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Die Region als Ziel von Wanderungen Migration und Mobilität als Problem – die Tiroler Landesordnung
Оглавление„Schotten“, „Savoyer“, „Juden“, „Bettler“, „Zigeuner“, „Riffianer“ – die Tiroler Landesordnung in ihrer Form von 1573 nennt gleich mehrere Gruppen, für die offenbar aufgrund ihrer Mobilität besonderer Regelungsbedarf gesehen wurde. Am deutlichsten wurde dies im Zusammenhang mit den „Schotten“, so wurden zeitgenössisch wandernde Händler genannt, die keineswegs aus Schottland stammen mussten,4 und „Sophoyren“ (Savoyern), für die dasselbe in Hinblick auf Savoyen galt,5 formuliert. Ihnen wurde untersagt, ihre Geschäfte von Haus zu Haus, abseits offizieller Marktzeiten und außerhalb der Kontrollsphäre der Obrigkeit zu betreiben – eine Bestimmung, die auch auf jüdische Handelsleute ausgedehnt wurde. Betrügereien sollten damit unterbunden werden.6 Falls sich „Schotten“ oder „Savoyer“ aber „mit wonung vnnd hauß-hablichem wesen niderlassen“, also sesshaft werden würden, so dürften sie – gleich wie die anderen Untertanen auch – ihren Geschäften „frey vnd vnuerhindert“ nachgehen. Die Mobilität wurde hier insofern als kritisch betrachtet, als durch sie obrigkeitliche Kontrollen erschwert oder gar verunmöglicht wurden.7 Ebenfalls wohl aufgrund sozioökonomischer Merkmale und wegen ihrer Mobilität standen die sogenannten „Riffianer“ im Visier der Obrigkeit.8 Sie zögen „mit grossem Spil / Zerungen vnnd Weybern“ von Jahrmarkt zu Jahrmarkt bzw. Kirchtag zu Kirchtag, heißt es in der Landesordnung, was „Mordt / vnd annder vil Args“ zur Folge habe. Einreise nach und Aufenthalt in Tirol war ihnen daher untersagt.9 Selbiges galt auch für nicht näher definierte „Zigeuner“. Wer ihnen Unterkunft gab, sollte bestraft werden, während im Gegenzug Gewalt gegen sie straffrei gestellt und damit legitimiert wurde.10 Über die Zugehörigkeit zu den Gruppen der Schotten, Savoyer, Riffianer oder Zigeuner entschieden wohl die jeweils sesshaften Bevölkerungsteile bzw. deren obrigkeitliche Vertreter. Wesentliches Kriterium für diese Zuschreibungen bildete dabei zweifelsohne der Faktor Mobilität.
Ähnlich verhielt es sich mit Bettler*innen beziehungsweise allgemein Menschen, die auf Almosen angewiesen waren. Jede Gemeinde sollte für die Versorgung ihrer eigenen Armen zuständig sein. Das Betteln in anderen Gemeinden war verboten. Argumentiert wurde dies einerseits mit den Kosten, die Almosenempfänger*innen verursachten, andererseits damit, dass so gewährleistet werden sollte, dass niemand, der eigentlich seinen Lebensunterhalt auch auf anderem Wege verdienen konnte, Almosen bezog. Persönliche Bekanntschaft durch Sesshaftigkeit sollte hier somit als Korrektiv fungieren. Ein weiterer Grund, der ins Treffen geführt wurde, war sicherheitspolizeilicher Natur: Bettler*innen wurden mit „bösen Missstalten und Handlungen“ in Verbindung gebracht.11 Aus diesen Gründen waren es im Besonderen „fremde“, ausländische Bettler*innen, die in der Tiroler Landesordnung problematisiert wurden. Ihnen sollte nach Möglichkeit die Einreise verweigert werden; jene, die sich bereits auf landesfürstlichem Territorium befanden, sollten außer Landes geschafft werden. „Vmbschwaiffendt[e]“, also mobile, ausländische Bettler*innen, die von den Obrigkeiten im Land betreten wurden, sollten bestraft werden.12
Abb. 2: Der Markt als Begegnungsort, dargestellt von Jakob Placidus Altmutter, ca. 1819