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2. Kirchentheoretische Grundanliegen
ОглавлениеSo zeigen sich also in der vielfältigen Beleuchtung der Themen Urbanität und Öffentlichkeit exemplarisch die grundlegenden kirchentheoretischen Herausforderungen an. Zugleich werden schon durch dieses Agendasetting bestimmte kirchentheoretische Grundanliegen und -überzeugungen mittransportiert:
Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass sich sowohl Aspekte der Urbanität wie der Öffentlichkeit als Ressourcen zukünftiger Kirchenentwicklung ausmachen lassen. Fern sei jedenfalls das Klagelied über den vermeintlichen Verfall einstmals überschaubarer lokaler Strukturen und einer einstmals organischen und ganz konfliktfreie Verfassung des öffentlichen Lebens. Dabei handelt es sich wohl um kaum mehr als Mythenbildung, auf deren Revitalisierung man allerdings sinnvollerweise weder Zeit und Energie verwenden sollte. Es geht auch nicht um eine Abwertung der Begriffe Urbanität und Öffentlichkeit unter der Hand oder um eine Art missionarischer Kolonialisierung, wie man dies in anderen kirchentheoretischen Zusammenhängen im Blick auf den Postmoderne-Begriff feststellen muss.11 Kirche und Gemeinden sind jedenfalls nicht einfach weltferne Grössen vor Ort, die sich nun etwa durch eine Art der Gegenkultur von allem Weltgetriebe per se absetzen könnten. Vielmehr besteht die kirchentheoretische Herausforderung darin, sich zu diesen Dynamiken in ein theologisch verantwortetes Verhältnis setzen zu können. Oder anders gesagt: Eine entscheidende kirchentheoretische Herausforderung besteht darin, nicht nur mit den Geschwindigkeiten und Kontrasten dieser Dynamiken umgehen zu können, sondern auch mit deren permanenten Innovationen, Transzendenzbewegungen12 und nicht zuletzt deren immanenten Widersprüchen,13 mit denen die Menschen im urbanen Raum aber offenbar zu leben gelernt haben.
Das heisst aber auch, dass hinter den zu bearbeitenden Schwerpunkten die Frage nach der verantwortlichen kirchlichen Praxis im Blick auf die Menschen selbst im Zentrum zu stehen hat – und zwar auch diejenigen Menschen, die auf den ersten Blick nicht den Kernbereich kirchlicher Gemeinde ausmachen. Denn offenkundig ballen sich in den Entwicklungen des technischen Zeitalters nicht nur Rohstoffe und Kapital, sondern auch die Ressourcen und Möglichkeiten des je einzelnen Menschen, mit diesen Herausforderungen des beschleunigten – und nun besonders verletzlichen – Lebens umzugehen. Städte bzw. urbane Kontexte sind im tatsächlichen und im symbolischen Sinn Ballungsräume unterschiedlichster Lebensformen und Lebenswelten.14 Damit ist aber auch klar, dass weder urbane noch öffentliche Entwicklungsdynamiken eine Eingrenzung kirchentheoretischer |22| Arbeit auf den vermeintlichen Kern oder heiligen Rest kirchlichen Lebens erlaubt.
Vielmehr steht hinter dieser Schwerpunktsetzung die feste Überzeugung, dass kirchentheoretisch auch zukünftig von vielfältigen Möglichkeiten volkskirchlichen Lebens ausgegangen werden kann.15 Schliesslich kann es nicht darum gehen, hier Patentprogramme für die zukünftige Kirchenentwicklung vorzulegen, sondern einige erste kirchentheoretische Überlegungen anzustellen und damit vor allem die inhaltliche Diskussion zu befördern, um damit dann auch über kriteriologische Massstäbe für konkrete Reformentwicklungen zu verfügen.