskollegen und sind trotz der enormen Strapazen erfolgreich. Von der Höhe in Bogota geht es hinab ans Meer nach Guayaquil. Nur wenige hundert Kilometer vom Äquator entfernt trennt sich der VfL 1:1 vom ecuadorianischen Meister Barcelone Guayaquil und bleibt damit im vierten Spiel hintereinander ungeschlagen. Tags darauf setzt es gegen Emellec Guayaquil die erste Niederlage (0:1). In Chile bezwingt die Weisweiler-Elf Green Cross Temuco 1:0. Zum Abschluss verliert sie in Ribeiro Preto 1:3 gegen den FC Botafogo. Die Begeisterung der Brasilianer für Borussia ist riesig. „Wir wurden von den meisten als deutsche Nationalmannschaft oder zumindest als Europapokalsieger angesehen und entsprechend hofiert“, so Laumen. Nach der Partie in Botafogo wollten die Einheimischen „Revolverheld“ Volker Danner vom Verbleib in Südamerika überzeugen. Trotz seiner Waffenvorliebe besteigt der Keeper tags darauf aber doch den Flieger Richtung Heimat.

PERSONALIE

RUPP VERABSCHIEDET SICH MIT 16 TOREN Auf schneebedecktem Boden feiert Borussia am 7. Januar 1967 einen historischen Erfolg. Mit 11:0 deklassiert sie den FC Schalke 04 – als bester Torschütze ragt Bernd Rupp heraus, der an diesem Tag dreimal ins Schwarze trifft. „Uns ist einfach alles gelungen“, freut sich der Angreifer, der in der gesamten Saison 16 Treffer erzielt und neben Herbert Laumen (18 Tore) und Jupp Heynckes (14 Tore) bester Torschütze der Borussen ist. Dennoch zieht es Rupp am Ende der Spielzeit zu Werder Bremen. In der Rückrunde gibt es ein wochenlanges Hickhack zwischen Borussia und seinem zukünftigen Verein. Zwischenzeitlich schaltet sich sogar der DFB-Kontrollausschuss ein und erklärt in erster Instanz, dass Rupp seinen bis Juli 1969 gültigen Vertrag erfüllen müsse. Rupp zeigt sich von den Diskussionen um ihn unbeeindruckt und erzielt auf der abschließenden Südamerika-Reise die meisten Tore. Anfang Juli verkündet Borussia aber doch seinen Wechsel zu Werder. „Die finanziellen Forderungen des Spielers gehen weit über die Ertragskraft des Vereins hinaus“, erklärt der Borussia-Vorstand und muss den erfolgreichsten Stürmer der vergangenen Jahre ziehen lassen.

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