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ОглавлениеDer Chef der Sicherheitspolizei und des SD | Berlin, den 21. Juli 1941 |
IV A 1 – B.Nr. 1 B/41 g.Rs. | [Stempel: Geheime Reichssache!] |
[Stempel: Lagezimmer] |
36 Ausfertigungen, 27. Ausfertigung
Ereignismeldung UdSSR Nr. 30
I) Politische Übersicht:
a) Im Reich: Es liegen keine besonderen Meldungen vor.
b) Belgien:
Der Beauftragte des Chefs d. Sipo u. d. SD für Belgien und Frankreich, Dienststelle Brüssel, meldet: In Lüttich wurde eine Brandbombe gefunden, die beim Fliegerangriff am 11.7.41 abgeworfen wurde. An dieser Bombe befand sich eine Abzugsvorrichtung mit der Aufschrift „Tirez ici“. Es scheint sich um eine Bombe zu handeln, welche beim Aufschlag nicht explodiert, sondern von den Belgiern zu Sabotageakten verwendet werden soll.
c) Jugoslawien:
Am 21.7.41 explodierte in Belgrad eine Höllenmaschine. Anscheinend ist die Explosion durch unsachgemäßes Hantieren erfolgt. Zwei Personen wurden schwer verletzt. Unter ihnen befindet sich ein Ingenieur, der ein persönlicher Freund des früheren Ministerpräsidenten Cvetkovic sein soll. Als Vergeltung für das auf den deutschen General Lomtscha versuchte Attentat in der Gegend von Uzice sindam 20.7.41 52 Kommunisten, Juden und Angehörige von Bandenmitgliedern in den Orten Uzice, Valjevo und Cacac erschossen worden. Neben den bereits gemeldeten Maßnahmen ist im Einvernehmen mit dem Militärbefehlshaber in Serbien eine Großaktion mit Unterstützung von Einheiten der Wehrmacht in Vorbereitung. Die Erschiessungen haben sich in der Bevölkerung ausserordentlich schnell herumgesprochen. Verläßlichen Nachrichten zufolge ist die Bevölkerung in den Dörfern der Meinung, daß sie alle Angaben über die Banden bezw. einzelne Mitglieder der Banden unverzüglich machen wollen, um sich nicht selbst der Gefahr der Erschiessung auszusetzen.
d) Generalgouvernement:
Stimmung der ukrainischen Volksgruppe im Generalgouvernement: Die Ukrainer sind nach wie vor sehr ungehalten darüber, daß sie das Generalgouvernement nicht verlassen dürfen. Sie treffen bereits alle Vorbereitungen, um für einen Einsatz in der Ukraine gerüstet zu sein. Ohienko bereitet z. Zt. etwa 200 Personen für eine Missionsarbeit in der Ukraine vor. Er hat die Absicht, da kanonisch die Ukraine zu Moskau gehört, zunächst in Kiew einen Administrator einzusetzen, der dann die Forderung einer unabhängigen ukrainischen Kirche erheben soll. In Warschau ist der Ukrainer Sevriuk aus Berlin eingetroffen.1 Angeblich soll er sich mit kulturellen Fragen befassen. In Wirklichkeit aber beschäftigt er sich mit politischen Dingen. Im übrigen ist die Stimmung der Ukrainer gegenüber Deutschland gut. Die Kriegsereignisse betrachtet man als kurz vor dem Abschluß stehend. Man erwartet noch einen Durchbruchsversuch der Sowjetrussen nach dem Süden, wobei man darauf hinweist, daß Sowjetrußland 40 Kavalleriedivisionen besitzt, zum Teil motorisiert, die bisher noch nicht zum Einsatz gelangten. Wahrscheinlich werde Rußland diese Divisionen nach dem Süden werfen, weil an der rumänischen Grenze die schwächsten Kräfte stünden.
II) Meldungen der Einsatzgruppen und -kommandos:
Von den Einsatzgruppen A, B und D sind keine Meldungen eingegangen.
Einsatzgruppe C: Standort Shitomir, meldet:
In Shitomir wurden 187 Sowjetrussen und Juden, die zum Teil als Zivilgefangene von der Wehrmacht überstellt wurden, erschossen. Ein Pkw des Einsatzkommandos 4a wurde in Shitomir aus einem Hause beschossen. Jugendlicher Täter, 12 Jahre alt, gefaßt, Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Vergeltungsmaßnahmen eingeleitet. Da in Umgegend von Shitomir sich Kommunisten und Juden verborgen halten sollen, planmäßige Fahndungsaktionen zusammen mit Wehrmacht eingeleitet. Allgemeine Stimmung in der Westukraine: Unter den Ukrainern Stimmung trotz weiterer Unabhängigkeitspropaganda der Bandera-Gruppe, besonders in den Provinzstädten, allgemein gut. Lediglich Beunruhigung über Vorrücken ungarischer Truppen im ukrainischen Siedlungsraum. Über die Haltung der Ungarn zu den Ukrainern wilde Gerüchte im Umlauf. Ungarische Soldaten fordern angebl. ukrainische Bevölkerung zum Plündern auf und machen davon Filmaufnahmen, die Terrormaßnahmen rechtfertigen sollen. Im Dienst Ungarns polnische Offiziere, die besonders gegen ukrainische Miliz vorgehen. Sie sind eher für eine deutsche Okkupation als ukrainische Herrschaft. Flüsterpropaganda der Widerstandsbewegung macht sich bereits bemerkbar.
III) Militärische Ereignisse: Es liegen keine Meldungen vor.
Verteiler:
RFSS und Chef der Deutschen Polizei
Chef der Sicherheitspolizei und des SD
Chef der Ordnungspolizei
OKW-Führungsstab–Oberstleutnant Tippelskirch
Alle Amtschefs
Gruppe II D
II A 1
Gruppe II B (2 Expl.)
Gruppe VI C
IV A 2
IV A 4
IV D, IV D 1, IV D 2, IV D 3, IV D 4
IV E,IV E 5
Einsatznachrichtenführer
Pol.Rat Pommerening
IV-GSt. IV A 1 d (5 Reserve)
Aus:BAB, R 58/214
1 Gemeint ist Oleksandr Sevrjuk (1893–1941), ehemals Mitglied der ukrainischen Rada u. einer der ukrainischen Verhandlungsführer in Brest-Litowsk 1917. War 1938 Gesandter der UNR (Ukrainska Narodnja Respublika/Ukrainische Volksrepublik) in Berlin bei der ukrainischen „Vertrauensstelle“ (de facto Verwaltungsinstitution für Emigranten unter Aufsicht der Gestapo wie unter Hinzuziehung des AA) u. diente sich den deutschen Behörden an. Sevrjuk blickte auf das Leben eines politischen Abenteurers zurück, der zwischen Bolschewiki u. Nationalisten hin-und hergeschwankt war, u. somit über keine Hausmacht oder politische Heimat verfügte. Es gelang ihm aber seine Exilkontakte, u.a. zu Leibbrandt, zu vertiefen, als die Karpatho-Ukraine 1938 ins politische Blickfeld des Dritten Reiches geriet. Nach dem überfall auf die UdSSR versuchte er nunmehr seinen Einfluß auch in der Heimat wiederzuerlangen; vgl. Golczewski: Deutsche und Ukrainer 1914–1939, S. 182–192, 764–778, 826f.